Fußball

Trainer schon schwer unter Druck Was tröstet Bochum und den BVB das Elend von Schalke 04?

Nuri Sahin bräuchte einen Sieg, um wieder Ruhe in seine Arbeit zu bekommen.

Nuri Sahin bräuchte einen Sieg, um wieder Ruhe in seine Arbeit zu bekommen.

(Foto: dpa)

Borussia Dortmund und der VfL Bochum schleppen schwere Enttäuschungen mit ins Derby. Beide Klubs brauchen dringend einen Sieg, um große Unruhe zu vermeiden. Die Stimmung ist sowohl beim BVB als auch beim VfL so trostlos, wie ein ungemütlicher Herbsttag.

Blickt man flüchtig aus der Distanz auf das Fußballspiel, das am Freitagabend im Dortmunder Stadion stattfindet, so droht den Beteiligten eine Anklage wegen Lebenszeitverschwendung. So schlecht ist die Stimmung in diesen derzeit wirklich nicht schönen Tagen im Ruhrgebiet. Zwar können sich Borussia Dortmund und der VfL Bochum, die beiden Duellanten am Freitag, noch immer damit trösten, dass es ihnen besser geht als dem FC Schalke 04. Aber was hilft ein tröstender Blick aufs Elend in Gelsenkirchen, wenn es einem selbst nicht gut geht.

Beide Vereine schleppen den Schock des vergangenen Wochenendes mit durch diese Woche. Bochum ließ sich von Aufsteiger Holstein Kiel zwei Punkte wegnehmen und spielte über weite Strecke derart schwach, dass man sich beim Frustbier auf der Castroper hernach die Frage stellte, ob diese Mannschaft in dieser Saison überhaupt ein Spiel gewinnen kann. Man lehnt sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster, wenn man sagt: Irgendeins wird's sicher noch werden. Ob es nun ausgerechnet das kleine Derby im großen Stadion des BVB wird? Puh, schwierig.

Wobei sie auch in Dortmund derzeit nicht mit stolzer Brust durch die Straßen laufen und das Vertrauen haben, jeden Gegner vom Platz zu fegen. Woher soll das auch kommen? Beim VfB Stuttgart wurde die Mannschaft von Trainer Nuri Şahin am Sonntag dermaßen vermöbelt, dass jeder Anspruch ein Spitzenteam sein zu wollen vorerst außer Dienst gestellt werden musste. Und so wird dieses Spiel des 5. Spieltags tatsächlich ein Krisengipfel, unter dem Motto: "Krampf der Systeme". Denn an beiden Standorten der Industrieregion blinken die Störknöpfe. Krise ist hier mittlerweile ein bekanntes Szenario, nicht nur beim Stahlriesen Thyssen-Krupp.

Sabitzer hadert mit Rolle, Beier hat keine

Beim BVB sollte in dieser Saison alles besser werden. Trainer Edin Terzić, der sich ständig anhören musste, keine durchsetzungsfähige Idee zu haben, was eher schwierig zum Fast-Triumph in der Champions League passen will, machte los. Sein Co-Trainer Sahin übernahm und löste direkt mal große Vorfreude aus. Zwar bat er um Zeit, aber im Umfeld waren sie schon viel weiter. Die Transfers hatten so große Hoffnungen geschürt, dass man ganz schnell vergaß, dass sich da erst noch was finden muss: Nationalspieler Waldemar Anton und Super-Torjäger Serhou Guirassy kamen, Deutschlands Toni-Kroos-Nachfolger Pascal Groß und der Thomas-Müller-artige Maxi Beier.

Das war schon eine amtliche Ansage an die Konkurrenz und die eigenen Fans. Beim BVB, da soll's jetzt so richtig losgehen. Aber wie so oft bei einem Raketenstart gibt es Probleme. Entweder spielt das Wetter nicht mit, was für den BVB keine Ausrede sein darf, oder irgendwas zündet nicht. Und das dürften die Dortmunder absolut für sich beanspruchen. Sahin sucht den Fehler und findet immer neue Aufstellungen und Spielpläne. Nicht jedem gefällt das. Marcel Sabitzer etwa mag seine Rolle auf dem Flügel nicht. Damit hat er Beier immerhin etwas voraus: Der hat nämlich noch gar keine. Andere Spieler kämpfen mit Form oder Erwartungen, wie Felix Nmecha. Alles ist im Fluss und hängt irgendwo vor einem Staudamm, wo es nur zäh weitergeht. Manchmal regelt Jamie Gittens für den BVB, ein anderes Mal Karim Adeyemi. In guten Momenten sieht das groß aus beim BVB, zu oft aber trist.

Sahin bemüht sich aber darum, die Dinge nicht so schlechtzureden, wie sie im Umfeld gesehen werden. Und er verspricht, dass so etwas wie in Stuttgart nie mehr vorkommen wird. System, Personal, es steht viel auf der Hebebühne. Tatsächlich dürfte es im Fall einer baldigen Wiederholung sehr ungemütlich für den Dortmunder Jungen werden. Schon jetzt winken die bösen Geister aus der Dunkelheit mit der eigentlich mittlerweile M-Wort-Debatte: "Es wäre fatal, wenn ich sagen würde, dass die Jungs ein Mentalitätsproblem haben", sagte Sahin: "Wir machen alles zusammen. Gewinnen und verlieren. Wir sitzen in einem Boot." Von seiner Mannschaft habe er "eine selbstkritische Reaktion" gesehen, diese sei wichtig für den Reifeprozess seines Teams. Das liegt nach vier Spieltagen fünf Punkte hinter Tabellenführer FC Bayern, der am Samstagabend Meister Bayer Leverkusen zum Tanz der Supertalente bittet. Will der BVB im Rennen um die Schale nicht frühzeitig größeren Rückstand an Punkten anhäufen, darf Bochum kein Stolperstein sein.

VfL Bochum zerrupft zarte Träume

Mitten im herbstlichen Wind steht bereits Peter Zeidler, der Cheftrainer des VfL Bochum. Im Eiltempo haben sich die Diskussionen von zartesten Europapokalträumen hin zu offenen Existenzängsten um den Verbleib in der 1. Liga verschoben. Noch kurz vor dem Saisonstart hatte der VfL den französischen Erstligisten AC Le Havre mit 6:0 paniert, in Bochum rieb man sich die Augen. So eine Leistung hatte man ja ewig nicht gesehen! Da wurde viel und groß geredet und geträumt. Doch die Realität ist Ende September eine andere: Pokal-Aus beim Krisen-Klub SSV Jahn Regensburg und lediglich ein Punkt in der Bundesliga, herbeigerumpelt gegen Kiel (2:2).

Und wie sich die Dinge ähneln beim BVB und beim VfL. Auch in Bochum waren sie angesichts der Transfers voller Zuversicht. Klar, mit Kevin Stöger ging der übergroße Held der vergangenen Saison. Er hatte in der Relegation das Wunder von Düsseldorf möglich gemacht, als er die Fortuna nach dem 3:0-Sieg im ersten Duell im Ruhrstadion in eine tiefe Depression stürzte. Als unaufhaltsamer Anführer lenkte er den VfL doch noch zurück in die Bundesliga, aus der er längst abgebogen schien. Und mit Keven Schlotterbeck ging ein weiteres Mentalitätsmonster. Beide fanden bei Konkurrenten eine neue Heimat. Stöger spielt in Gladbach, Schlotterbeck in Augsburg.

Aber der VfL, so sagte er, griff ins höhere Regal, um weiter daran zu arbeiten, sich als Bundesligist im vierten Jahr in Folge zu etablieren. Ibrahima Sissoko und Dani de Wit kamen, beides etablierte Kräfte aus ihren Ligen in Frankreich und den Niederlanden. Und beide durchaus umworben. Das war schon ein Fingerzeig, der auch beim eigenen Anhang goutiert wurde. Mit Myron Boadu kam zudem noch ein junger Niederländer, der schon einmal 20 Millionen Euro wert war und für die niederländische Nationalmannschaft auflief, danach aber eine tüchtige Karrieredelle bekam. Er soll sich im Ruhrstadion und der Bundesliga wieder ins Rampenlicht spielen. Bochum setzt auf eine Win-win-Situation, wenn auch nur sportlich. Als Leihspieler dürfte er im Erfolgsfall zu teuer sein.

"Wir können eigentlich nur gewinnen"

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Aber vom Erfolgsfall sind die Bochumer derzeit noch weit entfernt, was noch am wenigsten an Boadu liegt, der bislang durchaus zu überzeugen weiß. Anders als Zeidler, mit dem sie in Bochum schon von der "wunderbaren Welt" träumten, angelehnt an das erfolgreiche TV-Format mit Arnd Zeigler im WDR. Dessen System mit Raute - hatte man tatsächlich lange nicht mehr gesehen - greift noch nicht. Trotz durchaus guten Ansätze, etwa bei der knappen Niederlage gegen RB Leipzig oder auch phasenweise beim SC Freiburg. Aber de Wit, in der Eredivisie ein gefürchteter Offensivspieler, kommt in neuer Rolle gar nicht zur Geltung. Auch andere Spieler fremdeln mit ihren Positionen und kämpfen mit der Form. Auch der VfL erbat sich Zeit für das umgebaute Team. Aber Zeit ist die wertloseste Währung im Fußball. Ohne Punkte ist sie der erbittertste Gegner. Kommt der Systemwechsel? Oder vielleicht dann irgendwann auch ganz schnell ein Trainerwechsel?

"Wir glauben an die Chance, in Dortmund was zu machen", sagte Zeidler in Vorbereitung auf das kleine Derby: "Wir können eigentlich nur gewinnen." Ein großer Derby-Moment wie im April 2022 käme gerade recht, als der VfL mit 4:3 in Dortmund gewann! Es wäre sein erster Sieg als Bundesliga-Trainer. Und gleichzeitig einer, der den BVB in turbulente Tage schubsen würde. Sahin hält mit Phrasen dagegen: "Wir sind alle in der Pflicht und haben hoffentlich unsere Lehren gezogen. Wir müssen die drei Punkte holen." 80.000 werden im Stadion sein, 8000 Fans aus Bochum. Freitagabend, Flutlicht, ein Derby ist ein Derby, selbst wenn die Stimmung vorher so traurig und trist ist wie eine Radtour im klatschenden Dauerregen entlang des Rheinischen Esels, über die Höhenzüge des Ardeygebirges, das Bochum von Dortmund trennt.

Quelle: ntv.de

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