Tengelmann ist ein Auslaufmodell "Dezentrales Modell von Edeka macht Angst"
17.03.2016, 16:33 Uhr
Ein Hauch von Friedhofsstimmung: Das Logo von Kaiser's Tengelmann.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Sondererlaubnis für Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka ist an Auflagen geknüpft. Politisch sei das nachvollziehbar, sagt der Wettbewerbsexperte und ehemalige Chef der Monopolkommission, Justus Haucap. Aber sie bremsen auch die Gesundung der "verschlafenen und runtergewirtschafteten" Tengelmann-Filialen. Den Rücktritt seines Nachfolgers versteht er nicht.
n-tv.de: Die Ministererlaubnis ist da, aber Rewe hat bereits juristische Schritte angekündigt. Ist die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka jetzt perfekt oder nicht?
Justus Haucap: Das Projekt ist mit ziemlicher Sicherheit beschlossene Sache. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht, ich würde denken, wir sind bei 99 Prozent. Alles andere wäre eine faustdicke Überraschung.
Sind Edeka und Tengelmann zusammen denn der perfekte Match?
Ob das der perfekte Match ist, weiß ich nicht. Aber die Tengelmann-Märkte waren langfristig nicht mehr überlebensfähig. Tengelmann hat es vor 20 Jahren verpasst, auf ein dezentrales Geschäftsmodell umzustellen - so wie die anderen erfolgreichen Lebensmitteleinzelhändler. Edeka und Rewe haben ein genossenschaftliches Modell, wo den Kaufleuten vor Ort viel Entscheidungsfreiheit gegeben wird.

Justus Haucap, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Gründungsdirektor des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) und bis 2012 Vorsitzender der Monopolkommission. Zu Beginn des Fusionskontrollverfahrens Edeka/Tengelmann hat Tengelmann Haucap als Gutachter zu Rate gezogen.
Und ist das besser?
Die Eigentümer der Geschäfte haben viel höhere Erfolgsbeteiligungen. Deshalb haben sie auch ein viel größeres Interesse, ihre Läden effizient zu managen attraktiv zu gestalten. Tengelmann steuert seine Läden immer noch zentral aus Mühlheim. Die Filialleiter sind nicht Eigentümer der Läden und haben viel weniger Freiheiten. Das führt dazu, dass die Läden deutlich schlechter gemanagt sind. Tengelmann ist die einzige Lebensmittelkette, die im Markt geschrumpft ist. Daher war es sinnvoll, den Laden zu verkaufen.
Worauf müssen sich die Tengelmänner jetzt einstellen?
Edeka wird mittelfristig auf das andere Geschäftsmodell, also die dezentrale Führung, umstellen. Jetzt sollen allerdings die Arbeitsplätze und die Mitbestimmungsrechte gesichert werden. Wegen dieser Auflagen wird das Ganze ein bisschen dauern. Edeka wird die Läden mindestens fünf Jahre weiter zentral führen müssen.
Und wie sicher sind die 16.000 Arbeitsplätze, um die hier gekämpft wurde?
Fünf bis sieben Jahre kann Edeka die Arbeitsplätze auf jeden Fall garantieren. Da sehe ich keinerlei Gefahr von betriebsbedingten Kündigungen.
Aber wieso dann die Angst um die Arbeitsplätze?
Angst macht die Umstellung auf das dezentrale Modell. Da werden Filialen an Einzelhandelskaufleute vor Ort verkauft, die dann daraus Edekas machen. Hinter jedem Edeka steht ein anderer Name. Diese Leute sind selbstständig, sie treffen ihre eigenen Entscheidungen. Sie stellen ein und entlassen, so wie sie wollen. Theoretisch können sie machen, was sie wollen. Man kann zentral nicht mehr garantieren, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Und was bedeutet die Fusion jetzt für den Wettbewerb?
Der Wettbewerb wird intensiver. Deshalb ist Rewe auch so vehement gegen diese Fusion. Wenn Rewe denken würde, der Wettbewerb werde softer, dann hätten sie sich gefreut, dass jemand Tengelmann kauft. Nach dem Motto: Ein Konkurrent weniger, da profitieren wir auch von. Beim Zusammenschluss von O2 und E-Plus waren Telekom und Vodafone ganz leise. Sie rechneten sich aus, dass der Wettbewerb softer werden würde und sie dann auch die Preise erhöhen könnten.
Und hier sehen wir das Gegenteil?
Rewe macht einen Riesenalarm, damit die Fusion nicht stattfindet. Und die plausibelste Erklärung dafür ist, dass aus den Kaiser's-Läden Edeka-Läden werden. Edeka ist ein viel aggressiverer, leistungsfähigerer Konkurrent. Die werden die Läden aufmöbeln. Rewe wäre ein Schlafmützenkonkurrent wie Kaiser’s lieber gewesen.
Und wo ist der Haken bei der Sache?
Die Bedingungen, die Wirtschaftsminister Gabriel vorgegeben hat, sind sehr hart. Das kann man aus politischen Gründen verstehen. Letztendlich verhindert er aber damit, dass die Kaiser's-Märkte jetzt schnell zu leistungsfähigen Märkten werden, weil diese relativ lange warten müssen, bis etwas verändern werden kann. Gut, jetzt warten wir eben fünf Jahre. Prinzipiell ist das auch für die Verbraucher eine gute Sache, weil aus relativ verschlafenen und runtergewirtschafteten Filialen viel leistungsfähigere Konkurrenten werden. Zudem kann es in manchen Stadtteilen durchaus zu einer hohen Konzentration kommen. Hier hätte Edeka besser die Filialen anderen überlassen sollen.
Was sagen Sie zum Rücktritt ihres Nachfolgers an der Spitze der Monopolkommission, Daniel Zimmer?
Ich bin davon überrascht. Dass der Minister das letzte Wort hat, ist ja im Ministererlaubnisverfahren so angelegt. Letztlich hat ja auch der Minister die politische Verantwortung und nicht die Monopolkommission. Ultimativ ist das Abwägen zwischen zwei Zielen eine dezidiert politische Aufgabe. Ich glaube persönlich nicht, dass das Arbeitsplatzargument in diesem Fall besonders gut ist, aber man kann auch anderer Meinung sein.
Mit Justus Haucap sprach Diana Dittmer
Quelle: ntv.de