
Der Start von Jürgen Klopp beim BVB war holprig.
(Foto: imago sportfotodienst)
Heute ist die Zeit des Jürgen Klopp beim BVB im Rückblick eine einzige Reise ins Glück. Doch was viele nicht mehr wissen: Der Start des Erfolgstrainers bei der Borussia war holprig. Mehr noch: Die Offiziellen um Aki Watzke mussten Klopp einen "Freifahrtschein" ausstellen.
"Er bekommt Zeit. Das kann man als Freibrief verstehen." Als der BVB vor genau 15 Jahren nach dem 23. Spieltag mit weitem Abstand zu den europäischen Rängen auf einem neunten Platz stand, sah sich der Vorstandsboss Aki Watzke genötigt, seinem Trainer Jürgen Klopp öffentlich den Rücken zu stärken. Eine in der Branche - und auch bei Watzke selbst - durchaus übliche Geste, die den BVB-Vorstand in der Vergangenheit aber nicht abgehalten hatte, nur wenige Tage später dennoch Trainer wie Thomas Doll oder Bert van Marwijk vor die Tür zu setzen. Doch dieses Mal, im März 2009, war tatsächlich alles anders. Und so sagte Jürgen Klopp damals einen Satz, der sich nun 15 Jahre später bei einem anderen Trainer genauso wiederholen sollte: "Ich spüre die Rückendeckung!"
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Präzise diese Worte wählte der aktuelle BVB-Coach Edin Terzić im Dezember des letzten Jahres, nachdem die Borussia kurz vor Weihnachten nach dem 16. Spieltag und einem enttäuschenden 1:1 zu Hause gegen den Abstiegskandidaten FSV Mainz 05 mit sechs Punkten Rückstand auf Platz 4 in der Tabelle überwinterte. Auch wenn man es sich heute kaum mehr vorstellen kann: In seiner ersten Saison beim BVB - und auch noch darüber hinaus - war Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund alles andere als unumstritten.
"Wir haben mit ihm ein Langzeitprojekt"
Besonders auch, weil es sportlich lange Zeit erst einmal so gar nicht lief. Auch in der Spielzeit 2009/10 rutschte der BVB zum Start tief in den Tabellenkeller. Nach dem 7. Spieltag stand die Borussia nur einen Platz vor den Abstiegsrängen auf dem 15. Tabellenplatz. Damals meinte BVB-Präsident Reinhard Rauball über Jürgen Klopp: "An ihm sind die vergangenen Wochen nicht spurlos vorbeigegangen." Heute sagt Edin Terzić nachdenklich: "Wenn es außen unruhig wird, ist es die Kunst, trotzdem bei sich und positiv zu bleiben."
Bei Jürgen Klopp sprach der BVB damals immer wieder von einem "Freifahrtschein", den der Trainer habe, und man verlängerte frühzeitig seinen Vertrag bei der Borussia. Über Edin Terzić meinte Aki Watzke schon in der ersten schwierigen Phase im Herbst 2022: "Er sitzt bei uns bombensicher im Sattel. Wir haben mit ihm ein Langzeitprojekt, das wir auf jeden Fall durchziehen werden." Das erinnert alles sehr an die komplizierten Zeiten, die der BVB vor 15 Jahren in den Anfängen von Jürgen Klopp bei der Borussia durchleben musste. Und deshalb ist es kein Wunder, dass Aki Watzke nicht müde wird, diese Parallelen auch zu benennen. Im Sommer, nach der so tragisch wie unglücklich verpassten Meisterschaft, meinte der im Herbst 2025 scheidende Geschäftsführer von Borussia Dortmund über Terzić: "Er ist nach Jürgen Klopp wieder der Trainer, der sich mit Haut und Haaren auf diesen Verein einlässt. Was in seinem Fall natürlich damit zu tun hat, dass er immer schon BVB-Fan war."
Anhänger der Borussia war Jürgen Klopp noch nicht, als er 2008 nach Dortmund kam, aber durchaus ein Mann, der sich einer gewissen, natürlichen Beliebtheit erfreute und der sich gerne in kernigen Worten ausdrückte. Legendär bis heute sind deshalb auch seine Begrüßungssätze, die Jürgen Klopp im Sommer 2008 an die Fans der Borussia richtete: "Ich habe Riesenlust, hier zu arbeiten. Wir werden einige Vollgas-Veranstaltungen ablaufen lassen. Rasenschach wird es bei mir nie geben. Wenn Spiele langweilig sind, verlieren sie ihre Berechtigung." Nun, einige Monate und viele sportliche Tiefschläge später, richtete Kolumnist Lothar Matthäus ein paar mitfühlende Worte an Klopp. Er bezeichnete den ehemaligen Mainzer Trainer als seinen legitimen Nachfolger als "Lautsprecher der Liga" und sagte: "Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass einen so ein Satz mit den Vollgasveranstaltungen jahrelang nicht mehr loslässt. Dass er dir links und rechts um die Ohren gehauen wird."
"Er ist ja keine Maschine. Die brauchen wir auch nicht"
Heute sind diese Worte von Jürgen Klopp ein Teil seiner großen Erfolgsgeschichte - und die allermeisten haben lange vergessen, dass es, vorsichtig ausgedrückt, zuerst sehr holprig losging bei der Borussia -, doch damals zehrte die sportlich präkäre Lage an den Nerven des Trainers, wie Reinhard Rauball erzählte: "Er ist ja keine Maschine. Die brauchen wir auch nicht. Jürgen Klopp ist nicht unser Trainer, um jeden Tag Lockerheit zu demonstrieren. Das wird oft falsch dargestellt. Er ist ein akribischer Arbeiter, nicht der Gute-Laune-Onkel."
Doch das mit dem "Gute-Laune-Onkel" war dabei gar nicht so weit hergeholt. Denn wie stark Jürgen Klopp sich, wie Aki Watzke es ausdrückte, "mit Haut und Haaren" auf den BVB eingelassen hatte, zeigte sich im Mai vor 15 Jahren an einem sehr speziellen Tag. Nach der enttäuschend verlaufenen Saison hatten sich Sponsoren vom Verein abgewendet und ihre Logen und Partnerschaften gekündigt. Als nun eine Aktion anstand, diese Geldgeber vielleicht doch noch zum Bleiben zu bewegen, griff Jürgen Klopp - zum Erstaunen aller - höchstpersönlich selbst zum Telefon. Ein Boulevardblatt enthüllte die Story, die eigentlich geheim bleiben sollte, mit den Worten: "Klopp fleht: Bitte helft uns!" Und tatsächlich: Die Sponsoren waren so überrumpelt und beeindruckt, dass eine Vielzahl von ihnen ihre Kündigung rückgängig machte. Mission erfüllt!
"Wir haben ein Heimspiel. Wir gewinnen!"
Übrigens: Die von Reinhard Rauball angesprochene Lockerheit hatte Jürgen Klopp auch in den sportlich schweren Zeiten natürlich nie ganz verloren. Als es am 13. Spieltag zu Hause gegen den FSV Mainz 05 und einen gewissen Thomas Tuchel auf der Gegenseite ging, stand die Borussia vier Punkte hinter den Mainzern auf Platz 9 der Tabelle. Doch darauf angesprochen, wie das Spiel denn ausgehen würde, antwortete Klopp herzhaft, mutig und lachend: "Wir haben ein Heimspiel. Wir gewinnen! So, Thomas, jetzt musst du nur noch meinen Sieger-Tipp in eurer Kabine aufhängen." Die Extra-Motivation bewegte allerdings nichts bei den Mainzern. Die wenig spektakuläre Partie endete damals schiedlich-friedlich mit 0:0.
Am Ende seiner zweiten Spielzeit bei Borussia Dortmund, der Saison 2009/10, zog Jürgen Klopp dann übrigens mit dem fünften Tabellenplatz in den europäischen Wettbewerb ein. Der Rest ist Geschichte. Mal schauen, wie die Story des Edin Terzić in ein paar Jahren im Rückblick aussehen wird.
Quelle: ntv.de