Redelings Nachspielzeit

Wildern als "kreative Lösung"? Der FC Bayern macht sich wieder unbeliebt

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Oliver Kahn sucht nach "kreativen Lösungen".

(Foto: imago images/Sven Simon)

Kurz vor dem "Deadline Day" geisterten Namen wie Marcel Sabitzer von RB Leipzig und Matthias Ginter und Jonas Hofmann von Borussia Mönchengladbach durch den Münchener Transfer-Nebel. Alles nur reine Verstärkungen - oder steckt da mehr dahinter? So wie in der Vergangenheit schon einmal.

"Die Zeit heilt nicht alle Wunden, aber sie hilft beim Heilen." Jürgen Klopp war am Vormittag des 23. April 2013 sichtlich angeschlagen - und versuchte dennoch verzweifelt die Fassung zu wahren. In der Nacht hatte die "Bild" auf ihrer Webseite den Wechsel des BVB-Juwels Mario Götze zum FC Bayern München zum 1. Juli desselben Jahres verkündet. Nur einen Tag später sollten die Dortmunder im Champions League Halbfinale gegen Real Madrid antreten. Fußball-Deutschland litt in diesen besonderen Stunden mit Jürgen Klopp und dem BVB. Denn wieder einmal hatten die Bayern zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Dem lästigen Konkurrenten aus Dortmund eines der größten Talente des internationalen Fußballs entwendet und zugleich die Mannschaft, die ihnen in den letzten beiden Jahren zuvor jeweils die Meisterschaft vor der Nase weggeschnappt hatte, in ihren Grundfesten erschüttert.

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In ihrer Not hatten sich die Bayern-Bosse damals an ein altes, schon viele Jahre lang praktiziertes Erfolgsrezept erinnert, das einst Uli Hoeneß als Jungmanager bei den Münchenern eingeführt und etabliert hatte. Die Idee dahinter war und ist eigentlich ganz einfach: Wird ein Gegner möglicherweise zu groß, wildern die Bayern in dessen Kader und suchen sich einen Spieler heraus, der nicht nur den Konkurrenten schwächt, sondern im Idealfall auch den Rekordmeister qualitativ bereichert. Doch Punkt zwei ist dabei keineswegs zwingend notwendig. So verpflichteten die Bayern auch schon Spieler wie Jan Schlaudraff von Alemannia Aachen oder Vahid Hashemian vom VfL Bochum, nur damit diese nicht zu potenziellen Gegnern wechseln. Für Uli Hoeneß war dieses Verhalten stets völlig normal. Und so schafften es die Offiziellen von der Säbener Straße über viele Jahre hinweg, die aufstrebende Konkurrenz aus Kaiserslautern und Karlsruhe, Stuttgart, Bremen oder Leverkusen immer wieder rechtzeitig einzufangen. Auch dieses Mal, im Jahr 2013, hatten die Bayern Erfolg. Durch den Wechsel von Mario Götze (und kurz darauf von Robert Lewandowski) nach München zerstörten sie ganz gezielt und überlegt das Fundament des BVB.

Max Eberl beschwichtigt

Damals im April 2013 beschwichtigte der Gladbacher Manager, Max Eberl, die verständlicherweise aufkommenden Emotionen der Branche noch. Er sah den Transfer von Mario Götze noch nicht als großes Problem an: "Darüber auslassen kann man sich, wenn Bayern wirklich fünfmal in Folge Meister geworden sein sollte." Seit diesen Tagen im April 2013 hat es in Deutschland keinen anderen Bundesligameister mehr gegeben als den FC Bayern München. Vermutlich ist Max Eberl dennoch auch jetzt wieder ruhig geblieben, als die Gerüchte über einen Wechsel seiner Spieler Matthias Ginter und Jonas Hofmann an die Säbener Straße aufkamen. Vielleicht hat er es, als alter Hase des Geschäfts, sogar als eine Art Auszeichnung angesehen, dass sich die Bayern so intensiv mit seinen Gladbachern auseinandergesetzt haben. Schließlich hatte es die neue Fohlenelf in der Tat geschafft, den Rekordmeister im Auftaktspiel der Saison beeindruckend an den Rand einer Niederlage zu bringen. Seitdem ist viel Wasser den Rhein heruntergeflossen und die Borussia in der Tabelle erst einmal wieder auf dem Boden der Realität angekommen.

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Und die Bayern? Die hatten sich mittlerweile umorientiert. Mit Marcel Sabitzer ist ein Schlüsselspieler des letztjährigen Tabellenzweiten RB Leipzig nach München gekommen. Und wieder einmal werden die Bayern zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen - schließlich haben sie aus Leipzig bereits den begehrten Innenverteidiger Dayot Upamecano und das Trainerjuwel Julian Nagelsmann verpflichtet. Alles offensichtlich Wechsel nach der neuen Marschroute von Oliver Kahn, der sich unlängst dafür aussprach, dass die Bayern in Zukunft nach "kreativen Lösungen" auf dem Transfermarkt suchen müssten. Dass diese neue Marschroute scheinbar eine Rückbesinnung auf alte, bewährte Muster ist, wird angesichts der Turbulenzen und Summen, die aktuell den europäischen Markt beherrschen, niemanden groß verwundern.

Das beste Team gewinnt, nicht der beste Transfer

Dort, an der Spitze des Transfereisbergs, haben die Bayern eigentlich noch nie wirklich mitagiert. Wenn sich die ganz Großen der Branche gegenseitig die Superstars ausspannen, dann sind die Offiziellen von der Säbener Straße raus aus dem Spiel. Die aktuelle Transferpolitik scheint nun der Versuch zu sein, erst einmal mit relativ überschaubaren Mitteln die nationale Dominanz weiter zu festigen und dabei den einen oder anderen attraktiven Fisch ins Netz zu bekommen.

Das mag auf den ersten Blick nicht besonders sexy sein und wird die Bayern im eigenen Land auch nicht gerade beliebter machen, aber es zeugt von einem gesunden Realismus und zeigt eine echte Marschroute für den Weg in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft. Denn eins wissen auch die Bayern: Die ganz großen Superstars mögen zwar hell leuchten und mächtig Schlagzeilen produzieren, aber am Ende gewinnt (zumeist) das Team mit der besten Mannschaftsleistung. Man darf deshalb äußerst gespannt sein, wie sich die Münchener auch diese Saison wieder auf dem internationalen Parkett schlagen werden. National sollte - nicht zuletzt nach dem Transfer von Marcel Sabitzer - ja ohnehin nichts anbrennen.

Quelle: ntv.de

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