Elf Dinge, die wir gelernt haben Peinliche Hertha, genialer Gomez
19.12.2011, 16:25 UhrProfifußball ist, so viel steht fest, nichts für Romantiker. In der Bundesliga steht Borussia Dortmund zwar immer noch besser da als 16 andere Mannschaften, aber der Zauber ist verflogen. Das dürften sie in Mönchengladbach anders sehen, dort sorgt Trainer Lucien Favre gerade für den großen Aufschwung. Auch dank Marco Reus. Und bei Mario Gomez und dem Herbstmeister vom FC Bayern läuft es auch nicht schlecht. Das können die Provinzpossler der Berliner Hertha nicht gerade behaupten. Elf Dinge, die wir nach den 153 Spielen der Hinrunde gelernt haben:
1. Peinlicher geht's nicht

Wer hat bei Hertha BSC gelogen? Manager Michael Preetz und Trainer Markus Babbel haben darüber unterschiedliche Auffassungen.
(Foto: dapd)
Wer wissen will, wie man locker aus einem kleinen Problem ein großes macht und sich dabei bestens blamiert, der muss dieser Tage nur auf die Hertha schauen. Berlins Aufstiegstrainer Markus Babbel hatte einen Vertrag bis zum Sommer kommenden Jahres. Irgendwann zwischen November und vergangenem Dienstag hat er seinen Chefs mitgeteilt, dass er diesen nicht verlängern möchte. Eigentlich kein großes Ding. Doch allen Beteiligten ist es gelungen, daraus eine Posse entstehen zu lassen, die in einer Schlammschlacht und dem Rausschmiss Babbels mündete. Dabei wollten sie doch nur die Ruhe bewahren. Nun bezichtigt Manager Michael Preetz Babbel der Lüge - und umgekehrt. Es geht darum, wann Babbel gesagt hat, dass er geht. Selten ist ein Plan so grandios gescheitert. Und Hertha beweist trotz sportlich ordentlicher Hinrunde: Der Hauptstadtklub bleibt ein Provinzverein.
2. Fußball ist nichts für Romantiker
Der Fußball, mit dem Borussia Dortmund in der vergangenen Saison zur Meisterschaft gestürmt ist, war wunderbar. Noch wunderbarer war nur die Vorstellung, dass sich beim BVB elf Freunde zusammengefunden hatten, um angeleitet von Jürgen Klopp zusammen diesen wunderbaren Fußball zu spielen, für immer. Fußball kann so schön sein. Spielmacher Nuri Sahin erlag am Saisonende zwar trotzdem den Verlockungen des Geldes und wechselte auf die Ersatzbank von Real Madrid. Die anderen aber, die Hummels', Großkreutz', Barrios', Götzes und Kagawas, sie alle blieben und ließen die Herzen der Fußballromantiker höherschlagen. Und jetzt? Fühlt sich Shinji Kagawa laut "Süddeutscher Zeitung" zu jung für die Ersatzbank und Meistertorjäger Lucas Barrios laut "Bild" zu gut. Und was sagt der Verein? Barrios, im Vorjahr mit 16 Toren entscheidend am Meistertitel beteiligt, darf gehen. Fußball kann so schnöde sein.
3. Podolski kann auch Verein
Jahrelang eilte Lukas Podolski der Ruf voraus, nur in der Nationalmannschaft so richtig gut zu spielen. Spätestens seit dieser Saison ist das anders. Wahrscheinlich hat ihm Bundestrainer Joachim Löw gesagt, dass er sich anstrengen soll, wenn er im Sommer bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine mitspielen will. Das Resultat: Mit 14 Toren und fünf Vorlagen war Podolski in der Hinrunde an knapp drei Vierteln aller Tore des 1. FC Köln beteiligt. Gemessen daran ist kein anderer Spieler in der Bundesliga so wichtig für seinen Verein. Das steigert seine Attraktivität. Sein Vertrag läuft im Sommer 2013 aus - und die Interessenten stehen Schlange. Zum Beispiel der FC Schalke 04, der FC Arsenal und Galatasaray Istanbul. Doch Podolski hat die Ruhe weg. Und Kölns Sportdirektor Volker Finke fleht: " Natürlich ist es unser größter Wunsch, mit ihm zu verlängern."
4. Auch Helden gehen leise
Er dribbelte wie Diego Maradona und traf wie Pelé, was nicht viele gelernte Innenverteidiger schaffen. Bei der WM 2010 war Arne Friedrich einer der deutschen Helden. Seit September ist der 32-jährige Friedrich arbeitslos. Seinen Vertrag als Spieler beim VfL Wolfsburg hat er freiwillig aufgelöst, weil er wegen diverser Verletzungen und Felix Magath eher selten für den VfL spielte. Rückkehr in die Bundesliga und ins Nationalteam? Unwahrscheinlich. Von sich reden macht Friedrich derzeit nur mit seiner "Zeit"-Kolumne. Titel: "Alles außer Fußball".
5. Reus schont sich für die Borussia

Debüt endlich geglückt: Auch Bundestrainer Joachim Löw durfte Marco Reus nach mehreren gescheiterten Versuchen gegen die Türkei endlich einsetzen.
(Foto: dpa)
Mittlerweile eilt Marco Reus der Ruf voraus, immer dann unpässlich zu sein, wenn eine Einladung zur Nationalelf vorliegt. Das stimmt so ganz nicht. n-tv.de hat beobachtet, dass er beim EM-Qualifikationsspiel in der Türkei tatsächlich sein Debüt gab. Und Bundestrainer Löw ist ganz begeistert vom 22-Jährigen: "Frech, zielstrebig, dribbelstark." Aber am wertvollsten ist er - noch - für die Borussia aus Mönchengladbach. Erst rettet Reus sie mit dem entscheidenden Tor in der Relegation gegen den VfL Bochum vor dem Abstieg, nun stürmt er in der Hinrunde mit seinen Gladbachern auf Platz vier in der Tabelle, zehn Tore und vier Vorlagen gehen auf sein Konto. Nun will ihn der FC Bayern haben. Doch sein Trainer Lucien Favre sagt: "Es wäre gut für Marco, wenn er noch ein, zwei Jahre bleibt." Für Borussia Mönchengladbach auch. Wie schon bei Hertha BSC ist Favres Mannschaft mehr als die Summe ihrer Teile. Das 54-jährige "Super Hirnli" hat um Ausnahmekönner Reus ein Kollektiv geformt, das Einsatzwillen mit taktischer Disziplin verquickt und passablen Fußball spielt. Hält Favre dieses Niveau, ist ihm der Titel "Trainer der Saison" nicht zu nehmen – falls Jos Luhukay mit dem FC Augsburg nicht die Klasse hält.
6. Das Modell FIFA funktioniert auch beim DFB
Im Fußball-Weltverband FIFA gibt es drei grundlegende Methoden der Krisenbewältigung: Aussitzen, schönreden und Reformen ankündigen, die keine sind oder nie umgesetzt werden. Zumindest die ersten beiden Strategien funktionieren auch beim DFB. Als ruchbar wurde, dass zahlreiche deutsche Top-Schiedsrichter im großen Stil Steuern hinterzogen haben, verkündete DFB-Boss Theo Zwanziger ohne Kenntnis der Sachlage und im Stil von DFB-Ehrenmitglied Joseph Blatter: "Ich gehe davon aus, dass bei den meisten Fällen eher oder überhaupt nichts herauskommen wird." Später verkündete Zwanziger dann an einem nachrichtenarmen Tag: Ich gehe, um bei der FIFA für Ordnung zu sorgen. Immerhin: Die Steuerermittlungen laufen weiter.
7. Gomez trifft, wie er will
Er selbst sieht sich als der, "der vorne drinsteht und die Tore macht". Damit hat Mario Gomez ganz gut die Anforderungen an seinen Arbeitsplatz beim Herbstmeister FC Bayern München beschrieben. Der mit 27 Treffern beste Schütze der vergangenen Saison hat in dieser Hinrunde schon wieder 16 Mal getroffen, hinzu kommen ein Tor im DFB-Pokal und sechs Tore in der Champions League. Und wem hat er's zu verdanken? Louis van Gaal! Sagte er doch nach der vergangenen Saison: "Das Schönste für mich war, dass ich mich gegen einen Trainer, der einen nicht will, durchgesetzt habe." Der Niederländer hatte Gomez nämlich zu Beginn auf der Bank schmoren lassen. Und wer sich gegen van Gaal durchsetzt, schafft es überall. Auch in der Nationalmannschaft. Gereizt reagiert Gomez mittlerweile nur noch, wenn ihn jemand fragt, ob er denn nun den Rekord des legendären Gerd Müller überbietet, jene 40 Tore in der Saison 1971/72. Nun ja: Das wird tatsächlich selbst für Gomez eng.
8. Die "Bild" sagt mehr als tausende Worte
Philipp Lahm ist nicht nur Fußballer und DFB-Kapitän, er ist jetzt auch Autor. Bestseller-Autor sogar. Zu sagen hat er zwar nichts, das aber füllt 269 Seiten. Erschienen sind Lahms gesammelte Banalitäten unter dem Titel "Der feine Unterschied", vermarktet wurden sie von der "Bild". Mit der teilt Lahm seit Längerem das Bett, so war es selbstverständlich, dass die einzigen heißen Stellen in den Vorabdruck gelangten. Jene, in der Lahm in seiner bei der WM an Michael Ballack erprobten Heckenschützen-Manier gegen ehemalige Trainer nachtrat. Das tat Lahm hinterher mächtig leid, platzierte sein Buch aber prominent in den Bestsellerlisten. Sie haben auch Interesse? Hier klicken.
9. Magath kauft, wie er will
Beim Werksklub in Wolfsburg, mit dem er 2009 Meister wurde, fühlt Felix Magath sich wohl. So ist er Mitte März nach seiner Demission auf Schalke flugs an den Mittellandkanal zurückgekehrt. Wohl auch, weil dort dank der VW-Millionen Geld kaum eine Rolle spielt. Der Trainermanager jedenfalls darf das tun, was er am liebsten macht: Spieler kaufen und verkaufen. Das macht er schon länger so, aber selten so wenig von Erfolg gekrönt wie in dieser Hinrunde. Gut 21 Millionen Euro gab Magath in diesem Sommer für zwölf Neue aus, elf Akteure mussten den Verein verlassen. Doch der VfL dümpelt in Reichweite zur Abstiegszone. Doch Magath kennt den Weg aus der Krise. Unlängst hat er angekündigt, in der Winterpause das tun zu wollen, was er am liebsten macht.
10. Schwäche zeigen ist keine Schwäche
Am 22. September machte Ralf Rangnick gleich zwei Unmöglichkeiten möglich: Er trat freiwillig von seinem Amt als Schalke-Trainer zurück und begründete das auch noch mit seiner persönlichen Schwäche. "Mein derzeitiger Energielevel reicht nicht aus" – mit diesen Worten verabschiedete sich Rangnick aus dem Rampenlicht und verdiente sich großen Respekt. Kurz zuvor hatte sich bereits Hannovers Ersatztorwart Markus Miller wegen Depressionen in stationäre Behandlung gegeben, in der vergangenen Woche kehrte er nun eindrucksvoll auf die große Fußballbühne zurück. Wie weit Rangnick auf seinem Weg zurück in die Bundesliga ist, bleibt unklar. Es geht auch niemanden etwas an.
11. Viel Beschallung um nichts
Die Fans des 1. FC Augsburg haben zu diesem Thema eigentlich alles gesagt. "Gegen mangelnde Fußballkompetenz hilft auch keine Hochfrequenz", stand auf einem Plakat, das sie zum Gastspiel ihres Klubs bei der TSG Hoffenheim mitgebracht hatten. Was war geschehen? Weil Gästeanhänger immer wieder lautstark auf Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp geschimpft hatten, war der Hausmeister der TSG auf die Idee gekommen, im Sinsheimer Stadion eine selbst gebastelte Beschallungsanlage zu installieren, um die Gesänge der Gegner zu übertönen. Aufgeflogen ist das Ganze am zweiten Spieltag bei der Partie gegen Borussia Dortmund. Ein BVB-Anhänger erlitt einen Tinnitus und erstattete Anzeige. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren mittlerweile eingestellt. Und gäbe es nicht die Hertha, die ganze Liga würde immer noch über Hoffenheim lachen.
Quelle: ntv.de