Ansteckung über die Autobauer? China-Risiko gefährdet Deutschland
21.08.2015, 11:14 Uhr
China braucht stabiles Wachstum: Was passiert, wenn Peking die Kontrolle verliert?
(Foto: REUTERS)
Die Hinweise auf einem Konjunktureinbruch nehmen besorgniserregende Ausmaße an: In der chinesischen Industrie treten die Einkaufsmanager auf die Bremse, die Börsen reagieren deutlich. Konsumforscher fürchten Auswirkungen auf Deutschland.
Wie stark wird der Abschwung in China ausfallen? Im August haben sich die Geschäftsaussichten der chinesischen Industrie so stark eingetrübt wie seit sechseinhalb Jahren nicht mehr. Der vorläufige Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex fiel um 0,7 auf 47,1 Punkte.
Damit bewegt sich der weltweit beachtete Indikator, der auf einer Befragung chinesischer Unternehmer beruht, den sechsten Monat in Folge unterhalb der entscheidenden Schwelle von 50 Zählern - und deutet damit seit einem halben Jahr auf eine Abkühlung hin. Im Vorfeld befragte Experten hatten mit Blick auf den August-Stand mit einem Wert von 47,7 Punkten gerechnet.
Die Entwicklung könnte das Vertrauen in die Macht der Wirtschaftslenker in Peking erschüttern. "Die Regierung hat eine Belebung in der zweiten Jahreshälfte erwartet, doch es sieht nach dem Gegenteil aus", kommentierte Volkswirt Chester Liaw vom Analysehaus Forecast Pte in Singapur. "Die Konjunktur dürfte sich weiter abschwächen."
Das Problem: Die Unternehmen produzierten zuletzt so wenig wie seit vier Jahren nicht mehr, während die Bestellungen sowohl aus dem In- als auch aus dem Ausland schrumpften. Die Industrie baute deshalb Stellen ab. Viele wichtige Absatzmärkte des Exportweltmeisters schwächeln, darunter große Schwellenländer.
Ansteckungsrisiko Autobau
Die Konjunkturabkühlung in China könnte schnell auch auf die deutsche Wirtschaft übergreifen: Insbesondere die schlechter laufenden Geschäfte deutscher Autobauer im chinesischen Absatzmarkt stellen nach Einschätzung von Konsumforschern ein Risiko für das Konsumklima in Deutschland dar. Sollte die Entwicklung anhalten, könnten dadurch Arbeitsplätze bei deutschen Autoherstellern und Autozuliefern bedroht sein, sagte Rolf Bürkl von der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).
Probleme in der Autobranche könnten auch bei Beschäftigten in anderen Branchen Jobängste auslösen. "Denn die deutschen Autobauer sind, was den Export angeht, ein Leuchtturmbereich", wie Bürkl betonte. Wer sich erst einmal um seinen Arbeitsplatz sorge, so der Konsumforscher weiter, zögere mit größeren Anschaffungen, was dann auf die Konsumstimmung drücke.
Ganz so euphorisch wie vor einigen Monaten seien deutsche Verbraucher ohnehin nicht mehr. Das zeige sich an der seit März wieder steigenden Sparneigung. Der entsprechende Wert war noch im Februar auf ein Allzeittief gerutscht. Seitdem sei die Sparneigung der Deutschen von Monat zu Monat gewachsen. "Darin und dem stagnierenden Konsumklimaindex eine Trendwende zu sehen, halte ich allerdings für verfrüht", unterstrich Bürkl. "Man muss abwarten, ob sich diese Entwicklung verfestigt."
Tatsächlich hat sich die Kauflaune der Deutschen angesichts steigender Konjunkturrisiken eingetrübt. Der GfK-Konsumklimaindex fiel mit dem Stand September 2015 um 0,2 auf 9,9 Punkte, wie die GfK gestützt auf ihre regelmäßige Umfrage unter 2000 Verbrauchern mitteilte. Das ist der schlechteste Wert seit einem halben Jahr. Im Vorfeld befragte Ökonomen hatten mit einem stabilen Wert gerechnet.
Schleichende Korrektur nach unten
"Trotz des Rückganges kann man nicht davon sprechen, dass der Konsum-Motor nun ins Stottern gerät oder sogar abgewürgt würde", schränkt GfK-Experte Bürkl ein. "Nach wie vor ist das Niveau des Indikators hoch." Der private Konsum bleibe in diesem Jahr ein wesentlicher Pfeiler für den Aufschwung.
Die Verbraucher bewerteten die Konjunkturaussichten allerdings den dritten Monat in Folge etwas schlechter. Besonders das abgeschwächte Wachstum in China und anderen großen Schwellenländern hat zuletzt Sorgen aufkommen lassen, dass die exportabhängige deutsche Wirtschaft an Schwung verlieren könnte.
Die Bereitschaft zu größeren Anschaffungen - von Computern bis zu Möbeln - nahm ebenfalls den dritten Monat in Folge ab. Auch die Einkommenserwartungen sanken etwas, nachdem sie im Vormonat noch auf den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung gestiegen waren.
"Die Verbraucher gehen aber weiterhin klar davon aus, dass sich ihre persönliche finanzielle Lage weiter verbessern wird", so Bürkl. "Eine sehr robuste Beschäftigungslage, die zudem Raum für ansehnliche Einkommenszuwächse der Arbeitnehmer bietet, ist der wesentliche Grund für diesen Optimismus."
Abwärtsbewegungen an den Börsen
Die schwachen Daten aus China schüren rund um den Erdball die Angst vor einer harten Landung der nach den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. In Tokio schloss der 225 Werte umfassende Nikkei-Index zuletzt knapp 3 Prozent niedriger, der breiter gefasste Topix verlor sogar 3,1 Prozent. In Shanghai gab die Börse zeitweise mehr als 4 Prozent nach. Auch die Ölpreise rutschten ab. "Die Märkte preisen jetzt schon das Schlimmste ein", sagte Herald Van Der Linde, Chefstratege für asiatische Aktien bei der HSBC.
Im deutschen Aktienhandel eröffnete der Dax nach Veröffentlichung der jüngsten China-Daten dick im Minus. Daniel Saurenz von Feingold Research sprach in diesem Zusammenhang bereits von einer "laufenden Dax-Korrektur".
Die Regierung in Peking strebt in diesem Jahr ein Wachstum von "etwa sieben Prozent" an. Es wäre der kleinste Zuwachs seit einem Vierteljahrhundert. Zuletzt entwickelten sich sowohl die Industrieproduktion als auch die Investitionen und die Umsätze im Einzelhandel schwächer als erwartet. Die chinesische Zentralbank versucht gegenzusteuern: Sie ließ unter anderem die Landeswährung Yuan kräftig abwerten, was chinesische Waren im Ausland billiger macht.
Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts