Technik

Neutralität des Netzes Im Internet sind alle gleich - wirklich?

In Zeiten billiger Internet-Flatrates mit immer größeren Bandbreiten haben Unternehmen eine blendende Idee: Wenn Verbraucher mehr Datenverkehr verursachen, sollen sie auch mehr zahlen. Politiker und Netzaktivisten stellen sich dagegen. Sie wollen die so genannte Netzneutralität beibehalten.

(Foto: REUTERS)

Das Internet ist dezentral, es kontrolliert nicht, es unterscheidet Daten nicht voneinander. Alles wird in sogenannte Pakete aufgeteilt, Stück für Stück verschickt und am Zielpunkt wieder zusammengesetzt. Kommt es zum Stau, stellen sich alle brav an und warten darauf, dass sie an die Reihe kommen. Die Infrastruktur des Netzes ist neutral, sie wertet nicht abhängig vom Inhalt der Pakete. Ob Youtube-Video, Blog oder E-Mail – alle werden gleich behandelt.

In Deutschland nutzen etwa 80 Prozent der Bevölkerung das Internet. Einen großen Zuwachs auf nationaler Ebene wird es von dieser Seite also kaum geben. Das Problem ist die permanent wachsende Datenmenge. Immer mehr Inhalte drängeln sich durch die Backbones, die großen Hauptleitungen des weltweiten Netzes. Der Verkehr wird immer dichter, weil Filme, Musik und Telefon übers Internet über die Datenautobahn schießen.

Das Problem

An den Auffahrten stehen schon Lastwagenkolonnen der "Next Generation Networks" (NGN), mit unterschiedlicher Ladung wie Fernsehen oder neue Video-on-Demand. Um Stau zu vermeiden, müssen die Leitungen einen gewissen Spielraum an Kapazität haben. Die Meinungen über die Zukunftsfähigkeit gehen auseinander: Manche Experten sagen, die momentane Infrastruktur reiche noch lange aus, andere sind vom Gegenteil überzeugt.

Andere Übertragung, andere Prinzipien: Google klammert mobiles Internet aus seinen Forderungen nach Netzneutralität aus.

Andere Übertragung, andere Prinzipien: Google klammert mobiles Internet aus seinen Forderungen nach Netzneutralität aus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Neben dem verkabelten Internetzugang ist der Mobilfunk ein Fall für sich. "3 Prozent der User verursachen 50 Prozent des Datenvolumens", hieß es vor kurzem bei der Telekom. So verbraucht etwa ein Video ungefähr so viel Kapazität wie 500.000 SMS. Während das Internet über Kabel verschiedene Technologien mit unterschiedlichen Tarifen daherkommen, gibt es im Mobilfunk häufig nur eine Drosselung ab einem bestimmten Datenvolumen.

Unternehmen wollen eine Priorisierung der Pakete erreichen. Wer für mehr Verkehr sorgt, soll auch mehr zahlen. Technisch wäre das theoretisch möglich: Mit so genannter "Deep Packet Inspection" können Netzbetreiber Herkunft und Inhalt der Datenpakete erkennen. Ebenfalls möglich wäre so, dass Inhalte künstlich ausgebremst werden – wenn etwa ein Video-Blogger keinen Aufpreis zahlt, müssen Besucher seiner Seite sich auf lange Ladezeiten einstellen.

Die Akteure

Die Richtlinie der EU-Kommission vom Dezember 2009 empfiehlt, dass die nationalen Regierungen die Neutralität der Netze per Gesetz festschreiben sollen. Bis Ende dieses Jahres wollen die Kommissare zudem die "Auswirkungen der Entwicklung des Markts und der Technik auf die 'Netzfreiheiten' beobachten" – und eventuell neue Leitlinien vorschlagen. In Deutschland bekennt sich auch die schwarz-gelbe Regierung zur Neutralität, zumindest im Koalitionsvertrag. Auch die vom Bundestag gebildete Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" befasst sich mit dem Thema.

In der Wirtschaft wollen manche Unternehmen das Prinzip der Gleichbehandlung unterlaufen. So plant Google offenbar eine Aufteilung des Netzes: Das "alte", verkabelte soll wie gehabt alle Daten neutral behandeln, das "neue", mobile nicht. Im drahtlosen Online-Bereich sind die Innovationszyklen kürzer – und damit höhere Summen im Spiel. Außerdem wittert Google wegen seines Android-Betriebssystems für Mobiltelefone Profit. Dass das Unternehmen im normalen Netz alles wie gehabt lassen will, hat auch mit der eigenen Marktposition zu tun: 6 Prozent des gesamten Datenvolumens im Internet wird vom Marktführer verursacht, Tendenz steigend.

Welche Last verträgt die Datenautobahn?

Welche Last verträgt die Datenautobahn?

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Telekom denkt ihrerseits darüber nach, im regulären Internet für bestimmte Dienste mehr Geld zu verlangen. Der Zugang zu regulären Seiten soll nach Aussage des Pressesprechers Mark Nierwetberg als "Basis" jedoch unangetastet bleiben. Die Argumentation: Die Investitionen zum Ausbau der Netze amortisiere sich nur bei einem Preismodell, das etwa Videos oder andere Inhalte teurer machen würde. Ansonsten müssten alle Endkunden draufzahlen. Dass die Telekom auch bei Website-Betreibern und Firmen die Hand aufhält, wäre der nächste logische Schritt.

Gegen die Unternehmenspläne laufen Netzaktivisten Sturm. Sie sehen die Freiheit des Internets in Gefahr und fürchten eine Klassengesellschaft: Nur wer mehr zahlt, hat schnellen Zugriff, Inhalte bestimmter Anbieter werden bevorzugt behandelt. Glaubt man der Telekom, kommen Gebührenerhöhungen für Endkunden so oder so – entweder moderate für alle, oder gestaffelte für manche, die auf bestimmte Inhalte schneller als andere zugreifen wollen.

Die Lösungsansätze

Die Netzbetreiber geben klare Signale: Wir wollen am Internet mehr verdienen. Steigt das Datenvolumen weiter, gibt es zwei Alternativen: Ein nur an der Menge orientierter Ausbau des Netzes, oder künstliche Beschränkung des Verkehrs über den Preis. Die wirtschaftlichen Auswirkungen für andere Unternehmen sind kaum absehbar.

Die Parteien in Deutschland stellen dagegen auch die Frage nach der gesellschaftlichen Relevanz – und ob eine Priorisierung verschiedener Inhalte nötig ist, um ihr gerecht zu werden. So legt die Zahl der Internetnutzer nahe, dass das weltweite Netz in Deutschland schon bald zur Grundversorgung gehören könnte.

Quelle: ntv.de

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