Collinas Erben

"Collinas Erben" suchen die Linie Boateng steht mit seinem Dusel nicht allein

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Zwei im Kampf um den Ball: Bayerns Jérôme Boeteng und Darmstatds Dominik Stroh-Engel.

Zwei im Kampf um den Ball: Bayerns Jérôme Boeteng und Darmstatds Dominik Stroh-Engel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Erst ging's um zu Unrecht gepfiffene Strafstöße, nun debattiert die Bundesliga über zu Unrecht nicht gegebene Elfmeter. Die Schiedsrichter pfeifen ungewöhnlich häufig nicht - in Dortmund, Darmstadt und Wolfsburg. Was soll das?

Wenn die Bundesliga-Referees vor der Saison ihr alljährliches Trainingslager absolvieren, gibt ihnen die Schiedsrichter-Kommission des DFB stets mit auf den Weg, worauf sie ganz besonders achten sollen. Dieses Mal sind das die Vergehen im Strafraum. Vor allem das Halten und der verbotene Körpereinsatz sollen, so wollen es die Chefs der deutschen Unparteiischen, in dieser Saison rigoroser geahndet werden als zuvor. Die Schiedsrichter hätten diesbezüglich zuletzt ein wenig Scheu gezeigt, sagt Lutz Michael Fröhlich, der Abteilungsleiter für die Referees beim DFB. Künftig erwarte man "noch mehr Konsequenz".

In der einen oder anderen Strafraumszene wurden die Regeln zuletzt jedoch arg streng ausgelegt, was selbst erfahrene Schiedsrichter in die Kritik brachte. Vor allem die spielentscheidenden Elfmeter, die Deniz Aytekin am dritten Spieltag in der Partie zwischen dem 1. FC Köln und dem Hamburger SV sowie Knut Kircher eine Woche später im Spiel des FC Bayern München gegen den FC Augsburg verhängten, sorgten für negative Schlagzeilen. Den von Aytekin gegebenen Strafstoß bezeichnete schließlich auch Hellmut Krug, der Schiedsrichter-Manager der DFL, im Schiedsrichter-Video-Blog des DFB unumwunden als Fehler, während Kircher seine Entscheidung sogar selbst öffentlich bedauerte.

Ungeahndete "Notbremsen" in Dortmund

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Durchaus möglich, dass die Referees nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Kritik nun an diesem fünften Spieltag der Bundesliga vielfach deutlich großzügiger verfuhren, wenn es zu Situationen kam, in denen sich die Frage stellte: Strafstoß oder nicht? In mehreren Fällen lagen sie dabei allerdings nicht richtig. Deniz Aytekin beispielsweise verweigerte in der Partie zwischen Borussia Dortmund und Bayer 04 Leverkusen beiden Teams jeweils zu Unrecht einen Elfmeter.

Collinas Erben

"Collinas Erben" - das ist Deutschlands erster Schiedsrichter-Podcast, gegründet und betrieben von Klaas Reese und Alex Feuerherdt. Er beschäftigt sich mit den Fußballregeln, den Entscheidungen der Unparteiischen sowie mit den Hintergründen und Untiefen der Schiedsrichterei. "Collinas Erben" schreiben jeden Montag auf ntv.de über die Schiedsrichterleistungen des Bundesligaspieltags. Unser Autor Alex Feuerherdt ist seit 1985 Schiedsrichter und leitete Spiele bis zur Oberliga. Er ist verantwortlich für die Aus- und Fortbildung in Köln, Schiedsrichterbeobachter im Bereich des DFB und arbeitet als Lektor und freier Publizist.

Sowohl das Halten des Leverkuseners Jonathan Tah gegen den sehr gut postierten Pierre-Emerick Aubameyang in der 47. Minute als auch der Schubser von Marcel Schmelzer gegen den durchgeeilten Leverkusener Chicharito sechs Minuten später waren nicht nur strafstoß-, sondern als "Notbremsen" zudem platzverweiswürdig. Korrekt war es dagegen, nach Wendells effektivem Griff an die Schulter von Matthias Ginter in der 73. Minute auf den Punkt zu zeigen.

Aytekins Kollege Günter Perl ließ derweil in der Partie des VfL Wolfsburg gegen Hertha BSC sogar gleich dreimal Gnade vor Recht ergehen. So blieb das Foul des Berliners Niklas Stark an Julian Draxler in der 54. Minute genauso ungeahndet wie das Einsteigen des Wolfsburger Verteidigers Dante gegen Mitchell Weiser drei Minuten danach sowie der Rempler von Naldo gegen den Herthaner Vedad Ibisevic nach 68 Minuten. In keiner dieser drei Situationen wurde auch nur annähernd der Ball gespielt, in allen Fällen dagegen klar der Gegner getroffen. Zwei Minuten vor Schluss gab es dann doch noch einen Strafstoß, als Julian Draxler über Fabian Lustenbergers leicht herausgestelltes Bein stolperte. Eine vertretbare Entscheidung, auch wenn die vorangegangenen Vergehen allesamt deutlicher waren.

Auch Boateng und Holland im Glück

Auch in der Begegnung zwischen dem SV Darmstadt 98 und dem FC Bayern kam es zu zwei Szenen, in denen es nach einem Strafstoß roch, die Pfeife des Unparteiischen jedoch stumm blieb. Zunächst grätschte Jérôme Boateng in der 32. Minute nach einer Flanke am Ball vorbei, woraufhin Dominik Stroh-Engel, der das Spielgerät ebenfalls verfehlt hatte, über die Beine des Münchner Verteidigers fiel. Konnte man hier noch bei gutem Willen mit dem Hinweis darauf, dass sich beide Spieler einfach nur erfolglos um die Kugel bemüht hatten, das Ausbleiben des Elfmeterpfiffs legitimieren, so war eine Minute später für den ansonsten gut pfeifenden Schiedsrichter Felix Zwayer eigentlich kein Spielraum mehr gegeben, als Fabian Holland den Münchner Sebastian Rode per Beinstellen zu Boden brachte.

Im Gegensatz dazu zeigte Christian Dingert sofort auf die Strafstoßmarke, als der Hannoveraner Abwehrspieler Marcelo bei den Partie in Augsburg nach einer halben Stunde Tobias Werner klar und deutlich im Strafraum legte. Der Schiedsrichter versäumte es jedoch, auch den Gästen einen Elfmeter zuzusprechen. Diesen hätten sie nach 80 Minuten verdient gehabt, als der Augsburger Ragnar Klavan seine Körperfläche vergrößerte und den Ball dadurch unzweifelhaft absichtlich mit der Hand spielte.

Nachdem in den vergangenen Wochen viel über zu Unrecht gepfiffene Strafstöße diskutiert wurde, dreht sich die Debatte nun also um fälschlicherweise nicht gegebene Elfmeter. Dabei war es in manchen Fällen für die Schiedsrichter gewiss schwierig, die jeweiligen Vergehen zu erkennen. Insgesamt gesehen deutet die ungewöhnlich hohe Fehlerquote an diesem fünften Spieltag aber darauf hin, dass die Unparteiischen nach der Anweisung vor Saisonbeginn und der zuletzt bisweilen heftigen Schelte wegen ihrer teilweise allzu kleinlichen Auslegung noch auf der Suche nach einer Linie bei der Beurteilung von grenzwertigen Zweikämpfen im Strafraum sind. Allzu lange sollte diese Suche nicht mehr dauern, wenn man eine schädliche Verunsicherung vermeiden will - bei den Klubs und ihren Spielern wie auch bei den Referees selbst.

Quelle: ntv.de

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