Fußball

Verhinderte Klub-Ikone als Reizfigur Sammer sorgt für Dortmunder Bluthochdruck

Matthias Sammer im Jahr 2013 beim unfreundlichen Austausch mit BVB-Trainer Jürgen Klopp.

Matthias Sammer im Jahr 2013 beim unfreundlichen Austausch mit BVB-Trainer Jürgen Klopp.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Vor dem Gipfel zwischen BVB und FC Bayern bleiben die Giftpfeile im Köcher. Ein Mann könnte das ändern: Münchens Sportchef Matthias Sammer. Der frühere BVB-Star ist in Dortmund die ultimative Reizfigur. Es geht um verletzte Gefühle, Loyalität - und Rache.

Wenn heute Abend der Tross des FC Bayern München das Dortmunder Stadion erreicht, dann gilt vielleicht für Drei, wahrscheinlich für Zwei, aber ganz sicher für Einen: "Echte Abneigung". Wenn Matthias Sammer für die Fans von Borussia Dortmund sichtbar wird, gibt es ein kollektives Bluthochdruckproblem auf Deutschlands größter und stimmungsvollster Stehplatztribüne, der "Süd". Dort wo Helden frenetisch gefeiert und Kämpfer leidenschaftlich geliebt werden, dort wandelt sich Enttäuschung manchmal in puren Hass.

Der Ex-Borusse Mario Götze hat die gellenden Pfiffe bereits ausgehalten, der andere Ex-Borusse Robert Lewandowski muss sie vielleicht noch ertragen. Aber niemand bekommt die Wut und die Enttäuschung der BVB-Fans härter und direkter entgegengeschleudert als Matthias Sammer – dabei hatten beide Seiten mal eine sehr erfolgreiche Beziehung.

Zwischen 1993 und 1998 war der mittlerweile 47-Jährige der unumstrittene Leader des BVB. Als Libero brachte der Feuerkopf alles mit, was sie im Ruhrgebiet so sehr mögen: Leidenschaft, Emotionen, die absolute Bereitschaft zur Maloche und eine immer hundertprozentige Einstellung. Sammer ließ sich nie hängen und er duldete auch nicht, wenn seine Mitspieler nur etwas nachließen.

Mehr Anerkennung als Liebe

Mit Sammer feierte Borussia Dortmund seine größten Erfolge. Als Spieler gewannen sie zusammen zwei deutsche Meisterschaften, die Champions League und den Weltpokal. Als Trainer formte er aus einem Abstiegskandidaten einen nationalen Champion, der auch im Uefa-Cup begeisterte. Eigentlich müsste Sammer eine der größten Legenden des BVB sein, aber geliebt wurde der Hitzkopf in Dortmund nie wirklich. Dafür war er einfach nicht der Typ. Dennoch brachten ihm die Fans immer größte Anerkennung und maximalen Respekt entgegen. Mehr brauchte der explosive und überehrgeizige Sammer aber auch nicht.

Als Spieler und Trainer gewann Sammer mit dem BVB fast alles, was es zu gewinnen gab.

Als Spieler und Trainer gewann Sammer mit dem BVB fast alles, was es zu gewinnen gab.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Erste wahrnehmbare Brüche zwischen Sammer und dem Revierklub gab es zum Ende von Sammers Trainerzeit in Dortmund. Trotz eines bis 2010 laufenden Vertrags wurde er nach einer enttäuschenden Saison ohne Europapokal-Qualifikation zum Ende der Spielzeit 2004 abkommandiert. Der Vertrag sei in beiderseitigem Einvernehmen beendet worden, hieß es damals. Und trotzdem hat das Aus beim BVB das Verhältnis von Sammer und dem heutigen BVB-Chef Hans-Joachim Watzke offenbar schwer belastet.

Wie die "Sport Bild" aktuell berichtet, habe der damalige Schatzmeister dem Trainer Unehrlichkeit und mangelnde Loyalität vorgeworfen. Sammer soll vertrauliche Informationen von Watzke über seine bevorstehende Ablösung als Übungsleiter in einem Gespräch mit dem ehemaligen Klubchef und Sammer-Intimus Niebaum weitergetratscht haben. Sowohl Watzke, als auch Sammer haben über dieses Zerwürfnis nie in der Öffentlichkeit gesprochen.

Aber der Vorwurf der Unehrlichkeit - kaum etwas dürfte den Sachsen härter treffen, der für sich selbst beansprucht direkt, gradlinig und ehrlich zu sein. Als Sammer dann noch den Vorwurf erhoben habe, Watzke hätte eine offensive Rolle bei der Entmachtung seines Freundes Niebaum gespielt, der den Verein zu diesem Zeitpunkt an den Rande des Ruins gewirtschaftet hatte, war das Verhältnis der beiden Alphatiere auf dem absoluten Nullpunkt angekommen.

Endlose Eiszeit

Was davon stimmt, und was davon mediengehypte Legende ist, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Im Interview mit n-tv.de wich Watzke dem Thema vor Saisonbeginn aus. Auf die Frage, warum Sammer trotz seiner enormen Erfolge mit dem BVB für die Fans keine Vereinsikone sei, antwortete Watzke: "Sollte der von Ihnen geschilderte Eindruck wirklich entstehen, läge das nicht an uns. Ich kann und will das nicht bewerten." Im Übrigens glaube er, dass Sammer "da, wo er jetzt ist, sehr gut aufgehoben ist".

Da, das ist seit 2013 der FC Bayern. Seit Sammers Amtsantritt in München fliegen die Giftpfeile heftig hin und her. So lästerte Sammer im vergangenen Sommer über Klopps Haartransplantation oder erklärte die Überlegenheit der Bayern mit einer zu laschen Trainingseinstellung bei anderen Vereinen. Zwar sprach Sammer den BVB nicht direkt an, aber der Adressat war auch so klar.

Die Antwort aus Dortmund fiel nicht weniger charmant aus: Wäre er Matthias Sammer, würde er "jeden Tag Gott danken", dass man ihn zum FC Bayern geholt habe, giftete Jürgen Klopp und schob direkt nach: "Ich glaube nicht, dass Bayern München einen Punkt weniger hätte, wenn Matthias Sammer nicht da wäre."

Racheakt am BVB?

Fakt ist, beide Seiten arbeiten mehr daran sich voneinander zu entfernen, als einen Schritt aufeinander zuzugehen. Neben Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge ist Sammer zur ultimativen Dortmunder Reizfigur geworden, auf das traditionelle Gemeinschaftsessen der Kluboberen wird inzwischen verzichtet.

Was die Dortmunder Wut auf den 47-Jährigen noch weiter in ungesunde Höhen getrieben hat, ist Sammers Rolle bei den Transfers der beiden BVB-Superstars Mario Götze und Robert Lewandowski. Mit größtem persönlichen Engagement soll der FCB-Sportvorstand laut "Sport Bild" die Wechsel forciert haben – angeblich habe er mehrmals die Woche mit den Spielern und deren Beratern telefoniert. Ein Racheakt? Oder einfach nur wirtschaftliche Bayern-Logik, die Besten der Besten im Süden zu versammeln?

Im Ruhrpott vermuten sie Ersteres, in München haben sie keinen Zweifel an Zweiterem. Egal was auch dahinter steckt, der Zorn von Klopp, Watzke und den Borussen-Fans war Sammer gewiss. Und so ist heute Abend, auch wenn das Spiel sportlich längst nicht mehr die Brisanz der vergangenen Jahre hat, mächtig Feuer drin. Weil der Feuerkopf nach Dortmund zurückkehrt.

Quelle: ntv.de

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