Fußball

Bizarre Herbstkrisen-Duplizität Kovac und FC Bayern - geht das noch?

Niko Kovac und der FC Bayern haben sich zuletzt öffentlich entliebt. Geschieden sie sind noch nicht.

Niko Kovac und der FC Bayern haben sich zuletzt öffentlich entliebt. Geschieden sie sind noch nicht.

(Foto: imago images/Thomas Frey)

Wenn der FC Bayern mit 1:5 in Frankfurt verliert und der Kapitän nicht überrascht ist, dann ist die nächste Herbstkrise nicht mehr zu leugnen. Trainer Niko Kovac darf trotz des Offenbarungseids weitermachen, vorerst. Aber ein Comeback-Deja-vu wie 2018 ist diesmal nicht in Sicht.

Niko Kovac ist noch Trainer des FC Bayern. Und er wird es wohl auch noch ein paar Tage bleiben. Das Champions-League-Spiel am Mittwoch gegen Olympiakos Piräus (18.55 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) soll die offiziell weder bestätigte noch dementierte Jobgarantie für den Kroaten umfassen, ebenso wie das Bundesliga-Topspiel gegen Borussia Dortmund am Samstag (18.30 Uhr). Das berichten mehrere Medien übereinstimmend, die sich am Sonntag an der Säbener Straße vor der Machtzentrale des Tabellenvierten platziert hatten.

Dass Kovac im Amt bleibt, bleiben darf, ist durchaus überraschend. Denn am Tage zuvor war über die in den letzten Wochen schwer rumpelnden Fußballer aus München eine Katastrophe hereingebrochen, die höchste Liga-Niederlage seit mehr als einem Jahrzehnt. Damals ging man mit Jürgen Klinsmann 1:5 beim VfL Wolfsburg unter, diesmal bei Eintracht Frankfurt.

Nun ist die Frankfurter Mannschaft von Trainer Adi Hütter wirklich eine gute. An manchen Tagen ist sie sogar eine sehr gute. Aber sie ist nach den seit vielen Jahren etablierten Maßstäben keinesfalls so überragend, dass sie einen FC Bayern erwartbar mit 5:1 vermöbelt. Genau das aber hatte ausgerechnet Manuel Neuer gesagt.

Der Kapitän des wankenden Deutschen Meisters befand nach diesem grausamen (Bayern)-Nachmittag, dass das Ergebnis eben kein "riesiges Wunder" sei, sondern sich "angebahnt" habe. Wann und wie genau sich das angebahnt habe, sagte Neuer nicht. Nach neun Minuten vielleicht, als Jerome Boateng nach einer ungeschickten Notbremse vom Platz geflogen war? Ein Faktor für die Klatsche, aber nicht die Erklärung und auch keine Entschuldigung, befand Neuer. Also vielleicht: Seit Dienstag angebahnt, als sich sein Team trotz des 2:1-Erfolgs beim Zweitligisten über 80 Minuten blamierte? Oder schon in den vergangenen Wochen, als die Münchener gegen Hoffenheim (1:2), gegen Augsburg (2:2), gegen Piräus (3:2) und gegen Union Berlin (2:1) durch Liga und Champions League geeiert waren?

Chancenwucher und Defensivlücken

Seit dem 1. Oktober, seit dem spektakulären 7:2-Erfolg in der Champions League bei allerdings auch spektakulären einbrechenden Tottenham Hotspurs, hat der FC Bayern kein überzeugendes Spiel mehr angeboten. Die Mannschaft hat teilweise aberwitzigen Chancenwucher betrieben und gleichzeitig unfassbar viele Gegentore kassiert, gemessen freilich an der Qualität der Spieler und gemessen an den seit Jahren etablierten Maßstäben. Aber gemessen auch an Aufsteiger 1. FC Union Berlin, der in der Liga tatsächlich ein Gegentor weniger kassiert hat als die Münchner.

Die haben immer wieder ohne erkennbare Leitidee gespielt. Zumindest dann, wenn man die individuelle Klasse von Robert Lewandowski und Serge Gnabry nicht als großes Konzept der Klub-immanenten Mia-san-mia-Dominanz durchgehen lässt. Stattdessen standen bisweilen wütende und sich angiftende Spieler auf dem Platz. Hochbezahlte Fußballer, die an den einfachsten Dingen scheiterten, an Pässen, an Zweikämpfen. Fußballer, die keinen Spaß mehr zu haben schienen.

Kluft zwischen Spieler und Trainer

Von einer "Kluft" zwischen so manchen Spielern und dem Trainer hatte der "Kicker" in der vergangenen Woche berichtet, was durch die vieldeutigen Neuer-Aussagen nicht entkräftet wurde. Von einer Unzufriedenheit mit der Trainingsgestaltung war geschrieben worden. Von zu viel Wert auf Defensivarbeit. Von fehlenden taktischen Details. Von fehlenden Lösungen im Ballbesitz, von fehlenden Strukturen und einstudierten Spielzügen. Wieder einmal.

Die Bayern-Profis hören genau, was Kovac sagt. Aber hören sie auch darauf?

Die Bayern-Profis hören genau, was Kovac sagt. Aber hören sie auch darauf?

(Foto: imago images/Eibner)

Die Vorwürfe, in jeweils sehr unterschiedlicher Ausprägung und Intensität, begleiten die 16-monatige Amtszeit des Kroaten. Selbst das Double im Sommer hat nicht alle Zweifler besiegt, auch nicht im Inneren. So hatte beispielweise Klubchef Karl-Heinz Rummenigge, der sich auf bisweilen absurde Weise als Kovac' Chefkritiker gerierte, für die neue Saison gefordert: "Ich glaube, dass sich ein Trainer der Spielkultur eines Klubs anpassen muss. Jeder Trainer hat seine Präferenzen darüber, wie ein Spieler in seinem System spielen soll. Nur: Am Ende des Tages muss es ein Bayern-System geben, wie es ein Barcelona-System gibt."

Mit diesem System sei der FC Bayern "über Jahre und mit unterschiedlichen Trainern sehr erfolgreich" gewesen, führte Rummenigge aus, und es "beinhaltete spektakulärsten Fußball. Wir haben damit die Champions League gewonnen, standen damit dreimal im Finale und quasi immer im Halbfinale. Es wird eine wichtige Aufgabe von Niko Kovac sein, diese Spielkultur mit unserer verjüngten Mannschaft weiter zu kultivieren".

Doch bei der Kultivierung dieses spektakulären Bayern-Spiels scheint Kovac ungefähr noch so weit vom Ziel entfernt zu liegen, wie es Bayern von Barcelona tut, spielerisch und geografisch. Auf der einen Seite die Bayern, die seit jeher die Ballartistik mehr zu lieben vorgeben als die Blutgrätsche, vor allem wenn die titellose Konkurrenz für vermeintlich attraktiveren Fußball gefeiert wird. Und auf der anderen Seite Kovac, dem das Handwerk, die Blutgrätsche, näher ist als die Kunst, die Ballartistik.

Bizarre Duplizität der Krise

Bislang stellt sich Noch-Präsident Uli Hoeneß immer schützend vor Kovac, seinen Coach. Jetzt geht Hoeneß bald.

Bislang stellt sich Noch-Präsident Uli Hoeneß immer schützend vor Kovac, seinen Coach. Jetzt geht Hoeneß bald.

(Foto: dpa)

Es ist aber schon einigermaßen bizarr, dass sich die Herbstkrise des vergangenen Jahres mit der peinlichen "Auf-die-Fresse-Konferenz" fast genau ein Jahr später wiederholt. Damals taumelte Kovac nach dem als peinlich bewerteten 3:3 daheim gegen Fortuna Düsseldorf dem frühen FCB-Knockout entgegen. Auch damals soll es große Probleme zwischen Führungsspielern und Trainer gegeben haben. Ein Spiel zur Bewährung bekam Kovac schließlich von Präsident Uli Hoeneß - und der Kroate lieferte. Mit 5:1 fegten die Münchener über Benfica Lissabon hinweg, Kovac durfte weitermachen. Er stabilisierte die Mannschaft, in dem er die große Rotation aussetzte. Auf Empfehlung der Bosse, wie Rummenigge später einmal öffentlich erklärte. Der Absturz war plötzlich gestoppt. Erwartet hatte das kaum jemand.

Was die Situation damals von heute unterscheidet? Kovac greift seine Spieler aktuell sehr offensiv an, unterstellt ihnen Probleme mit der Einstellung. Er kritisiert ihren Arbeitsethos. Das Muster war schon bei vorherigen Trainerstationen zu beobachten, aber: Schlimmer geht's eigentlich nicht. Denn seinen eigenen Anteil an der Krise scheint er zumindest öffentlich als eher gering zu bewerten.

Nach dem Spiel gegen Bochum erkannte er, dass die "Jungs" die vorgegebenen Dinge nicht umsetzen. Anders als die Spieler des VfL. Deren Bereitschaft dem Trainer zu folgen, lobte Kovac. Auch wenn er das im Nachgang nicht als Kritik an seinen Fußballern verstanden wissen wollte, so war's nicht der erste deftige verbale Ausrutscher gegen das eigene Team. Die Mannschaft, so heißt es aus München, höre den Worten des Trainers genau zu. Ob sie ihm aber wirklich noch folgt?

Quelle: ntv.de

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