Wirtschaft

Billigmarken treiben Inflation "Cheapflation" trifft die Schwachen

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Unten im Regal, wo die Eigenmarken stehen, sind die Preise doppelt so schnell geklettert wie bei den Markenprodukten weiter oben.

Unten im Regal, wo die Eigenmarken stehen, sind die Preise doppelt so schnell geklettert wie bei den Markenprodukten weiter oben.

(Foto: dpa)

Angesichts der hohen Inflation greifen immer mehr Verbraucher zu günstigen Eigenmarken der Discounter und Supermärkte. Deren Preise sind jedoch fast doppelt so schnell gestiegen wie die der teuren Markenprodukte.

Die Inflation trifft nicht alle Konsumenten gleichermaßen. Ärmere Haushalte wurden von den steigenden Preisen in den vergangenen Jahren besonders gebeutelt, da beispielsweise Lebensmittel einen viel größeren Teil ihrer Ausgaben ausmachen als bei wohlhabenderen Haushalten, und Grundnahrungsmittel gehörten zu den wichtigsten Inflationstreibern. Eine neue Studie von zwei Ökonomen der Universität Harvard und der Bank of Canada weist darüber hinaus einen weiteren Mechanismus nach, der dazu führte, dass einkommensschwächere Konsumenten stärker unter der Inflation leiden und dies aus den offiziellen Preisdaten nicht ablesbar ist: "Cheapflation" nennen die Ökonomen Alberto Cavallo und Oleksiy Kryvtsov das Phänomen, dass günstige Varianten ein und desselben Lebensmittels in den vergangenen Jahren deutlich stärker im Preis stiegen als teure Markenprodukte.

Die Wissenschaftler werteten mehr als zwei Millionen Preisdaten des "Billion Prices Project" von mehr als 90 Einzelhandelsketten in 19 Ländern aus. Zentrales Ergebnis: Im Zeitraum zwischen Januar 2020 und Mai 2024 stiegen die Preise der günstigsten Lebensmittelmarken deutlich schneller als die teurer Marken. Am stärksten war dieser Effekt unter anderem in Deutschland. Während sich hier Lebensmittel insgesamt in diesen gut vier Jahren um 22 Prozent verteuerten, stiegen die Preise teurer Marken um 15 Prozent. Günstige Lebensmittel, also in der Regel die Eigenmarken der Supermärkte und Discounter, verteuerten sich dagegen um 29 Prozent, also fast doppelt so stark.

Im Zuge der historisch hohen Inflation in den vergangenen Jahren erlebten die sogenannten Handelsmarken der Einzelhändler einen Boom. Verbraucher versuchten angesichts stark steigender Preise von vielen Grundnahrungsmitteln wie Milchprodukten, Mehl, Zucker oder Öl vermehrt, Markenprodukte durch günstige Alternativen zu ersetzen. Einzelhändler verstärkten diesen Trend teilweise durch öffentlichkeitswirksame Auseinandersetzungen mit Markenherstellern. In einigen Fällen warfen Supermärkte auch beliebte Markenprodukte aus dem Sortiment, weil sie von den Herstellern geforderte Preiserhöhungen nicht an die Kunden weitergeben wollten.

Kein "Puffer" bei günstigen Marken

Zugleich reduzierten die Handelskonzerne jedoch den Abstand zwischen den Preisen der Markenprodukte und denen ihrer eigenen "Billig-Marken". Damit, so konstatieren Cavallo und Kryvtsov, verringerte sich die Möglichkeit der Konsumenten, ihre Inflationsbelastung durch das Ausweichen auf günstigere Produktvarianten zu senken. Vor allem aber zeigt die Untersuchung, dass diejenigen Verbraucher, die bereits preisbewusst einkauften und teure Markenprodukte vermieden, noch stärker von der Inflation betroffen sind, als bisher aus den offiziellen Statistiken erkennbar war. Diese unterscheiden bei den Verbraucherpreisen innerhalb einzelner Produktkategorien nicht zwischen verschiedenen Preissegmenten.

Die Ökonomen führen mehrere mögliche Ursachen für die überproportional verteuerten Günstig-Produkte an. Zum einen könnte dahinter eine Reaktion der Händler auf die gestiegene Nachfrage nach diesen Eigenmarken stecken. Zum anderen dürften aber auch die Herstellungskosten solcher Produkte stärker gestiegen sein als diejenigen teurer Marken. Denn die Preise für Energie- und Rohstoffe machten bei günstigen Handelsmarken oft einen größeren Anteil an den Gesamtkosten aus. Außerdem ist die Gewinnmarge für die Handelskonzerne bei diesen Billigmarken in der Regel geringer als bei teuren Marken. Die Händler hätten also weniger "Puffer" in den Preisen, und müssten steigende Kosten schneller an ihre Kunden weitergeben.

Quelle: ntv.de

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