Fußball

Nicht die ganze Wahrheit gesagt? Niersbach wusste vom Beckenbauer-Deal

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Hat Wolfgang Niersbach die Öffentlichkeit getäuscht? Hat der Ex- DFB-Präsident Teile der Wahrheit in der Affäre um die WM 2006 verschwiegen? Ein Bericht der "Süddeutschen" legt den Verdacht nah und setzt Niersbach gewaltig unter Druck.

So sieht also Aufklärung beim Deutschen Fußball-Bund aus: Wie die "Süddeutsche Zeitung" ohne nähere Angabe von Quellen berichtet, sollen Wolfgang Niersbach und seine Vertrauten, DFB-Generalsekretär Helmut Sandrock und Vize-General Stefan Hans, schon seit Wochen von dem ominösen Vertrag zwischen Jack Warner und Franz Beckenbauer sowie dessen Intimus Fedor Radmann gewusst haben. Stimmt der Vorwurf der "Süddeutschen Zeitung" hätte Niersbach in seinen bisherigen Stellungnahmen einen gewichtigen Teil der Wahrheit verschwiegen - oder diese massiv gebeugt. Denn Niersbach hatte seinen Rücktritt als Präsident des DFB am Montag damit begründet, die politische Verantwortung in der WM-Affäre zu übernehmen zu wollen, Als Schuldeingeständnis sei das aber nicht zu verstehen, betonte er.

WM-OK-Spitze war 2003 über Dreyfus-Darlehen informiert
  • Die Spitze des Organisationskomitees der Fußball-WM 2006 wusste einem Bericht der "SZ"zufolge bereits Anfang 2003 vom Millionendarlehen des früheren adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus.
  • Die SZ bezieht sich auf Notizen, Vermerke und Aufzeichnungen, die von der Wirtschaftskanzlei Freshfields beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) gefunden wurden.
  • Demnach sollen Ex-Generalsekretär Horst R. Schmidt, Ex-Präsident Theo Zwanziger und Gerhard Mayer-Vorfelder zu diesem Zeitpunkt schon informiert gewesen sein.
  • OK-Chef Franz Beckenbauer hat den Deal mit Dreyfus angeblich über seinen damaligen Berater Robert Schwan selbst eingefädelt.

Frei von Schuld wäre Niersbach dem "SZ"-Bericht zufolge aber keineswegs. In dem Bericht heißt es, dass das DFB-Präsidium wochenlang nicht über den Vorgang informiert worden sei. Das hatte erst am Montag von dem Vertrag erfahren, nachdem dieser von den externen DFB-Prüfern der Wirtschaftskanzlei Freshfields in Verbandsunterlagen entdeckt worden sei. Ein Sprecher des DFB sagte auf Anfrage der Zeitung, dass sich der Verband wegen laufender Ermittlungen nicht dazu äußern werde. Hans, Sandrock und Niersbach waren für Stellungnahmen nicht zu erreichen.

Hans belastet Niersbach und Sandrock

In dem von Beckenbauer, Radmann und dem Karibik-Funktionär unterzeichneten Papier, datiert vom 2. Juli 2000 - vier Tage vor der Vergabe der WM 2006 - seien der Konföderation Warners, dem Concacaf, "diverse Leistungen" von deutscher Seite zugesagt worden, sagte Rainer Koch, nach dem Niersbach-Rücktritt nun DFB-Interimspräsident. Dies seien indes "keine direkten Geldleistungen" gewesen, sondern Vereinbarungen über Spiele, Unterstützung von Trainern oder Ticketzusagen für WM-Spiele an Warner selbst. Reinhard Rauball, wie Koch Interimspräsident, wertet das Papier als möglichen Bestechungsversuch.

Der stellvertretende Generalsekretär Stefan Hans ist dem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge intern wegen des Vorgangs beim DFB stark unter Druck geraten. Er soll in einem Brief den Mitgliedern des DFB-Präsidiums mitgeteilt haben, dass er damals Niersbach und Sandrock unverzüglich telefonisch informiert habe. Hans will sich mit dem Schreiben ganz offenkundig gegen den Verdacht wehren, er habe das Wissen um diesen skurrilen Deal für sich behalten. Durch den Brief geraten Sandrock und Niersbach weiter unter Druck.

Weitere Zweifel an der Glaubwürdigkeit

Zudem weckt das Schreiben weitere Zweifel an Niersbachs Glaubwürdigkeit. Der jetzt zurückgetretene DFB-Präsident hatte immer wieder erklärt, schon im Juni dieses Jahres Hinweise auf mögliche Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit der WM 2006 erhalten zu haben. Die damalige Summe: 6,7 Millionen Euro. Der Empfänger: die Fifa. Laut DFB-Mitteilung habe der Verband im Sommer Hinweise erhalten, dass das Geld zweckentfremdet worden sei, ohne auf diese Zweckentfremdung näher einzugehen.

Aufgrund dieser Hinweise habe Präsident Niersbach im Sommer eine interne Untersuchung der Zahlung angeordnet - wie sich später herausstellte ohne das DFB-Präsidium darüber zu informieren. Hans sei gebeten worden, die Verbandsakten zu durchforsten. Bei der Sichtung von Archivunterlagen wurde laut "SZ" auch der Vertrag entdeckt. Eine Verbindung der Unregelmäßigkeiten zur WM-Vergabe schloss der DFB explizit aus, obwohl die Prüfung nicht abgeschlossen ist. Wortwörtlich hieß es: "Die Zahlung stand in keinem Zusammenhang mit der bereits rund fünf Jahre zuvor erfolgten Vergabe."

Halbherzige Entschuldigung

Als das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vor knapp vier Wochen die 6,7-Millionen-Euro-Zahlung enthüllte, nahm Niersbach, damals noch Präsident, erst im Präsidium des DFB und anschließend bei einer verwirrenden Pressekonferenz dazu Stellung. Damals entschuldigte sich Niersbach dafür, seinen Präsidiumskollegen die dubiose Millionenzahlung monatelang verschwiegen zu haben: „Es war zweifelsfrei ein Versäumnis von mir, dass ich meine Kollegen im Präsidium nicht frühzeitig informiert habe. Das muss ich auf meine Kappe nehmen.“

Bei beiden Gelegenheiten erwähnte er aber den ominösen Deal zwischen Beckenbauer, Radmann und Warner nicht, obwohl er nach der Darstellung des stellvertretenden Generalsekretärs damals schon von diesem Vertrag gewusst haben dürfte. Im DFB-Präsidium löst dieser Umstand laut „"SZ" Unverständnis, Kopfschütteln und blankes Entsetzen aus. Die Frankfurter Verbandszentrale und die alte Funktionärsgarde aus WM-Zeiten, so der Eindruck, hätten versucht, fragwürdige Vorgänge zu vertuschen. Der Druck auf Niersbach wird auch nach seinem Rücktritt nicht geringer, im Gegenteil.

Quelle: ntv.de

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