
Beste Unterhaltung - wenn man auf Abstiegskampf steht.
(Foto: IMAGO/Pressefoto Baumann)
Die Bayern und der BVB blamierten sich ausgerechnet gegen Teams aus dem Tabellenkeller aufs vortrefflichste - und sorgten so unerwartet für neue Dramatik im Abstiegskampf. Was die vier bis acht Mannschaften dort unten im Keller seit mehreren Wochen abliefern, ist allerbeste Unterhaltung.
Es war eine grotesk-geniale Show, die Mike Krüger da Mitte bis Ende der 80er-Jahre im TV moderierte. "Vier gegen Willi" hieß sie - und war allerbeste Fernsehunterhaltung. Star der Sendung war der Goldhamster Willi, der am Ende des Abends in ein Labyrinth gesetzt wurde und je nachdem, welchen Ausgang er nahm, bestimmte, ob die Gewinner ihren Betrag in DM, Schilling oder Lira ausbezahlt bekamen. Willi gibt es immer noch! Er läuft im Moment unter wechselnden Vereinsbezeichnungen durch das verzwickte Abstiegskampf-Labyrinth - und hat sich immer noch nicht entschieden, welcher Klub am Ende in welches Törchen einlaufen wird. Abstieg, Relegation oder Rettung - noch ist für die vier bis acht Mannschaften im dunklen Keller der Bundesliga alles möglich.
Den Kampf am Ende der Tabelle als irre zu bezeichnen, ist fast eine Verharmlosung des Begriffs "irre". Denn für die Anhänger der Vereine, die seit Wochen die Ränge ab Platz zwölf belegen, ist dieses brutale Wechselbad der Gefühle kaum mehr zu ertragen. Endlos lange Negativserien wechseln sich ab mit kolossalen Überraschungserfolgen, die völlig unerwartet wieder Hoffnung aufkeimen lassen. Die Unentschieden der TSG Hoffenheim, des VfB Stuttgart und des VfL Bochum an diesem Wochenende gegen die ersten drei Klubs am anderen, oberen Ende der Tabelle standen in dieser Form auf kaum einem Zettel der nervösen Bundesliga-Tippgemeinschaft. Und gerade deshalb stechen diese unvorhersehbaren Ereignisse so sehr heraus - denn sie machen den Abstiegskampf immer wieder auf eine unerwartete Art und Weise spannend und wirbeln dabei alles scheinbar Errechenbare mit einem Schlag wieder durcheinander.
Groteskes beim BVB und bei den Bayern
Damals bei "Vier gegen Willi" lebte die Show genau von diesen radikalen Wendungen, die für die damalige TV-Welt revolutionär waren. Wenn "Die Toten Hosen" plötzlich live in der Sendung die Wohnung eines Kandidaten stürmten und in seinen Räumen eine ausgelassene Party feierten oder das geliebte Auto eines anderen Teilnehmers vor seinen Augen in der Schrottpresse zerdrückt wurde, dann litten die Zuschauer zu Hause auf eine besondere Art und Weise mit. Und genauso erging es am Samstag den Fußballfans bei den Partien in München und Stuttgart. Mit großem Erstaunen konnten die TV-Zuschauer live mitverfolgen, wie der FC Bayern München von der TSG Hoffenheim im eigenen Stadion düpiert wurde. Und nicht wenige Fußballanhänger rieben sich die Augen vor Verwunderung, was sich da im Gottlieb-Daimler-Stadion in Stuttgart Groteskes abspielte. Ein BVB in Überzahl fing sich außer Rand und Band in der allerletzten Minute noch den Ausgleich gegen einen hemmungslos und begeistert aufspielenden VfB.
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Am Beispiel der Stuttgarter kann man ohnehin wunderbar zusammenfassen, wie wild und seltsam diese Saison der Kampf im Tabellenkeller geführt wird. Es ist nicht einmal zwei Wochen her, als in einer großen deutschen Boulevardzeitung die VfB-Legenden Hansi Müller, Karlheinz Förster und Timo Hildebrand die nahe Zukunft ihres Klubs in den schwärzesten Tönen malten. Gerade die Auswärtsschwäche ihres Vereins machte ihnen große Sorgen. Doch dann kam der Trainerwechsel - und siehe da: Der VfB gewann erstmals seit Dezember 2021 wieder in der Fremde. Und das ausgerechnet bei einem seiner größten Rivalen im Tabellenkeller, dem VfL Bochum.
Vor der Partie hatte Hansi Müller noch gemutmaßt: "Wenn du da verlierst, ist Bochum acht Punkte weg. Das holst du nicht mehr auf." Doch dann siegte der VfB und war wieder mittendrin. Und auch die Hoffnung und der Glaube sind bei den Schwaben zurück. Nach dem unverhofften Punktgewinn gegen den BVB am Wochenende können die Stuttgarter mit einem Erfolg am Freitag in Augsburg auch den FC wieder mitten hinein in den Abstiegskampf ziehen. Einzig: Die Augsburger haben die letzten sechs Partien an einem Freitagabend zu Hause stets gewonnen. Doch das soll in dieser irren Spielzeit wahrlich nichts heißen.
Wer sind die "Kleinen" und die "Großen"?
Denn auch die dritte Überraschungsmannschaft des letzten Wochenendes - der VfL Bochum, der einen Punkt in Köpenick bei Union ergatterte - sorgt in schöner Regelmäßigkeit dafür, dass er seine Anhänger durch unvorhersehbare Ergebnisse in die Verzweiflung treibt. Gegen die "Kleinen" und Tabellennachbarn, wie Schalke und den VfB, vergeigen die Bochumer es gerne, um dann gegen die sogenannten "Großen", wie RB Leipzig oder die Frankfurter Eintracht, zu punkten.
Im Augenblick scheint bei den Klubs im Tabellenkeller alles und nichts möglich - und doch kommen und kamen sie in den letzten Wochen kaum von der Stelle. Das Schneckenrennen geht weiter. Der Bundesliga-Abstiegskampf wartet im Augenblick mit einer selten so erlebten verflixten Dramatik auf. Das ist allerbeste Unterhaltung! Mike Krüger und sein Goldhamster Willi hätten ihren Spaß - so viel ist mal sicher.
Quelle: ntv.de