"Ist bezeichnend für unsere Lage" Kosovo feiert unechte Heimpremiere
06.10.2016, 10:43 Uhr
Die kosovarischen Nationalkicker rechnen sich im WM-Qualifikationsspiel gegen Kroatien durchaus etwas aus.
(Foto: dpa)
Vor weniger als einem halben Jahr wird das Kosovo Mitglied der Fifa. Nun bestreitet die Fußball-Nationalmannschaft der Balkanrepublik ihr erstes Heimspiel. Dabei findet die WM-Qualifikationspartie gegen Kroatien noch nicht mal im eigenen Land statt.
Heimpremiere mit Auswärtsspiel - die so skurrile wie auch noch kurze Fußball-Geschichte des Kosovo geht mit einer weiteren Kuriosität weiter. Da kein Stadion in der erst acht Jahre alten Republik die Fifa-Vorgaben erfüllt, muss das erste offizielle Heimspiel in der WM-Qualifikation gegen Kroatien im albanischen Shkodra stattfinden.

Trainer Albert Bunjaki und die kosovarische Nationalmannschaft werden ihr erstes Pflichtheimspiel in Albanien bestreiten.
(Foto: dpa)
"Das ist irgendwie bezeichnend für unsere Lage, aber wir nehmen das an. Auch weil wir wissen, dass viele Fans uns begleiten werden", sagt Nationaltrainer Albert Bunjaki vor der Partie im Loro-Borici-Stadion.
Mut macht den Spielern aus der einstigen jugoslawischen Teilrepublik auch der mehr als achtbare sportliche Auftakt in der Qualifikation für Russland 2018. Im September in Turku rangen die Kosovaren Gastgeber Finnland beim 1:1 einen hochverdienten Punkt ab und waren dabei dem Sieg näher als die Skandinavier. Auch gegen Kroatien rechnet man sich durchaus etwas aus. Schließlich fehlen beim EM-Teilnehmer die beiden Superstars Luka Modric und Ivan Rakitic ebenso verletzungsbedingt wie Marko Pjaca von Italiens Rekordmeister Juventus Turin.
Noch immer politische Störfeuer
Die Partie in Albanien ist für die 1,8 Millionen Einwohner des Kosovo auf jeden Fall der vorläufige Höhepunkt eines Marsches durch die sportpolitischen Institutionen. Nur knapp mit 28:24 Stimmen hatte die Europäische Fußball-Union (Uefa) den Kosovo im Mai als 55. Mitglied aufgenommen. Zehn Tage später zog die Fifa nach, für das 210. Mitglied votierten bei dieser Abstimmung 141 Verbände, 23 stimmten dagegen.
Doch immer noch bekämpft Serbien die (sportliche) Unabhängigkeit des Kosovo, über eine entsprechende Klage dürfte der Internationale Sport-Gerichtshof Cas bis Ende des Monats entscheiden. "Der Kosovo gehört zur Serbien, alles andere ist unannehmbar", erklärte dazu Milovan Drecun, Vorsitzender des sogenannten Kosovo-Ausschusses im serbischen Parlament.
Tatsächlich sind die politischen Störfeuer noch längst nicht erloschen. Uefa und Fifa vermeiden es vorerst, dass es zu offiziellen Begegnungen zwischen dem Kosovo und Serbien sowie Bosnien-Herzegowina kommt. Beide Staaten lehnen ebenso wie Russland und die Ukraine die politische Selbstständigkeit des jungen Staates ab.
Improvisation beim Spielbetrieb
Doch zumindest auf der logistischen Ebene tut sich etwas in der Hauptstadt Pristina. Das größte Stadion des Landes ist mittlerweile entkernt und soll möglicherweise schon zur nächsten Saison wieder als zertifizierte Spielstätte mit dann 22.000 Zuschauerplätzen zur Verfügung stehen.
"Hier wird viel improvisiert. Ich glaube deshalb, dass das zu schaffen ist", sagte Lutz Lindemann dem MDR. Der ehemalige DDR-Auswahlspieler, mittlerweile 67 Jahre alt, fungiert beim Topklub FC Pristina als Sportdirektor und bis November auch als Trainer. Sein Arbeitgeber möchte die im Bau befindliche Arena baldmöglichst für Europapokalspiele nutzen.
Derzeit trainiert und spielt der Tabellenführer der nationalen Liga auf der Bezirkssportanlage von Obiliq, zehn Kilometer von Pristina entfernt. Für den Ex-Präsidenten des FC Carl Zeiss Jena zumindest ein winziger Schritt in die richtige Richtung: "Wir sind schon dankbar für vernünftige Duschen und Kabinen."
Quelle: ntv.de, Andreas Frank, sid