Jäger kritisiert Klub - und umgekehrt Polizist wird Hassobjekt Schalker Fans
08.07.2015, 12:05 Uhr
Auf Schalke eskalierte die Gewalt zwischen Polizei und Fans. Grund war ein Banner, das die gegnerischen Fans offenbar so provozierte, dass sie den Platz stürmen wollten. Klaus Sitzer, der den Polizeieinsatz anordnete, ist seitdem Reizfigur bei den Fans.
(Foto: imago sportfotodienst)
Schalke spielt gegen Saloniki. Aufregend wird's erst, als die Polizei den Fan-Block der Königsblauen stürmt. Es hagelt Schläge, Pfefferspray kommt zum Einsatz. Ein Polizist wird zur Reizfigur. Zwischen Innenminister und Klub kommt es zu Verstimmungen.
Es läuft die 70. Spielminute. Der Blick schwenkt ganz schnell um. Der Kampf um die Teilnahme an der Champions League zwischen dem gastgebenden FC Schalke 04 und dem griechischen Vertreter Paok Saloniki wird vom einen zum anderen Moment zum Nebenschauplatz. In der Schalker Nordkurve marschiert plötzlich eine Hundertschaft der Polizei auf. Die mit Helmen, Schlagstöcken und Pfefferspray bewaffneten Beamten kommen von oben und unten in den Fanblock. Es kommt zu Auseinandersetzungen - zu Tritten, Schlägen und dem Einsatz des Pfeffersprays. Je nachdem, welche Seite sich zu den Vorfällen äußert, heißt es, die Eskalation sei von der jeweils anderen Gruppe - Fans oder Polizei - betrieben worden. Was sie allerdings eint, ist die Einschätzung, das Vorgehen sei unverhältnismäßig gewesen.

Im Schalker Fanblock wird bei Heimspielen regelmäßig ein Banner mit dem Kopf des ungeliebten Einsatzleiters Klaus Sitzer gezeigt.
(Foto: imago sportfotodienst)
Aber was war eigentlich passiert an diesem Abend des 21. August 2013? Einige Fans der Schalker - möglicherweise aus einer der Ultra-Gruppierungen - hatten ein rotes Banner mit gelbem Schriftzug gezeigt. Dabei soll es sich um eine Fahne mit dem "Stern von Vergina" gehandelt haben. Das ist die frühere und von Griechenland nicht offiziell anerkannte Flagge Mazedoniens, die 1995 nach Protesten Griechenlands durch eine achtstrahlige Sonne auf rotem Grund ersetzt worden war. Diese Fahne habe die griechischen Fans heftig provoziert, sagte die Polizei damals. Und die - etwa 2000 waren im Stadion - nahmen das Zeigen der Fahne als Zeichen, um damit zu drohen, das Spielfeld und den Fanblock zu stürmen. Die Polizei, so erklärte es der damalige Einsatzleiter Klaus Sitzer, habe angesichts der hochemotionalen Lage Schwerverletzte und Tote gefürchtet. Sitzer entschied sich zum Sturm des Schalker Blocks, um das Symbol der Provokation zu entfernen. Eine Entscheidung, die zur Eskalation in der Nordkurve führte. Eine Entscheidung, die den Polizisten zur absoluten Reizfigur der königsblauen Fans machte.
"Klaus Sitzer Hurensohn"

Ralf Jäger bittet den FC Schalke etwas gegen die Verunglimpfung des Polizisten zu tun. Doch die Art wie er das tut, kommt bei den Klub-Verantwortlichen nicht besonders gut an.
Und jetzt erreicht die Wut auf den damaligen Einsatzleiter eine neue Stufe, die sogar den NRW-Innenminister Ralf Jäger zum Handeln veranlasst. Auf eine Lärmschutzwand an der Autobahn A42, die unter anderem durch Gelsenkirchen führt, haben bislang Unbekannte - verschiedene Medien spekulieren darüber, dass der oder die Täter aus der Fanszene des Bundesligisten kommen - den Schriftzug "Klaus Sitzer Hurensohn" gekrakelt. Auf einer Länge von 15 mal anderthalb Metern. Doch damit nicht genug, wie der Innenminister in einem Brief an die Führung des Fußball-Bundesligisten erklärt: Bei Heimspielen der Schalker zeige eine Fan-Gruppe regelmäßig ein Banner, auf dem der Kopf des Polizeiführers abgebildet sei. Das Banner sei sogar im Schalker Jahreskalender zu sehen. Dies führe zu einer ständigen persönlichen Belastungssituation. In seinem Brief fordert Jäger die Verantwortlichen des FC Schalke auf, etwas gegen die fortwährende Verunglimpfung des Polizisten zu unternehmen.
Arnold Plickert, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sieht Schalke in der Pflicht. In der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" wird er mit den Worten zitiert: "Der Verein hat das Hausrecht im Stadion. Er muss dafür sorgen, dass die Angriffe eingestellt werden. Die Schalke-Führung muss Klartext reden." Bereits in der Vergangenheit hatten Gelsenkirchener Polizisten mehrfach vergeblich um ein Einschreiten des Vereins gebeten. Jäger bittet den Klub in dem veröffentlichten Brief nun, "Maßnahmen zu ergreifen", die dazu führten, dass das Banner im Stadion künftig nicht mehr zu sehen sei.
Und diese Art der Aufforderung des Innenministers kommt bei den Verantwortlichen des FC Schalke nicht besonders gut an. Der Klub bedauere, dass Jäger sich zum wiederholten Male nicht an die zwischen dem Ministerium und Schalke getroffene Vereinbarung gehalten habe, "in der Öffentlichkeit nicht mehr übereinander, sondern miteinander zu sprechen", teilte der Klub auf seiner Homepage mit. "Der FC Schalke 04 ist an einem guten Verhältnis und einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen dem Verein und seinen Fans und der Polizei sowie auch mit anderen Behörden und Organisationen sehr interessiert. Daher tragen wir unseren Teil dazu bei, dass es nicht mehr zu atmosphärischen Störungen kommt."
Der in dieser Woche aufgetauchte, beleidigende Schriftzug an der A42 steht möglicherweise in Zusammenhang mit einer Entscheidung von Anfang Juni dieses Jahres. Da wurde beschlossen, die Ermittlungen gegen 23 am Einsatz beteiligte Polizisten einzustellen. Die Begründung lautete: Weder dem Polizeiführer noch einem der Beamten sind ein Fehlverhalten oder unverhältnismäßige Gewaltanwendung nachzuweisen. Auf der Homepage "Schalke-News.de" stößt das auf großes Unverständnis. Dort heißt es: "Es ist schon erstaunlich, wie wenig Fingerspitzengefühl die hochrangigen Beamten in dieser Angelegenheit besitzen: bis heute gab es keine offizielle Entschuldigung, die zumindest die 87 im Rahmen des Polizeieinsatzes verletzten Fans verdient gehabt hätten."
Quelle: ntv.de, tno