Deutsche Wirtschaft warnt Börsensteuer sorgt für Unmut
26.11.2011, 13:59 UhrGeht es nach der EU-Kommission, dann wird in der Europäischen Union bald eine Börsensteuer geben. Die Bundesregierung gibt sich aufgeschlossen. Die wichtigsten deutschen Wirtschaftsverbände halten das für keine gute Idee.
Die deutsche Wirtschaft macht Front gegen die auch von der Bundesregierung geforderte europaweite Einführung einer Finanztransaktionssteuer. In einer gemeinsamen Erklärung der maßgeblichen Wirtschaftsverbände heißt es, eine solche Steuer würde "negative Auswirkungen auf Unternehmen und Beschäftigte" sowie letztlich Wachstumseinbußen zur Folge haben.
Die Bundesbank befürchtet im Fall eines europäischen Alleingangs bei der Steuer Nachteile für die Staaten, die sie als erste einführen, und dass andere Länder nicht nachziehen. Dagegen befürworten etwa der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Globalisierungskritiker von Attac eine solche Abgabe auf Finanzgeschäfte, mit deren Einnahmen Krisen bekämpft werden könnten.
Die EU-Kommission hatte kürzlich einen Vorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer in Europa vorgelegt. Danach sollen kommerzielle Aktien- und Anleihengeschäfte als Mindestsatz mit 0,1 Prozent und Derivategeschäfte mit 0,01 Prozent besteuert werden. Die EU-Kommission verspricht sich davon Einnahmen von rund 57 Mrd. Euro pro Jahr in der EU, die sie zum Teil auf Kommissionsebene halten will.
Anlass der Stellungnahme der Wirtschaftsverbände ist eine Anhörung zu diesem Thema im Bundestagsfinanzausschuss am kommenden Mittwoch. Die Erklärung ist unterzeichnet vom Industriebverband BDI, dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Arbeitgebervereinigung BDA, dem Handwerksverband ZDH sowie den Handelsverbänden HDE und BGA, dem Bankenverband BdB sowie der Versicherungsorganisation GDV.
Steuer als Wachstumsbremse?
Die Wirtschaftsverbände argumentierten, die Gründe für die Steuer seien "nicht überzeugend". Käme sie, würde das zu Belastungen in der Kreditversorgung führen. Finanzgeschäfte würden in "wenig regulierte Märkte" umgelenkt. Da die Steuer zumindest zum Teil auf die Preise umgelegt würde, seien am Ende die Kunden - Unternehmen wie Bürger - die Leidtragenden. Gerade auch der Bereich Altersvorsorge wäre getroffen.
Selbst die EU-Kommission erwarte auf lange Sicht Wachstumseinbußen von bis zu 1,76 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in Europa. Statistisch würde das geringere Steuereinnahmen in der EU von 80 Mrd. Euro und in Deutschland von 10 Mrd. Euro bedeuten. In einer gesonderten Erklärung von kreditwirtschaftlichen Verbänden heißt es, die Steuer sei wegen Ausweichreaktionen "wenn überhaupt" nur vertretbar, wenn sie global oder zumindest in der gesamten Europäischen Union eingeführt werde.
Hinter eine solche Steuer stellte sich der Deutsche Gewerkschaftsbund. Ihre Einführung würde "eine begrüßenswerte Lenkungswirkung" entfalten, indem sie Spekulationsgeschäfte verteuere, erklärte der DGB. Zudem sorge sie für staatliche Einnahmen, die man zur Bekämpfung der weltweiten Wirtschafts-, Armuts- und Umweltkrise nutzen könne. Die Nicht-Regierungsorganisation Attac, die seit ihrer Gründung eine solche Abgabe fordert, begrüßte Initiativen für ihre Einführung. Sie plädiere angesichts von Widerständen in den USA, aber auch in Großbritannien dafür, sie zumindest in der Euro-Zone voranzubringen, die eine Vorreiterrolle spielen sollte. Andere Staaten würden dem dann vermutlich folgen.
Die Bundesbank verwies darauf, dass es bei Einführung der Steuer nur auf europäischer Ebene oder gar nur im Euro-Raum zur Verlagerung von Geschäften in andere Märkte kommen werde. Zudem würde die Steuer volkswirtschaftliche Kosten verursachen. "Im Falle der Finanztransaktionssteuer ist ... bei einem europäischen Alleingang (insbesondere wenn er ohne das Vereinigte Königreich stattfände) mit einem Nachteil für jene Länder, die zuerst eine solche Steuer einführen, und nicht mit einer Vorreiter-Nachahmer-Reaktion zu rechnen", so die Bundesbank.
Quelle: ntv.de, jga/rts