Corona- und Betrugsangst Wer gefährdet hier eigentlich Olympia?

Empfang in Peking.

Empfang in Peking.

(Foto: imago images/UPI Photo)

Bevor die Olympioniken um Plätze und Medaillen wetteifern können, steht die Sorge im Mittelpunkt. Die vor einem positiven Corona-Test mit Überführung ins Quarantänehotel. Aber auch die vor Betrug ist real. Der sportliche Wert der Winterspiele in Peking ist überschattet.

Empfangen im All? Im Sperrgebiet der Seuchen-Insel Riems? In einem Apokalypse-Film? Mitnichten. Bilder zeigen einfach nur deutsche Sportlerinnen und Sportler bei ihrer Ankunft in Peking. Sie stehen auf dem Rollfeld des Flughafens, posieren in Teamkleidung mit dem bis zur Unkenntlichkeit vermummten Empfangskomitee der Olympischen Winterspiele. Den Leuten, die dafür sorgen, dass das Coronavirus der Stadt und dem Event nichts anhaben soll.

"In Pandemiezeiten sieht auch der Olympic Spirit ein wenig anders aus", heißt es zu einem solchen Foto auf der Instagram-Seite des Teams Deutschland. Trotzdem sei es schön, herzlich empfangen worden zu sein. Das "herzlich" ist auf dem Foto übrigens an den allseits erhobenen Daumen zu erkennen, Lächeln ist aufgrund der Masken schwierig, selbst die Augen der chinesischen Helfer stecken hinter einem Visier.

Nicht immer geht es "herzlich" weiter. Die deutsche Delegation am Sonntag hat Glück - alle Tests sind Corona-negativ, sie dürfen gesammelt weiterziehen. Anders ging es seit dem 23. Januar mittlerweile 176 Personen. Allein am Sonntag wurden 28 für die Olympischen Winterspiele Einreisende positiv getestet, zudem neun Personen, die sich bereits im geschlossenen Olympia-System befinden. Wer sich mit dem Virus angesteckt hat, muss sich in einem eigens vorbereiteten Hotel isolieren, erst nach zwei negativen PCR-Tests dürfen die Betroffenen dieses vor dem Ablauf der zehntägigen Isolation wieder verlassen.

Sportschau-Reporter Claus Lufen hat eine derartige Behandlung erwischt. Der ARD-Journalist wurde bei seiner Einreise positiv getestet und sitzt jetzt in einem 15-Quadratmeter-Zimmer fest. Er berichtet davon, wie ihn "drei vermummte Gestalten" mit einem Krankenwagen vor seinem Hotel abholten, er mit seinem gesamten Gepäck einsteigen musste, bevor das Fahrzeug von außen desinfiziert wurde und 20 Minuten in die Ungewissheit abfuhr. Auch die Vorsitzende der IOC-Athletenkommission, die finnische Eishockeyspielerin Emma Terho, ist im Quarantänehotel einquartiert worden.

"Es grenzt an Paranoia"

Trotz massiver Maßnahmen, die alle für die Einreisenden gelten. Jeder muss mindestens zwei negative PCR-Tests innerhalb von vier Tagen vor der Einreise nachweisen. Die strengen Regeln sorgen für so manches getrenntes Schlafzimmer in Deutschland. Obwohl die deutschen Skispringer zuletzt zwei Weltcups in Titisee-Neustadt und Willingen hatten, erzählte etwa Karl Geiger, dass er getrennt von seiner Frau und seiner Tochter geschlafen hat. Die Biathletinnen und Biathleten verbrachten die vergangene Woche gleich fernab ihrer Familien im gemeinsamen Camp in Antholz. Bob-Bundestrainer René Spies berichtete dem "Spiegel", dass er sich ins Gästezimmer seines eigenen Hauses ausquartiert hatte, mit seiner Familie nur Kontakt mit Maske und mit vorherigem Schnelltest hatte. "Es grenzt an Paranoia", so sein Urteil.

Entscheidend bei der Beurteilung, ob man positiv oder negativ ist, ist der Ct-Wert. Er gibt an, wie ansteckend man ist. Je höher der Wert, desto niedriger die Infektiosität. Während in Deutschland ein Ct-Wert von über 30 als ausreichend für ein negatives Ergebnis ist, gilt man mit diesem Wert in China als Corona-Patient. Nach weltweiter Kritik haben die Olympia-Organisatoren den Grenzwert mittlerweile immerhin von 40 auf 35 gesenkt. Am Flughafen in Peking entscheiden sich Karrierewege.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet mit der Ankunft des Teams Deutschland davon, dass selbst das Flughafen-Personal, das das Gepäck auslädt, komplett in Schutzanzüge gekleidet ist. Selbst der Mann, der den Gepäckwagen fährt, ist in seiner Fahrerkabine mithilfe einer Plastikverkleidung von der Fracht abgeschirmt. Die Maßnahmen kommen nicht von ungefähr, die chinesischen Staatsmedien berichten von Leuten, die sich - so heißt es - beim Entladen von ausländischem Gepäck am Flughafen infiziert haben. Es ist deutlich: Die Gefahr für China kommt aus dem Ausland. Von den Olympioniken, von Betreuern, von Medienleuten, sie gefährden die chinesische "Null-Covid-Strategie".

"Vergleich zwischen Doping- und Corona-Tests ist absolut statthaft"

Doch am Flughafen ist längst nicht Schluss. Der Karriereweg kann auch später noch steinig werden. Täglich müssen alle Personen in der Olympia-Blase PCR-Tests absolvieren. Und selbst wer negativ getestet ist, könnte nach einer positiven Probe eines Zimmernachbarn in Quarantäne geraten. Da kann es mit dem eigenen Wettkampf ganz schnell zu Ende sein. Einige äußern öffentlich ihre Sorge vor Willkür.

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Etwa der deutsche Alpindirektor Wolfgang Maier: "Mit einem PCR-Test kann ich sofort jeden sportlichen Gegner aus dem Rennen nehmen. Es braucht mir keiner sagen, dass das jetzt ein Hirngespinst von mir ist, weil man weiß, um was es geht." Der Präsident des deutschen Snowboard-Verbands, Hanns Michael Hölz, pflichtet ihm im "Spiegel" bei: "Der Vergleich zwischen Doping- und Corona-Tests ist absolut statthaft." Es wäre nicht der erste Versuch einer Manipulation, 2014 in Sotschi soll Russland belastete Dopingproben eigener Athleten ausgetauscht haben. Der Skandal wurde durch den früheren Leiter des Anti-Doping-Labors Grigori Rodtschenkow aufgedeckt.

Am Freitag werden die Olympischen Winterspiele offiziell eröffnet, bereits am Mittwoch starten Curling und Rennrodeln in die Wettbewerbe. Wer jetzt noch positiv getestet wird, muss zusehen. Das deutsche Rodel-Team gehört zur am Sonntag negativ getesteten Delegation. Die Laune lassen sich Felix Loch, Natalie Geisenberger und Co. nicht verderben. Der dreimalige Olympiasieger postete bei Instagram Fotos von einem Besuch bei einer Fastfood-Kette, seinem "Place to be". Die Mitarbeiterin dort trägt keinen Schutzanzug, nur Handschuhe, Visier und Maske - und "herzlich" wird es dort auch noch. Sie posiert mit über dem Kopf erhobenen Armen, die ein Herz zeigen.

Quelle: ntv.de

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