Wirtschaft

Rentner-Welle auf der Schiene Die Bahn sucht Personal

Mehr als 190.000 Mitarbeiter: Der Bahn-Betrieb ist personalintensiv.

Mehr als 190.000 Mitarbeiter: Der Bahn-Betrieb ist personalintensiv.

(Foto: REUTERS)

Die Deutsche Bahn steuert mit voller Wucht in einen ganz eigenen demografischen Wandel: Nach jahrelangem Sparkurs schnellt der Altersdurchschnitt in die Höhe. Personalvorstand Weber erkennt ein grundlegendes Problem: Die Bahn muss sich schleunigst verjüngen - ohne dabei Wissen und Erfahrung zu verlieren.

Die Bahn baut in Deutschland wieder Personal auf. In diesem Jahr seien bis Ende November unterm Strich mehr als 4000 Mitarbeiter hinzugekommen, sagte Deutsche-Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber. Die Belegschaft im Inland ist damit auf 193.500 gewachsen.

42 Prozent der Bahnmitarbeiter sind über 50 Jahre alt.

42 Prozent der Bahnmitarbeiter sind über 50 Jahre alt.

(Foto: REUTERS)

Die Bahn habe in den ersten elf Monaten so viele Mitarbeiter eingestellt "wie lange nicht mehr", sagte Weber. Für die Instandhaltung und für den Personenverkehr wurden jeweils rund 1600 neue Vollzeitbeschäftigte gewonnen, davon 520 Zugbegleiter und Servicekräfte im . Außerdem kamen 400 Lokführer neu zur Bahn.

Auch für 2012 sei er "grundsätzlich zuversichtlich", sagte Weber: "Wir wollen weiterhin 5000 bis 7000 neue Mitarbeiter pro Jahr einstellen oder ausbilden." In den nächsten Jahren würden regelmäßig Tausende Kollegen den Konzern verlassen, viele davon verabschieden sich in die Rente. 42 Prozent der Bahnmitarbeiter sind über 50 Jahre alt. Das heißt, dass rund 80.000 Eisenbahner in den kommenden 15 Jahren in den Ruhestand gehen.

Sieht Schwierigkeiten und will mit den Gewerkschaften sprechen: Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber (Archivbild).

Sieht Schwierigkeiten und will mit den Gewerkschaften sprechen: Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber (Archivbild).

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit der Bahnreform 1994 hatte das Verkehrsunternehmen rund 150.000 Stellen abgebaut. Nun aber gebe es eine Trendwende, heißt es. Weber sagte, die Bahn wolle "noch schlagkräftiger werden und einem enger werdenden Arbeitsmarkt begegnen". Dazu habe man unter anderem ein Programm zur Personalgewinnung aufgelegt. Über einen Tarifvertrag mit Leitlinien zu den Themen Personalgewinnung, Mitarbeiterbindung und Altersstruktur verhandelt das bundeseigene Unternehmen ab Januar mit den beiden Bahngewerkschaften.

Steilvorlage für die Gewerkschaft

Nach Einschätzung der Eisenbahngewerkschaft EVG stehen Bahnunternehmen generell wegen des hohen Altersdurchschnitts vor großen Problemen. "Bei der DB AG ist das Gros der Beschäftigten 50 Jahre und älter", knüpfte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, an die Aussagen von Bahnvorstand Weber an.

Rangieren geht nicht bis 67: EVG-Chef Alexander Kirchner (Archivbild).

Rangieren geht nicht bis 67: EVG-Chef Alexander Kirchner (Archivbild).

(Foto: picture alliance / dpa)

Während Kirchner bei den Eckdaten allgemeiner blieb als Bahn-Manager Weber, sprach der Gewerkschafter dafür bei den daraus resultierenden Problemen Klartext: In den kommenden Jahren werde etwa ein Drittel der Beschäftigten das Unternehmen verlassen. Die Bahnunternehmen stünden daher vor der Frage, wie sie in Zukunft noch ausreichend qualifiziertes Personal gewinnen und gleichzeitig das Fachwissen der Älteren im Unternehmen halten könnten.

"Laufbahnen gestalten"

Die Gewerkschaft will laut Kirchner im Januar in die eigentlichen Verhandlungen über einen Tarifvertrag zur Zukunftssicherung bei der bundeseigenen Deutschen Bahn einsteigen. Dabei gehe es unter anderem darum, für die einzelnen Mitarbeiter mögliche Entwicklungswege aufzuzeigen und das lebenslange Lernen in das Berufsleben zu integrieren. "Wir haben uns früher einseitig vorwiegend um den Schutz der Beschäftigten vor Rationalisierungen gekümmert. Wir müssen jetzt angesichts der immer längeren Lebensarbeitszeit sehen, wie wir berufliche Laufbahnen gestalten", meinte Kirchner.

So sei zum Beispiel klar, dass ein Rangierer den schweren Job auf den Gleisen nicht 50 Jahre lang machen könne. Nach Vorstellung der EVG soll er sich künftig während seines Berufslebens planmäßig für andere Tätigkeiten qualifizieren, etwa zum Lokrangierer oder Lokführer. Bislang sei eine solche Entwicklung nur eher zufällig möglich. "Viele Bahnbeschäftigte sehen kaum Entwicklungsmöglichkeiten in ihren aktuellen Jobs." Zudem müsse über bessere Übergänge in den Ruhestand nachgedacht werden. Dies gelte in einem Verbundunternehmen wie der Bahn für alle Beschäftigtengruppen gleichermaßen; Ziel müsse es sein, mit der Lokführergewerkschaft GDL ein gemeinsames Ergebnis zu erreichen.

Betriebsräte entmachtet?

Kirchner betonte die Belastung der Beschäftigten durch Schichtdienst und wechselnde Einsätze. Bei den Dienstplänen sei man mit tariflichen Regelungen und den einseitig nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeitenden Computerprogrammen der Unternehmen an Grenzen gestoßen, meinte der Gewerkschafter. Die Betriebsräte seien auf ihrem ureigenen Feld der Mitbestimmung über die Einsatzzeiten und -bedingungen schleichend entmachtet worden.

Man könne aber nicht jede individuelle Einzelheit regeln und müsse daher den Betriebsräten vor Ort wieder größere Einflussmöglichkeiten auf die Dienstpläne geben. Letztlich müsse aber auch mehr Personal vorgehalten werden: "Ein Großteil der heutigen Unzufriedenheit entsteht, wenn die Mitarbeiter immer wieder unvorhergesehene Lücken schließen müssen, weil keine Reserven vorgehalten werden."

Pflege-Hilfe, Wohnungen und Kita-Plätze

Im Werben um Auszubildende seien die Zeiten der Bestauswahl aus einer Vielzahl von Bewerbern vorbei, meinte Kirchner. Hier müssten die Bahnen verstärkt Programme entwickeln, um auch den Einstieg zu ermöglichen. Zudem müssten die Unternehmen sich wieder stärker um die Gestaltung des sozialen Umfeldes ihrer Mitarbeiter kümmern, verlangte der Gewerkschafter.

Dazu gehörten nicht nur die Organisation von oder Hilfestellungen, wenn sind. Gerade in den teuren süddeutschen Ballungszentren sei zunehmend auch die Wohnungsfrage wieder ein drängendes Thema, meinte Kirchner. "Der Verkauf der in Großstädten wie beispielsweise in München war sicher ein Riesenfehler."

Quelle: ntv.de, dpa

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