Gläubiger berechnen schwarze Löcher Athen braucht noch 74 Milliarden Euro
11.07.2015, 12:53 Uhr
Die Milliarden-Euro-Frage: Wie viel Geld braucht Athen noch, um in den nächsten Jahren flüssig zu bleiben?
(Foto: REUTERS)
Wie nah sind Griechenland und die Gläubiger einer Einigung? Während die einen weißen Rauch aufsteigen sehen, wettern die anderen gegen die Athener Vorschläge. Hinter den Kulissen wird gerechnet. Was dabei herauskommt, ist nicht erfreulich.
Die drei großen Geldgeber-Institutionen schätzen, dass Griechenland noch einmal frische Geldmittel in Höhe von 74 Milliarden Euro benötigt. Das ergeben Berechnungen der Europäische Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Für den Fall, dass sich der IWF an dem Paket beteiligt, würde eine Summe von 16 Milliarden Euro auf den Fonds entfallen. Eine Quelle berichtet, dass Griechenland einen Teil der Mittel auch am Kapitalmarkt aufnehmen könnte.
Athen hatte nach monatelanger Hängepartie ein Spar- und Reformpaket vorgelegt und beim europäischen Rettungsfonds ESM ein drittes Hilfspaket mit drei Jahren Laufzeit beantragt. Nach griechischen Medienberichten hofft die Regierung im Gegenzug zu ihren Sparvorhaben auf wenigstens 53,3 Milliarden Euro.
EU, IWF und EZB haben die Vorschläge Athens geprüft und ihre Einschätzung am Morgen an die Eurogruppe geschickt. Diese will am frühen Nachmittag darüber beraten. Insidern zufolge könnte die griechische Sparliste "unter bestimmten Bedingungen" die Basis für weitere Gespräche mit Athen sein.
EU-Diplomat: Athen hat sich "angenähert"
Laut EU-Diplomaten hat sich Athen mit den jüngsten Reformvorschlägen in entscheidenden Punkten den Vorgaben der Geldgeber von Ende Juni angenähert. Bei den Privatisierungen zum Beispiel gebe es keine Unterschiede mehr, sagte ein Diplomat in Brüssel.
Bei der Mehrwertsteuerreform hat Griechenland nach der offiziellen Einschätzung von EU, IWF und EZB dagegen noch Nachholbedarf. Hier fehlten noch ein genauer Zeitplan für die Abschaffung der Steuerermäßigungen für die meisten Inseln, damit die finanziellen Auswirkungen berechnet werden könnten, sagte ein Diplomat in Brüssel. In der Analyse von EU, IWF und EZB heiße es: "Wir brauchen ein klares gemeinsames Verständnis über Inhalt und zeitliche Planung der eingegangenen Verpflichtungen, um eine klare Grundlage zu haben, auf der ein ESM-Programm vereinbart werden kann." Dabei gehe es um die Bereiche Pensionen, Arbeitsmarkt, Energiemarkt und Produktmärkte.
Darüber hinaus fordern die Institutionen den Angaben des EU-Insiders zufolge, dass vordringliche Maßnahmen rasch in Gesetzesform angenommen werden, um Glaubwürdigkeit aufzubauen. Alle Gesetzentwürfe müssten eng mit den Institutionen abgestimmt werden, bevor sie ins Parlament gingen.
Schäuble will sich zur neuen Sparliste äußern
Die Euro-Finanzminister werden sich um 15 Uhr in Brüssel zu einer Krisensitzung treffen, um über neue Hilfen und ein Reformpaket für Griechenland zu beraten. Unmittelbar davor will sich Finanzminister Wolfgang Schäuble erstmals zu den neuen Sparvorschlägen aus Griechenland äußern. Der Minister werde bei seinem Eintreffen eine Einschätzung der Lage geben, heißt es in Berlin. Das Ergebnis der Diskussion im Kreis der Euro-Finanzminister sei völlig offen. Die Debatte in der Ministerrunde sei wichtig, Schäuble werde dieser Diskussion nicht vorgreifen.
Zu einem Bericht der "Bild"-Zeitung, nach dem Schäuble die Athener Pläne für nicht ausreichend halte und gegen weitere Gespräche sei, Kanzlerin Angela Merkel aber neuen Verhandlungen zustimmen wolle, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Schäuble stimme sich permanent mit der Kanzlerin ab. Man könne nicht von Differenzen sprechen.
Die Tatsache, dass Schäuble Merkel an diesem Sonntag zu den Sondergipfeln der Eurostaaten und der EU-Länder begleiten werde, zeige, dass beide das Thema zusammen betreuten.
Quelle: ntv.de, ddi/DJ/dpa