Monster, Magier, Megawumme Und täglich kämpft der Pixelheld
15.08.2014, 06:19 Uhr
"Evolve" sorgt für Begeisterung.
(Foto: 2K Games)
Bei der Gamescom zeigt sich eine Wende: weniger Masse, mehr Klasse, und das wörtlich. Jeder Spieler bekommt ein Gesicht, statt größtenteils anonym zu agieren. Ergebnis: kurzweiliges Vergnügen statt zeitintensive Wildschweinjagd.
Es ist die Identifikation. Oder die Verkörperung dessen, welche Rolle sich ein Spieler zutraut. Will er jemand sein, der seine Mitstreiter unterstützt? Derjenige, sich der vermeintlichen Übermacht entgegen wirft? Oder doch ein Einzelgänger, auf sich allein gestellt und von allen anderen gejagt? Diese Entscheidung müssen Spieler bei "Evolve" treffen, einem neuen Spiel von Turtle Rock Entertainment. Vier Akteure mit unterschiedlichen Waffen und Spezialisierungen hetzen einem menschgesteuerten Monster in Ego-Perspektive hinterher. Das dagegen muss Zeit gewinnen, Tiere fressen, so seine Fähigkeiten verbessern und die anderen besiegen.
Auf der Gamescom sind viele begeistert von "Evolve". Es bestätigt erneut einen Trend, der sich immer weiter verstärkt: Die Spieler wollen Helden sein, jemand mit einem Gesicht, mit Möglich- und Fähigkeiten, die in der Realität unerreichbar sind. Zudem sinkt die Toleranzschwelle für die Dauer einer Partie. Lange waren es vor allem Online-Rollenspiele wie World of Warcraft, kurz Wow, die Spielermassen anlockten, doch die goldenen Zeiten sind womöglich vorbei. Erstmals seit acht Jahren ist die Anzahl der Wow-Spieler unter die Sieben-Millionen-Grenze gerutscht, allein im vergangenen Quartal verlor das MMORPG 800.000 Nutzerkonten. Die Wartezeit auf das neue Erweiterungspack "Warlords of Draenor" hilft da bestimmt nicht.
Sumpfhexenjagd in einer Viertelstunde
Der Trend der kurzweiligen Spiele, zusätzlich zu Welten, zu denen Spieler sich mit Monatsgebühren Zugang verschaffen, könnte auch mit dem Zeitaufwand zu tun haben, der insbesondere für Ältere häufig zu hoch ist. "Sie haben Kinder, einen Job, andere Verpflichtungen", sagt David Bowman, der Produzent von "Hunt", im Gespräch mit n-tv.de. Der neue Titel des deutschen Publishers Crytek macht es ähnlich wie "Evolve" und setzt auf Missionen von etwa 15 Minuten, die vier Spieler gemeinsam bestreiten. Dabei müssen sie etwa im Louisiana der 1880er-Jahre eine Sumpfhexe zu Strecke bringen.
Die Motivation, nach stundenlanger Wildschweinjagd ein paar Pünktchen für bisweilen magere Verbesserungen der Fähigkeiten zu erlangen, schwindet. "Bis zu 20 Minuten funktioniert irgendwie am besten. Es fühlt sich richtig an", so Bowman. Andere Entwickler erkannten zwar das Problem der Online-Rollenspiele und senkten die Einstiegsschwellen ab. Zudem gibt es in MMORPGs kurzweilige Instanzen, also Abenteuer, die nur dann gestartet werden, wenn eine bestimmte Anzahl Helden sich dafür angemeldet haben. Und diese bleiben meist unter der magischen 20-Minuten-Grenze. "Evolve", "Hunt" und auch das in Köln neu angekündigte "Shadow Realms" lösen diesen Baustein nun aus dem Rollenspielumfeld heraus.
Ein Einzelgänger in "Shadow Realms" übernimmt den mächtigen "Shadow Lord", den vier andere mit vereinten Fähigkeiten überwinden müssen. Das Jäger-Quartett ist dabei wie aus einem klassischen Rollenspiel entsprungen. Der Titel kommt aus dem Hause Bioware, das in den 1990er-Jahren ursprünglich mit seinen konsequenten Umsetzungen der Pen-and-Paper-Rollenspielwelten von Advanced Dungeons & Dragons bekannt wurde.
Kooperation erzwingen
Gleich ist bei allen bislang erwähnten Titeln: Abhängigkeiten der verschiedenen Heldentypen machen ihre Zusammenarbeit unverzichtbar. Sogar "Die Siedler"-Serie, in der Vergangenheit eine der erfolgreichsten Computerspielproduktionen aus Deutschland, bekommt in seinem neuesten Ableger "Die Königreiche von Anteria" einen Abenteuer-Modus verpasst. Der Entwickler Blue Byte mischt dabei die hierzulande populäre Aufbaustrategie mit Rollenspielinstanzen. Statt nur anonym aus der Vogelperspektive die Wirtschaft seines Einflussbereichs zu lenken, treten für ein paar Minuten bis zu vier Spieler mit einem gemeinsamen Ziel an.
Auch andere Entwickler gehen mit ihren steuerbaren Charakteren auf die Spieler zu. Die Macher von "Call of Duty: Advanced Warfare" etwa, des kommenden Teils einer der bestverkauften Videospielserien überhaupt, rühmen sich auf der Gamescom, wie nie zuvor die Kampagne auf einen Helden zugeschnitten zu haben. Chefentwickler Glen Schofield sagt, man habe insgesamt zweieinhalb Jahre für die Ausarbeitung der Handlung gebraucht. Mit von der Partie ist auch Schauspieler Kevin Spacey.
Bei Hauptkonkurrent "Battlefield Hardline" sieht es ähnlich aus: Statt wie in vorherigen Teilen als mehr oder weniger anonymes Mitglied einer Militäreinheit nur Aufträge zu erfüllen, konzentrieren sich die Missionen des kommenden Titels auf einzelne Charaktere. Der Spieler bekommt zudem mehr Entscheidungsfreiheit, wie er seine Ziele erreicht. Also auch hier, bei "Call of Duty" und "Battlefield", diesem Doppelherz der Megawummen, soll der Spieler sich mehr mit seiner Figur identifizieren können. Und damit irgendwie auch selbst ein Held sein.
Quelle: ntv.de