Verzicht bei Neuabschlüssen Bund will offenbar Garantiezins streichen
07.10.2015, 20:25 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Jahrzehntelang haben Lebensversicherer ihren Sparern einen Mindestzinssatz versprochen. Doch seit der Finanzkrise kann dieser nur unter Mühen erwirtschaftet werden - und sinkt seit Jahren. Nun könnte er ganz wegfallen.
Die Bundesregierung will den Garantiezins für die meisten Lebensversicherer abschaffen. Für alle größeren Versicherer soll der sogenannte Höchstrechnungszins künftig nicht mehr gelten. Das gehe aus einem Referentenentwurf des Bundesfinanzministerium hervor, wie Reuters berichtet. "Für diese Unternehmen wird darauf verzichtet, für das Neugeschäft einen Höchstrechnungszins vorzugeben", heiße es in der Begründung des Entwurfs für etliche Rechtsverordnungen, mit denen das neue Versicherungsaufsichtsgesetz umgesetzt wird. Diese soll 2016 in Kraft treten. Für bestehende Verträge soll alles beim Alten bleiben.
Der Garantiezins von 1,25 Prozent soll im Neugeschäft künftig nur noch für wenige kleine Versicherer gelten, die nicht dem EU-Regelwerk "Solvency II" unterliegen, das vom 1. Januar 2016 an gilt. Alle andere können den Garantiezins beliebig festlegen, so lange sie sich an die "Solvency II"-Anforderungen halten, die den Kapitalbedarf der Lebensversicherer stärker an dem Risiko bemisst, das sie mit ihren Verpflichtungen eingehen. Der offiziell "Höchstrechnungszins" genannte Zinssatz soll die Versicherer eigentlich vor zu großzügigen Zusagen an die Kunden schützen, wird von der Branche aber vor allem als Verkaufsargument genutzt.
Anbieter streichen Garantiezins schon
Lebenslange Garantien, wie sie jahrzehntelang üblich waren, müssen ab 2016 stärker mit Eigenkapital unterlegt werden. "Unter diesem europaweit einheitlichen Aufsichtssystem wird der Höchstrechnungszins für die Zwecke der Aufsicht nicht mehr benötigt", sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Immer mehr Lebensversicherer wenden sich daher von Rentenversicherungen mit langfristigen Garantien ab.
Firmen wie HDI Leben (Talanx), Zurich und Ergo haben angekündigt, das Neugeschäft mit lebenslangen Garantien einzustellen und nur noch Rentenversicherungen zu verkaufen, bei denen die Garantien kürzer laufen oder ganz wegfallen. Auch der unangefochtene Branchenprimus Allianz Leben rechnet angesichts niedriger Zinsen mit einer nachlassenden Nachfrage nach klassischen Policen, weil diese weniger Rendite abwerfen. Ein Drittel aller Verträge im Neugeschäft der Allianz mit Privatkunden werden aber immer noch mit Garantien verkauft obwohl die Vertreter davon abraten. Bis 2018 soll die Quote auf 10 bis 15 Prozent sinken.
GDV pocht auf Erhalt
Der Garantiezins ist der maximale Zinssatz auf das eingezahlte Kapital, den die Versicherer ihren Kunden über die ganze Laufzeit des Vertrages fest versprechen dürfen. Er wurde bisher verbindlich vom Bundesfinanzministerium festgelegt. In den 1990er Jahren hatte er bei bis zu vier Prozent gelegen. Lebensversicherer haben wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt aber zunehmend Probleme, die Rendite zu erwirtschaften, die sie ihren Kunden in der Vergangenheit versprochen haben.
Der Branchenverband GDV pochte auf einen Erhalt des Garantiezinses. Der Höchstsatz sei weiterhin nötig, damit die Lebensversicherer langfristige Produkte auch in Zukunft einheitlich vorsichtig kalkulieren, erklärte ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Das Finanzministerium erklärte, die Lebensversicherer könnten auch nach der Änderung weiterhin Garantieversprechen abgeben. "Die Zusagen beruhen auf den Versicherungsverträgen, nicht auf der Verordnung", sagte die Sprecherin. Theoretisch könnten finanzstarke Lebensversicherer künftig sogar höhere Garantien geben, wenn sie es sich nach "Solvency II" leisten können.
Quelle: ntv.de, jwu/rts