Redelings Nachspielzeit

Schalke drohte Zwangspfändung Die verhängnisvollen Skandale zum Bundesligajubiläum

Der einstige Retter des Vereins, der "Sonnenkönig" Günter Eichberg, war in Verruf geraten.

Der einstige Retter des Vereins, der "Sonnenkönig" Günter Eichberg, war in Verruf geraten.

(Foto: imago/Rust)

Vor genau dreißig Jahren feierte die Fußball-Bundesliga ihren 1000. Spieltag. Ein besonderes Jubiläum vor allem für die großen Idole und stillen Helden dieser einmaligen Erfolgsgeschichte. Doch rund um die Feierlichkeiten legte sich ein dunkler Schleier.

Uwe Seeler liebte die Bundesliga – doch vor dreißig Jahren richtete er einen ernsten "Appell an die Verantwortlichen": Alle "müssen vorsichtiger und seriöser arbeiten, nur noch das Geld ausgeben, das man auch einnimmt." Seelers Worte, so gut sie auch zum 1000. Spieltag der Fußball-Bundesliga gemeint gewesen sein mochten, trafen auf keinen fruchtbaren Boden – denn just zu diesem Moment, im Frühjahr 1993, begann der Fußball auch in Deutschland einen Aufschwung zu erleben, den damals so niemand hatte voraussehen können. Doch Seelers Bedenken hatten einen guten Grund. Am Vorabend des großen Jubiläums durchlitten die beiden Traditionsklubs FC Schalke 04 und der 1. FC Nürnberg zwei handfeste Finanzskandale – die Königsblau und den Club an den Rand ihrer Existenz brachten.

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Die "schwarzen Kassen" des 1. FC Nürnberg geisterten in diesen Tagen durch die Schlagzeilen. Der ehemalige Schatzmeister des Clubs, Prof. Dr. Dr. Böbel, hatte sein Wissen über den "neuen Bundesliga-Skandal" einem großen Sportmagazin anvertraut. Und wie die "Sport Bild" damals schrieb, ging es um "Schiedsrichter-Bestechungen, Spesenreitereien und Vetternwirtschaft". In Nürnberg, dem ehemaligen Rekordmeister der Bundesliga, herrschte Panik. Knapp 20 Millionen Mark Schulden lasteten neben den ungeheuerlichen Vorwürfen auf dem Verein. Die Staatsanwaltschaft ging damals beim Club ein und aus. Doch die Nürnberger waren in ihrer Not nicht alleine. Hunderte Kilometer weiter nach Norden kämpfte auch der FC Schalke 04 kurz vor dem Bundesliga-Jubiläum mal wieder ums Überleben.

Günter Netzer schickt den Gerichtsvollzieher

Der einstige Retter des Vereins, der "Sonnenkönig" Günter Eichberg, war in Verruf geraten – und sein ehemaliger "Frühstücksmanager" Günter Netzer hatte dem Ruhrgebietsklub mittlerweile den Gerichtsvollzieher ins Haus geschickt. Ein schier unfassbarer Schuldenberg hatte sich in den letzten Jahren angehäuft – nur verschleiert durch einige vermeintlich geschickte Finanzmanöver, die nun langsam ans Tageslicht drangen. Genau wie der Club hatten die Königsblauen weit über ihren eigentlichen finanziellen Mitteln gelebt und bekamen nun über die Medien für alle sichtbar die Rechnung präsentiert. Für beide Vereine kam der Appell von Uwe Seeler ("nur noch das Geld ausgeben, das man auch einnimmt") zu spät. Es dauerte eine lange Zeit, bis auf Schalke und in Nürnberg die Scherben dieser finanziellen Schieflage wieder aufgekehrt waren.

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
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  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Doch trotz aller dunklen Wolken, die in diesen Tagen im Frühjahr vor dreißig Jahren über der Bundesliga lagen, freute sich Fußball-Deutschland über dieses besondere Jubiläum. Der 1000. Spieltag stand auf dem Programm und ausgerechnet die Krisen-Schalker sollten diesen am Freitagabend gegen die SG Wattenscheid 09 (!) in der Ausweichspielstätte des Bochumer Ruhrstadions eröffnen. Die Königsblauen spielten das erste Mal nach dem Rauswurf von Trainer Udo Lattek unter ihrem neuen Coach Helmut Schulte. Das Hinspiel hatten die Schalker trotz dreier Treffer von Ingo Anderbrügge mit 3:4 zu Hause verloren. Die Partie in Bochum endete 0:0. Kurios dabei: Der geschasste Ex-Trainer der Königsblauen, Udo Lattek, kassierte dennoch 8.000 Mark. Sein üppig dotierter Vertrag lief ja weiter – auch wenn damals nicht so ganz klar war, woher das Geld für diese Zahlungen kommen sollte.

"Die Leute saßen damals sogar auf den Bäumen"

Doch neben all der Aktualität war das Jubiläum natürlich auch ein Anlass für Erinnerungen an die alten Zeiten. Uwe Seelers Augen blinzelten freudig, als er auf den ersten Spieltag am 24. August 1963 angesprochen wurde: "Ich werde es nie vergessen, weil es für uns alle Neuland war und den Reiz des Besonderen ausmachte. Die Leute saßen damals sogar auf den Bäumen. Jeder wollte dabei sein, beim Start in eine neue Fußball-Dimension."

Und die Bundesliga hatte einiges zu bieten. In Münster lief der sogenannte 100.000-Mark-Sturm um Fiffi Gerritzen, Jupp Lam­mers, Adi Preißler, Sieg­fried Rachuba und Rudi Schulz auf und in Kaiserslautern feierten sie ihren Niederländer "Co" Prins, der von Ajax Amsterdam gekommen war. Sein Trainer Günter Brocker erzählte anlässlich des Jubiläums von seinem "Sauhund" und Star aus Holland, dass dieser mit Vergnügen "Mitspielern beim Essen Blumenblätter unter den Salat mischte".

"Geld spielte noch nicht diese dominierende Rolle"

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In Frankfurt berichtete einer der stillen Helden hinter den Kulissen, der "Tausendsassa" Anton Hübler, der bei der Eintracht in wechselnden Funktionen als Gärtner, Chauffeur des Präsidenten und als Zeugwart gearbeitet hatte, von dem Tag, als er mit zittrigen Händen 110.000 Mark von den Vorverkaufsstellen quer durch die Stadt zum Riederwald hinausfuhr – und sich dabei die schlimmsten Gedanken machte, was ihm alles passieren könnte.

Uwe Seeler erinnerte sich rückblickend im Jahr 1993 an die ersten Stunden der Bundesliga: "Geld spielte am Anfang noch nicht diese dominierende Rolle." Das war 999 Spieltage später anders. Auch das große deutsche Fußballidol Seeler konnte kaum glauben, wie die Welt im August vor dreißig Jahren, als die Liga startete, noch ausgesehen hatte: "Honorige Leute gaben den Ton an: Ein Günter Mahlmann beim HSV, der den Laden schmiss. Ehrenamtlich, versteht sich." Wie wir heute wissen: Das Rad drehte sich auch nach dem 1.000 Spieltag immer weiter und schneller. Und ein Ende ist für diese einzigartige Erfolgsgeschichte Fußball-Bundesliga auch heute noch nicht absehbar!

Quelle: ntv.de

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