
Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen (li.) und Finanzminister Wolfgang Schäuble: Offener Schlagabtausch über Bankenregulierung.
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Als "Außenminister" soll Jürgen Fitschen für die Deutsche Bank eigentlich Kontakt zur Politik halten. Doch nun greift er den Finanzminister frontal an: Fitschen ist empört, dass Wolfgang Schäuble nicht glaubt, wie sehr sich die Deutsche Bank gewandelt hat. Obwohl ein Skandal den nächsten jagt.
Es gibt kaum einen Auftritt bei dem Jürgen Fitschen nicht betont, wie sehr sich die Finanzindustrie verändert hat: "Wenn immer wieder gesagt wird, dass es bei der Regulierung kaum Fortschritte gibt, übersieht man die weitreichenden Veränderungen der letzten Jahre." Dem Deutsche-Bank-Co-Chef bleibt keine andere Wahl: Es vergeht auch kaum ein Tag, an dem sein Institut nicht mit einem neuen Skandal Schlagzeilen macht.
Seinem Geldhaus hat Fitschen deshalb einen tiefgreifenden Kulturwandel verordnet. Die Bank will Schluss machen mit den Zockergeschäften der Vergangenheit, hat sich einen neuen Wertekanon gegeben, ihr Vergütungssystem reformiert. Die Deutsche Bank habe sich tiefgreifend gewandelt, meint Fitschen, die Öffentlichkeit würde das nur nicht sehen. Auf Kritik an den Errungenschaften reagiert der Bankchef daher sichtlich gereizt.
"Ganz sicher im Ton vergriffen"
Ein einziger Satz des Finanzministers reichte, um das Fass zum Überlaufen zu bringen: "Die Kreativität der Banken, die Regulierung zu umgehen, ist weiterhin groß", sagte Wolfgang Schäuble kürzlich in einem Interview. Fitschen keilte genervt zurück: "Wenn man mit solchen Parolen, so populistisch Dinge kommentiert, ist das unverantwortlich. Das gilt auch für Herrn Schäuble". Fitschens Wutausbruch ist nicht nur äußerst ungewöhnlich, sondern geradezu selbstzerstörerisch: Als eine Art Außenminister in der Doppelspitze der Bank soll er eigentlich den guten Draht zur Politik halten.
Die bringt Fitschen mit seinem beiläufigen Satz nun gegen sich auf. Aus dem Fernduell mit dem Finanzminister ist inzwischen ein offener Schlagabtausch geworden: Wenn sich Herr Fitschen seine Aussagen noch mal genauer anschaue, werde er sicher zur Erkenntnis kommen, dass er in der Sache nicht Recht habe, konterte Schäuble die Kritik des Bankchefs. "Und im Ton hat er sich ganz sicher vergriffen". "Gerade in dem Moment, in dem seine Deutsche Bank eine Strafe von fast 800 Millionen Euro wegen Manipulation von Referenzzinssätzen erhält, fordert er ein Lob für die Banken. Da fehlen einem die Worte", sprang auch Klaus-Peter Flossbach, Finanzexperte der Union, dem Finanzminister bei.
Deutschland misstraut dem Kulturwandel
Fitschens Wutausbruch zeigt, wie sehr die Deutsche Bank mit dem Kulturwandel kämpft. Und wie sehr die Sünden der Vergangenheit das Institut in Atem halten. Nicht nur finanziell: 4,1 Milliarden Euro hat die Deutsche Bank für Prozesse und Strafen inzwischen zurückgestellt. Sondern vor allem atmosphärisch: Die Vergangenheitsbewältigung blockiert das Geldhaus bis in die Chefetage: Mit nichts ist es derzeit mehr beschäftigt als sich selbst.
Libor-Skandal, Hypothekenbetrug, Umsatzsteuerkartell, Kirch-Pleite - die Sünden, mit denen die Deutsche Bank zu kämpfen hat, liegen allesamt in der Vergangenheit. Es ist verständlich, dass Fitschen sich davon genervt fühlt, weil sie den Blick auf die Gegenwart verstellen. Er und Co-Chef Anshu Jain bemühen sich denn auch, sie als das Werk von Einzeltätern hinzustellen, die so nicht längst nicht mehr bei der Bank vorkommen: Die Vergehen beträfen "Verhaltensweisen von einzelnen Mitarbeitern in der Vergangenheit, die schwere Verstöße gegen Werte und Überzeugungen der Deutschen Bank darstellen. Wir werden alles tun, um sicherzustellen, dass sich diese Art von Fehlverhalten nicht wiederholt", versprach das Führungsduo angesichts der EU-Rekordstrafe wegen Zinsmanipulation.
Ihrem Versprechen ist dennoch schwer zu trauen. Nicht weil Fitschen und Jain per se unglaubwürdig wären. Sondern weil der versprochene Kulturwandel die Veränderung von Mentalitäten erfordert, die lange dauert und sich kaum überprüfen lässt. Die Mehrheit der Deutschen glaubt bisher nicht daran: 70 Prozent aller Bundesbürger haben das Vertrauen in die Bankenbranche verloren. Nach der Allensbach-Umfrage glauben fast drei Viertel, die Finanzbranche sei kaum oder gar nicht reguliert.
Quelle: ntv.de