Redelings Nachspielzeit

Wo sind die Titel-Giftpfeile? Ohne Lattek, Hoeneß und Klopp ist's (zu) langweilig

imago0019629071h.jpg

Zwei Legenden, die die Bundesliga mit ihrer Art bereicherten: Uli Hoeneß und Udo Lattek.

(Foto: imago/Pressefoto Baumann)

Endlich gibt es wieder ein echtes Ringen um die Meisterschaft, doch es bleibt seltsam ruhig. Wo früher Uli Hoeneß, Christoph Daum, Willi Lemke oder auch Jürgen Klopp für Esprit auch abseits des Rasens sorgten, herrscht heute mediale Funkstille. Schade eigentlich.

Es ist fast dreißig Jahre her, da wartete Großbritannien voller Spannung auf die Präsentation der Single-Charts. Im legendären "Battle of Britpop" hatten die beiden Bands Blur und Oasis am selben Tag, dem 14. August 1995, ihre brandneuen Scheiben veröffentlicht. Begleitet wurde dieser "Kampf um die Krone" von irren Geschichten und fantastischen Anekdoten in den Boulevardblättern. Und dazu flankierten hitzige Wortgefechte zwischen den Gallagher-Brüdern auf der einen Seite und dem Blur-Frontsänger Damon Albarn auf der anderen den Blattsalat.

ANZEIGE
60 Jahre Bundesliga: Das Jubiläumsalbum
1
25,00 €
Zum Angebot bei amazon.de

Wochenlang gab es in England fast kein anderes Thema. Sieger an der Ladenkasse waren schließlich Blur, aber profitiert von dieser medialen Auseinandersetzung, die eine komplette Nation eine lange Zeit bestens unterhielt, hatten am Ende eine Menge Akteure und eine ganze Branche. Der Showkampf der beiden Bands hatte den Briten viel Spaß bereitet – denn an diesem "Battle of Britpop" kam niemand vorbei, ob er wollte oder nicht.

Was ist nur los?

Seit über zehn Jahren gibt es in der Fußball-Bundesliga das erste Mal endlich wieder so etwas wie echte Spannung im Kampf um die Meisterschaft, aber man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass dieses Ringen um den Titel seltsam geräuschlos verläuft. Möglicherweise mag es daran liegen, dass alle Beteiligten mittlerweile verlernt haben, dass es so etwas wie eine Auseinandersetzung um Platz eins tatsächlich gibt. Oder die beiden Teams aus Dortmund und Berlin müssen erst einmal selbst verarbeiten, dass sie in diese komfortable Lage gekommen sind. Doch wie auch immer die Sache sich in der Realität verhält: Für die Attraktivität und den Charme der Liga wäre ein wenig mehr Theater und Show in dieser momentanen Situation nicht das Schlechteste.

Zum Autor
  • Ben Redelings ist ein Bestseller-Autor und Komödiant aus dem Ruhrgebiet.
  • Sein aktuelles Buch "60 Jahre Bundesliga. Das Jubiläumsalbum" ist ein moderner Klassiker aus dem Verlag "Die Werkstatt"

  • Mit seinen Fußballprogrammen ist er deutschlandweit unterwegs. Infos & Termine auf www.scudetto.de.

Denn die Bundesliga sollte rechtzeitig zu ihrem 60-jährigen Jubiläum nicht mit ihren Reizen geizen. Oben wie unten lockt der Konkurrenzkampf und lässt die eher öden Jahre in Vergessenheit geraten, in denen es in Fragen der Meisterschaft nur darum ging, an welchem Spieltag die Bayern den Titel denn klarmachten. Doch zum Fußball gehörten auch immer schon die Typen, an denen sich die Fans reiben konnten. Ob es früher Max Merkel, Udo Lattek oder Hennes Weisweiler waren, die mit ihren frechen Sprüchen für Unterhaltung sorgten oder, bis zu seinem Ausscheiden beim BVB, Jürgen Klopp, der die Liga und die Fans mit seinem Esprit begeisterte – immer profitierten alle von den Schlagzeilen und bunten Geschichten.

"Der Mann interessiert mich nicht"

Und dann gab es da ja auch noch die legendären Duelle zwischen Uli Hoeneß auf der einen Seite und Willi Lemke auf der anderen. Ähnlich wie Blur und Oasis Mitte der neunziger Jahre im Kampf um den englischen Britpop-Olymp rivalisierten sich in den Achtzigern Bayern München und Werder Bremen um die Vorherrschaft im deutschen Fußball. Und das auf eine so unterhaltsame Art und Weise, dass man manchmal als außenstehender Betrachter des dramatischen Schauspiels kaum glauben konnte, dass diese Auseinandersetzungen nicht gespielt waren. Beide überboten sich in kleinen Gemeinheiten und Giftpfeilen in Richtung des jeweils anderen. So meinte Werders ehemaliger Manager Willi Lemke einmal: "Ich sehe nicht, was der Bayern-Manager sagt, weil ich den Fernseher immer abschalte, wenn er auf dem Bildschirm erscheint." Und Hoeneß sagte einige Jahre später: "Der Mann interessiert mich nicht. Der kann werden, was er will, mit dem werde ich nie Frieden schließen. Niemals."

Mehr zum Thema

Flankiert wurde diese ganz spezielle Rivalität durch zwei Teams, die sich über Jahre hinweg sportlich die Stirn boten. Für die neutralen Zuschauer war also immer für Unterhaltung auf und abseits des Platzes gesorgt – und dem Wirtschaftsbetrieb Bundesliga spülte die zusätzliche mediale Aufmerksamkeit ebenfalls Gelder ein. Genau wie damals, als Blur und Oasis um die Krone des Britpops kämpften und eine ganz Nation (und die übrige Welt) interessiert und fasziniert zuschaute.

Denn wie nachhaltig diese früheren Konkurrenzkämpfe in der Bundesliga waren, sieht man daran, dass sie selbst in den Köpfen der nachfolgenden Fangenerationen hängen geblieben sind. Als im Jahr 2011 der damalige Schalker Manuel Neuer kurz vor einem Wechsel zum FC Bayern stand, hing in der Südkurve der Münchener Arena ein Plakat. Adressiert an Uli Hoeneß hatten die FCB-Anhänger in fetten Lettern geschrieben: „Neuer im Tor ist für uns wie Trainer Daum und Manager Lemke für dich.“ Man darf gespannt sein, wie in vielen Jahren über diese Saison gesprochen werden wird. Aber egal, wie das Titelrennen am Ende auch ausgehen wird – manchmal würde man sich insgeheim schon wünschen, dass ein paar spezielle Erinnerungen (auch für die neutralen Fans) hängen bleiben würden. Mal schauen, was die Bundesliga in den nächsten Wochen also noch so zu bieten hat!

Quelle: ntv.de

ntv.de Dienste
Software
Social Networks
Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen