"Hätte auch 9:7 ausgehen können" Klopps Liverpool überrennt kopflose Hühner
24.08.2017, 13:10 Uhr
Lass dich knuddeln - Jürgen Klopp könnte nach dem Einzug in die Gruppenphase der Champions League die ganze Welt umarmen.
(Foto: REUTERS)
Spektakulär stürmen Jürgen Klopp und der FC Liverpool gegen 1899 Hoffenheim zurück in die Champions League. Weitere "großartige Nächte in Anfield" sollen folgen. Hoffenheim hadert - und will an der Abreibung wachsen.
Ein rauschender Abend endete unspektakulär und ohne große Show. Als das Spiel vorbei war und der Einzug des FC Liverpool in die Gruppenphase der Champions League durch das 4:2 über 1899 Hoffenheim feststand, winkten die Profis des englischen Traditionsklubs nur kurz ins Publikum, klatschten in die Hände und verschwanden in den Katakomben. Trainer Jürgen Klopp ballte die Fäuste und klopfte sich mit der flachen Hand auf die Brust, dorthin, wo auf seinem Trainingsanzug das Vereinswappen angebracht ist. Die Geste wurde mit Jubel von den Rängen begleitet. Dann verließ auch er die Bühne. Und schon zehn Minuten nach Schlusspfiff war das Stadion an der Anfield Road fast leer.
Dass sich die Spieler nach einem großen Sieg ausgiebig feiern lassen, dass sie gemeinsam mit dem Publikum Gesänge anstimmen, ist in England unüblich, hier werden Erfolge eher routiniert zelebriert. Und ein bisschen passte diese Zurückhaltung ja auch zu Liverpools Rückkehr in die Champions League. Der Klub hatte seine Pflicht erfüllt. Er ist nach drei Jahren Abwesenheit wieder dort, wo er ohnehin hingehört Kraft seiner Geschichte und der Mythen und Legenden, die ihn umwehen. Ein großer Verein ist zurück im Kreis der Großen.
"Werden großartige Nächte haben"
Die Art der Pflichterfüllung war allerdings spektakulär. Das Team von Trainer Klopp überrannte die bemitleidenswerten Gäste aus der Bundesliga. Vor allem die Angreifer Sadio Mané und der ehemalige Hoffenheimer Roberto Firmino waren nicht zu bremsen. Schon nach 20 Minuten stand es 3:0 für die rasenden Roten, unter anderem durch einen Doppelpack des deutschen Nationalspielers Emre Can. Und wer gekommen war, um sich davon zu überzeugen, dass die Atmosphäre an der Anfield Road ihren berühmten Zauber schon lange verloren hat, wurde enttäuscht: Die Stimmung war so erdrückend und so ekstatisch, dass Klopp Schwierigkeiten hatte, seine Arbeit zu machen. "Es war so laut, dass ich meinen Spielern keine Anweisungen geben konnte", berichtete er vergnügt.
Seit knapp zwei Jahren ist er im Amt, in der ersten Saison führte er die Mannschaft in der Premier League auf den achten Platz, in der zweiten Saison auf den vierten Platz und durch die Playoffs gegen Hoffenheim in die Champions League. Schritt für Schritt geht es aufwärts. Wieder in der Königsklasse dabei zu sein, bedeute ihm alles, sagte Klopp: "Ich liebe es, die Spieler lieben es, die Zuschauer lieben es. Wir werden ein paar großartige Nächte in Anfield haben."
"Die Partie hätte auch 9:7 ausgehen können"
In einer turbulenten Partie zeigte seine Elf, was in ihr steckt, zumindest offensiv. Und das ohne den verletzten und wechselwilligen Philippe Coutinho. Sie deutete aber auch an, dass sie in der Abwehr verletzlich ist, nicht nur bei den beiden Hoffenheimer Toren durch Mark Uth in der 29. Minute und Sandro Wagner in der 79. Minute. So richtig stabil wirkte die Verteidigung unter Druck zu keinem Zeitpunkt. "Jürgen Klopps Mannschaft ist unwiderstehlich und anfällig zugleich", urteilte der Daily Mirror: "Packend anzuschauen im Vorwärtsgang aber auch von Ungewissheit in der Defensive geprägt."
Der Trainer selbst sah das sogar ähnlich. "Die Partie hätte auch 9:7 ausgehen können. Aber auch dann wären wir weiter", sagte Klopp. Wenn Liverpools Auftritte auch künftig von diesem Geist geprägt sind, dürfte es in dieser Saison tatsächlich ein paar denkwürdige Champions-League-Abende an der Anfield Road zu sehen geben.
Kopflose Hoffenheimer verärgern Nagelsmann
Die TSG Hoffenheim dagegen muss sich mit der Europa League begnügen. Die Mannschaft stellte in Liverpool schmerzlich fest, dass sie eine Nummer zu klein ist für die große Bühne. Trainer Julian Nagelsmann war nicht zimperlich bei der Beurteilung seiner Profis. Er beklagte zu wenig gewonnene Zweikämpfe und eine fehlende Ordnung. "Sehr, sehr kopflos" habe seine Mannschaft in der fatalen Anfangsphase operiert, sagte er, was der Übersetzter in der Pressekonferenz sehr hübsch ins Englische übertrug: "We were running around like headless chickens."
Trotz der Enttäuschung über den verpassten Einzug in die Königsklasse - die Europa League kann eine Chance sein für Hoffenheim. So sieht das auch Nagelsmann. "Wenn man die Wahl hat, würden sich die meisten wohl für die Champions League entscheiden. Aber wir werden jetzt nicht bei der Uefa anrufen und sagen, dass wir in der Europa League nicht antreten", sagte er. Seine Mannschaft könne auch dort Erfahrung sammeln und weiter wachsen.
Eine Erfahrung wie an der Anfield Road braucht sein Team so schnell nicht wieder.
Quelle: ntv.de