
Zusammen ist die Ekstase grenzenlos.
(Foto: IMAGO/Sven Simon)
Die Bilder von feiernden Spielern und Fans in der letzten Woche aus den Stadien der Republik wecken die Hoffnung, dass der Fußball doch noch einmal zu alten Tugenden zurückkehrt. Die neue, alte Nähe tut gut - und könnte der Beginn eines echten Wandels sein
Es waren die Bilder der BVB-Meisterfeier 2011! Neven Subotic, oberkörperfrei auf seinem Auto stehend mitten unter jubelnden Fans der Borussia. Es waren Szenen voller ausgelassener und ursprünglicher Freude. Losgelöst von aller Normalität und Realität. Denn schon damals, vor elf Jahren, waren solche Momente eine absolute Ausnahme, ja, fast schon eine Sensation. Profi-Fußballer inmitten ihrer Anhänger, ohne nervöse Polizisten oder prügelnde Security-Männer um sie herum? Solche Bilder - auch wenn die Verletzten auf Schalke das Gesamtbild leider trüben - hatte die Welt des Fußballs schon lange nicht mehr vorgesehen.
Abschottung und Exklusivität waren das neue Motto der Geldruckmaschine Fußball geworden - und das Jahr für Jahr immer drastischer und konsequenter. Bis den Fußball und seine Protagonisten irgendwann Lichtjahre von den Menschen - die das Spektakel auf dem grünen Rasen erst durch ihre Anwesenheit und ihr Interesse zu dem machen, was es ist - getrennt hatten. Und dann kam die Zeit der Geisterspiele. Leere Stadien, in denen höchstens der Hausmeister und sein Gehilfe mittels Mülltonnen-Deckeln (!) Stimmung machten. Eine groteske, trostlose Zeit. Offensichtlich auch für die Spieler.
Denn wie die Profis von Bochum über Frankfurt und Köln bis hin nach Gelsenkirchen in den letzten Tagen die Fannähe nicht nur akzeptiert, sondern wohl auch genossen haben, waren Momente, die man gar nicht hoch genug bewerten kann. Es waren echte Augenblicke der Versöhnung zwischen zwei Gruppen, die sich über die Jahre vielfach fremd geworden waren. Wer vor einer Woche nach dem Derbysieg in Dortmund die Spieler des VfL inmitten der Bochumer Partymeile Bermuda-Dreieck erlebt hat, wird ein (großes) Stück seines Glaubens an den Fußball zurückgewonnen haben. Es waren fast schon surreale Bilder - die es so lange an vielen Orten des kommerziellen Fußballs nicht gegeben hat. Traurig, aber wahr.
Erzwungene Trennung war offenbar heilsam
Umso mehr haben beide Seiten diese neue, alte Gemeinschaft genossen. Diese überraschende Sehnsucht der Spieler nach Fannähe hatte nichts Gekünsteltes, nichts Arrangiertes, von Marketing-Experten mühsam Erdachtes. Es waren echte, ursprüngliche Emotionen - und sie fühlten sich verdammt gut an. Und wenn sie kein Strohfeuer bleiben oder zu PR-Zwecken missbraucht werden, dann werden diese Szenen möglicherweise eine neue Glut entfachen, die dem kommerziellen Fußball ein Stück seiner Menschlichkeit zurückgeben kann. Denn genau diese gemeinsamen Augenblicke, die man in der letzten Woche in den Stadien und Partyzonen der Republik beobachten konnte, haben Begehrlichkeiten auch bei Spielern und Fans von Vereinen geweckt, die im Moment nicht so viel zu feiern haben - und sich dennoch bereits jetzt auf Anlässe und Augenblicke freuen, in denen sie diese neue Sehnsucht befriedigen können.
Offensichtlich waren die letzten beiden Jahre der erzwungenen Trennung auf eine gewisse Art und Weise sogar heilsam. Alle Parteien haben gesehen, dass es ohne einander nicht geht - und vor allem auch nur halb so viel Spaß macht. Die Bilder der letzten Tage haben die Herzen höherschlagen lassen. Wollen wir mal hoffen, dass dieses zarte Pflänzlein der Hoffnung den Frühling übersteht. Der Fußball könnte es gebrauchen - und die Menschen sowieso.
Quelle: ntv.de