"Ginge es nur nach Leistung ..." Matthäus erklärt das Problem mit Boateng
02.06.2021, 21:39 Uhr
Zwei dürfen wieder für Deutschland spielen, einer nicht. Für Lothar Matthäus ist das kein Problem.
(Foto: picture alliance / SvenSimon)
Lothar Matthäus hält Jerome Boateng für besser als die meisten deutschen EM-Innenverteidiger. Ein Problem ist das Fehlen des Bayern-Profis für den Rekordnationalspieler aber nicht. Im Gegenteil: Bei seiner Rückkehr sei vieles schlechter gelaufen, als bei den aktuellen Entscheidungen.
Nein, alleine nach Leistung geht es bei Joachim Löw nicht, ist sich Lothar Matthäus sicher. Wenn dem so wäre, so sagte der RTL-Experte vor dem Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft am Abend gegen Dänemark, dann hätte der Bundestrainer neben Mats Hummels und Thomas Müller auch Jérôme Boateng zurück in die Nationalmannschaft holen müssen. Der Profi des FC Bayern, der mit dem Klub in den vergangenen Jahren so erfolgreich war, sei ohne Zweifel in der abgelaufenen Saison einer der stärksten deutschen Innenverteidiger gewesen. Doch Löw beließ es beim Comeback zweier der drei im März 2019 ausgebooteten Weltmeister von 2014. Ein Skandal? Ein Aufreger? Mitnichten, sagt Lothar Matthäus.
"Wenn es nur nach Leistung geht, hätte Jérôme Boateng es verdient. Aber vielleicht wollte Jogi etwas Ruhe haben", erklärt der RTL-Experte. Denn Boateng wäre mit den gleichen Ambitionen angereist wie Müller und Hummels - ein Stammplatz. "Wir haben genügend Spieler, die diese Position spielen können", sagte Matthäus. "Deswegen auch die Entscheidung, die beiden Spieler (Müller und Hummels, Anm. d. Red.) zu holen und nicht Boateng."
Anders als bei Matthäus selbst
"Wenn man solche Spieler", gemeint sind Müller und Hummels, "zurückholt, muss man ihnen eine klare Verantwortung geben und sie in die Verantwortung nehmen. Dann sind sie natürlich gesetzt", hatte Löw schon Anfang Mai seine Überlegung zu den Weltmeistern Müller, Hummels und Boateng öffentlich gemacht. "Gesetzt", das ist ein Status, den er Boateng offenbar nicht gewähren wollte, anstatt einen unzufriedenen Weltmeister auf der Bank sitzen zu haben, setzt Löw lieber neben Hummels auf die Innenverteidiger Antonio Rüdiger, Matthias Ginter, Robin Koch und Niklas Süle.
Löw hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass Hummels und Müller sich nicht wieder hinten würden anstellen müssen. Und Matthäus lobte nun auf RTL den Bundestrainer für die klare Moderation der Rückkehr zweier Weltmeister, denen Löw klare Erwartungen mitgegeben hatte. Der Rekordnationalspieler hatte es selbst ganz anders erlebt: Der damalige Bundestrainer Berti Vogts hatte Matthäus für die Weltmeisterschaft 1998 reaktiviert, den einstigen Weltfußballer aber für die ersten beiden Gruppenspiele auf die Bank gesetzt. Die Mannschaft schied später im Viertelfinale aus.
Löw will und wird das nun ganz anders handhaben als Vor-Vorgänger Vogts und das gefällt Matthäus. "Hier sehen wir direkt klare Zeichen. Und ich denke, dass keiner Probleme haben wird, sich an die Mannschaft zu gewöhnen. Das sind zwei Leitwölfe, deswegen sind sie dabei." Matthäus macht das "optimistisch für die kommenden fünf, sechs Wochen".
Schweinsteiger kritisiert hart
TV-Experte Bastian Schweinsteiger hatte Löw in der "Sport Bild" für dessen Entscheidung gegen Boateng kritisiert: Es sei ihm "ein Rätsel, wieso Boateng nicht nominiert wurde" Aus seiner Sicht führe kein Weg an Boateng vorbei, sagte Schweinsteiger. Wenn ich die Innenverteidiger der abgelaufenen Saison durchgehe, war Jérôme für mich der beste Mann in der Bundesliga, er ist auch besser als alle Verteidiger, die nun im EM-Aufgebot Deutschlands stehen", sagte der 36-Jährige.
Im Interview mit RTL hatte Löw seine Entscheidung noch einmal erklärt, warum die Rückkehrer sofort wieder in tragende Rollen schlüpfen: "Diese Erfahrung und Führung ist wichtig - gerade in schwierigen Momenten braucht man Spieler, die Verantwortung übernehmen", sagte er vor dem Anpfiff. Der Bundestrainer formierte gegen die Dänen mit dem 32-jährigen Hummels sowie Niklas Süle und Matthias Ginter in der Abwehr eine Dreierkette vor Torwart Manuel Neuer, die in der Rückwärtsbewegung um Lukas Klostermann und Robin Gosens zur Fünferkette ergänzt wird. "In der letzten Reihe möchte ich mehr Kompaktheit, mehr Klarheit, mehr Stärke, mehr Präsenz insgesamt", sagte Löw.
Und deshalb dürfen Hummels und Müller - im Gegensatz zu Boateng - 926 Tage nach ihrem letzten Länderspieleinsatz beim 2:2 gegen die Niederlande am 19. November 2019 in Gelsenkirchen wieder im DFB-Trikot in ein Stadion einlaufen und nach den Nationalhymnen für Deutschland spielen. Müller zum insgesamt 101. Mal, Hummels immerhin auch schon zum 71. Mal. Für Müller und Hummels war es eine gefühlte Ewigkeit. Jetzt ist der Tag da, der Moment der Genugtuung. "Es war ein Ziel, mich hier nochmal reinzuarbeiten", bekannte Hummels. Auch Müller empfand die DFB-Ausbootung durch Bundestrainer Joachim Löw im Frühjahr 2019 als "persönliche Niederlage".
Quelle: ntv.de, ter