Fußball-WM 2018

DFB-Elf spielt fürs WM-Vertrauen Löw-Sturm sucht Starthilfe, Hummels Moral

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Fünf Spiele ohne Sieg, eine Foto-Affäre und ein verärgerter Bundestrainer: Die Vorfreude auf die Fußball-WM in Russland ist belastet. Im letzten Testspiel geht's aber nicht nur um die Stimmung.

Worum geht's denn?

Um den ultimativen Stress- und Stimmungstest, bevor Bundestrainer Joachim Löw am 12. Juni mit der deutschen Nationalmannschaft ins Flugzeug nach Russland steigt, wo dann ab Donnerstag die Fußball-Weltmeisterschaft stattfindet. Stresstest-Sparingspartner in der Leverkusener BayArena ist am Abend Saudi-Arabien (19.30 Uhr in der ARD und im Liveticker bei n-tv.de). Der 67. der Fifa-Weltrangliste ist das nach Gastgeber Russland (70.) am schlechtesten platzierte Team des Turniers und damit ein Gegner, gegen den die DFB-Elf nicht Gefahr läuft, noch einmal so böse überrascht zu werden wie beim schlampigen Fehlerfestival gegen Österreich.

Wie ist die Ausgangslage?

Deutschland - Saudi-Arabien, 19.30 Uhr

Voraussichtliche Aufstellungen:

Deutschland: Neuer - Kimmich, Rüdiger, Hummels, Hector - Khedira, Kroos - Müller, Draxler, Reus - Werner - Trainer: Löw

Saudi Arabien: Al-Mosaileem - Al-Shahrani, Osama Hawsawi, Othman, Al-Harbi - Otayf, Al-Jassim - Al-Muwallad, Al-Shehri, Al-Dawsari - Al-Sahlawi - Trainer: Pizzi

Schiedsrichter: Vincic

Makellos. Zumindest, was die Bilanz gegen die international nur zweitklassigen "Grünen Falken" angeht. Zwei Begegnungen gab es bislang, im bisher letzten Aufeinandertreffen beim Auftaktspiel der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea setzte sich die DFB-Auswahl mit 8:0 durch. Das erste Duell am 22. Februar 1998 endete 3:0. "Wir brauchen nicht den absoluten Topgegner", sagt Team-Manager Oliver Bierhoff, "die hatten wir schon. Wir brauchen einen Gegner, wo wir das eine oder andere testen können." Zum Beispiel mal das Offensivspiel. Das stockt nämlich. So soll Saudi-Arabien gewissermaßen das Starthilfekabel für den deutschen Tormotor werden. Denn seit dem 5:1-Qualifikationssieg gegen Aserbaidschan im vergangenen Oktober traf die Löw-Elf in fünf Spielen nur viermal. In den fünf Begegnungen davor hatte das Team noch 17 Tore erzielt (3,4 pro Spiel).

Wie ist die deutsche Mannschaft drauf?

Schon damals dabei: Der heutige DFB-Auszubildende Miroslav Klose.

Schon damals dabei: Der heutige DFB-Auszubildende Miroslav Klose.

(Foto: imago/Sven Simon)

Nunja, das 7:1 und 2:0 in den internen Tests gegen die U20 mal ausgeklammert, hat die Löw-Elf seit fünf Spielen nicht gewonnen: 0:0 gegen England, 2:2 gegen Frankreich, 1:1 gegen Spanien, 0:1 gegen Brasilien und zuletzt das 1:2 gegen Österreich. Und das hatte Löw ungewohnt sauer gemacht. Der Bundestrainer benannte die größten Defizite nach dem Test in Klagenfurt: "Wir haben taktische Probleme aufgezeigt bekommen, in der Organisation, im Spiel nach vorne, in der Raumaufteilung, im Positionsspiel." Das klingt verheerend. Allerdings ist es auch so: Fast nie konnte Löw in den vergangenen Spielen seine vermeintliche Top-Elf aufbieten. Anders als heute Abend gegen die Araber. Dort wird nur Mesut Özil fehlen. Der hat neben Rücken seit dem Österreich-Spiel auch Knie. Einsatz ausgeschlossen. Pfiffe auch. Denn die hätte der Arsenal-Spielmacher wegen seiner noch nicht ausgestandenen Foto-Affäre mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayip Erdogan mutmaßlich garantiert bekommen. Die erwarten jetzt nur noch Ilkay Gündogan, der sich - im Gegensatz zu Özil - der Öffentlichkeit erklärte.

Bleibt also die Frage, was in Leverkusen bis etwa 21.20 Uhr passieren muss, um die negative Begleitmusik in eine euphorische WM-Hymne zu transformieren. Ein Torfestival, ja klar. Ein paar gute Szenen von Manuel Neuer, gerne. Eine krachende Heldengrätsche von Jérôme Boateng, unbedingt. Ein verletzungsfreies Spiel von Marco Reus, zwingend. Und dann braucht's ein Schlüsselerlebnis für den Zusammenhalt. Denn den Geist des "Campo Bahia", Keimzelle des WM-Triumphs in Brasilien, haben die deutschen Nationalspieler noch nicht entwickelt. "Qualitativ sind wir mit der Mannschaft von 2014 auf Augenhöhe", sagt Toni Kroos. "Wichtig wird sein, auf dem Platz und außerhalb das Gefühl zu entwickeln: Wir sind eine Einheit." Abwehr-Kollege Mats Hummels ergänzt gegenüber der "WAZ": "Die Moral müssen wir noch entwickeln." Die Begeisterung für den letzten defensiven Meter sei wichtig, "die fehlt uns noch ein bisschen."

Wie ist Saudi-Arabien so drauf?

Im letzten Testspiel kassierte das Team am vergangenen Sonntag gegen Peru eine 0:3-Pleite. Das klingt gegen den 11. der Weltrangliste, bei dem sich Kapitän Paolo Guerrero nach umstrittener Dopingsperre mit einem Doppelpack zurückmeldete, nicht dramatisch. Spannender ist ohnehin das Projekt, das die Araber perspektivisch verfolgen. Sie bemühen sich vehement um internationale Expertise. So wird die Mannschaft mittlerweile von Juan Antonio Pizzi gecoacht, der Chile 2016 zum Copa-America-Titel und ein Jahr darauf ins Confed-Cup-Finale gegen Deutschland führte (0:1). Die Ausbildung der Torhüter übernimmt derweil Oliver Kahn. In Saudi-Arabien wurde bereits eine Akademie mit dem Namen der Keeper-Legende gegründet. Zwar gilt die Zusammenarbeit offiziell nur bis zum Ende der WM, der Titan hat der "Bild"-Zeitung aber verraten, dass das Projekt eigentlich auf fünf bis acht Jahre angelegt ist. Es soll damit dringend nachhaltiger werden als der Versuch, den Stars des Landes in der Primera Division Spielpraxis auf Top-Niveau zu verschaffen. Drei Spieler waren leihweise nach Spanien geschickt worden - erfolglos. Salem Al-Dawsari durfte sich bei Villarreal lediglich im letzten Saisonspiel für 30 Minuten beweisen. Der in der Heimat als "arabischer Messi" gehypte Fahad Al-Muwallad kam in zwei Einsätzen für UD Levante gerade einmal auf 25 Minuten und Yahya Al-Sheri blieb bei CD Leganes komplett außen vor.

War sonst noch was?

Ja, ein kollektiver Internet-Wutanfall erster Güte. Was war passiert? Eine deutsche Privatbrauerei hatte im Vorfeld der WM die Flaggen aller Teilnehmer auf ihre Kronkorken gedruckt. Auch Saudi-Arabien war dabei, was allerdings bei vielen gläubigen Muslimen nicht gut ankam. Schließlich zeigt die Nationalflagge das Glaubensbekenntnis des Islam. Und weil da nun einmal Alkoholverbot gilt, wäre die grün-weiße Flagge dann doch besser auf der promillefreien Version des Kaltgetränks gelandet. Die Brauerei entschuldigte sich, wollte die Produktion aus Vorfreude auf das bevorstehende Event jedoch fortsetzen. Bis es dann hieß: "Auf Anraten der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei und des zuständigen Staatsschutzes" wolle man weiteren Beleidigungen und Pöbeleien in den Sozialen Netzwerken vorbeugen. Die Produktion mit den Länderkronkorken wurde inzwischen eingestellt.

Quelle: ntv.de

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