Gehen Zinsen runter, oder nicht? Bank of England bleibt eine Wundertüte
18.07.2016, 13:15 UhrAuf ihrer jüngsten Sitzung hat die britische Notenbank nach dem Brexit-Votum überraschend von einer Zinssenkung abgesehen. Schenkt man einem Notenbanker Glauben, könnte das auch in der August-Sitzung passieren.
Die Bank von England (BoE) sollte aus Sicht eines ihrer hochrangigen Vertreter auch nach dem Brexit-Votum eine Zinssenkung nicht überstürzen. Er sei sich nicht sicher, ob er einen Zinsschritt auf der Sitzung im nächsten Monat unterstützen werde, sagte BoE-Mitglied Martin Weale.
Die meisten seiner Kollegen halten einen solchen Schritt hingegen für wahrscheinlich. Manche Volkswirte befürchten, dass nach der Entscheidung der Briten für einen EU-Ausstieg die Wirtschaft der Insel in den kommenden Quartalen in eine Rezession abgleiten könnte. Die nächste Zinssitzung der britischen Notenbank ist für den 4. August anberaumt. Die Aussagen des Notenbankers gaben dem britischen Pfund am Devisenmarkt Auftrieb.
Im Gegensatz zur Finanzkrise 2008 könne er "keine Panikreaktionen bei Verbrauchern und Unternehmen ausmachen", sagte Weale. Dem Argument, dass schnelles Handeln erforderlich sei, gebe er wenig Gewicht. Die Notenbank sollte auch nicht davor zurückschrecken, Börsen zu enttäuschen. Für Weale wird die August-Sitzung die letzte sein. Nach dem Treffen scheidet er aus der BoE aus.
Großbritanniens Notenbank hatte auf ihrer Sitzung vergangene Woche zur Überraschung vieler Beobachter die Leitzinsen, die aktuell bei 0,5 Prozent liegen, nicht gesenkt. Auch ihr Anleihen-Kaufprogramm in Höhe von 375 Milliarden Pfund - umgerechnet fast 450 Milliarden Euro - tastete die BoE nicht an. Notenbank-Gouverneur Mark Carney hatte nach EU-Austrittsvotum vom 23. Juni eine laxere Geldpolitik im Laufe des Sommers in Aussicht gestellt, ohne sich aber auf entsprechende Zinsschritte im Juli oder August festzulegen.
Zurückfahren der Investitionspläne
Nach Ansicht von Weale ist es nach wie vor unklar, wie stark die Nachfrage in Großbritannien durch den Brexit-Beschluss gedämpft wird. "Diese Unsicherheit verweist auf das Argument, dass wir vor irgendwelchen geldpolitischen Änderungen auf klarere Belege warten sollten."
Die Bank von England prüft Weale zufolge, wie weit die Zinsen überhaupt gesenkt werden können, ohne dass etwa das Anleihenkauf-Programm an Wirkung verliert. Die Schweiz habe zudem mit sehr niedrigen Zinsen die Erfahrung gemacht, dass in der Folge die Hypothekenzinsen gestiegen sind.
Eine neue Erhebung im Vereinigten Königreich kommt unterdessen zu dem Schluss, dass die größten Firmen des Landes aus Unsicherheit über die weitere Wirtschaftsentwicklung ihre Investitionspläne zurückfahren wollen. Nach der Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte erwarten 82 Prozent der befragten Finanzchefs 2017 geringere Ausgaben. Im ersten Quartal lag der Anteil noch bei 34 Prozent.
Quelle: ntv.de, wne/rts