Nun also auch zehnjährige Anleihen Diese Minus-Renditen sind gefährlich
14.06.2016, 14:22 Uhr
Für manchen Rentner könnte es ein böses Erwachen geben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Anlagenotstand spitzt sich immer weiter zu: Investoren wissen offenbar gar nicht mehr, wohin mit ihrem Geld. Sie bezahlen den deutschen Finanzminister dafür, dass er es schlicht aufbewahrt. Sogar für zehn Jahre.
Negative Zinsen - also gewissermaßen Aufbewahrungs- oder Strafgebühren - sind bei Bundesanleihen mit kurzen und mittleren Laufzeiten schon länger zu beobachten. Jetzt hat es auch die Benchmark-Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit, die als der Gradmesser für deutsche Staatsanleihen gelten, erwischt. Ihre Renditen sind erstmals in ihrer Geschichte in den Minusbereich abgetaucht. Am deutschen Anleihemarkt ist damit ein neuer Tiefpunkt erreicht.
Renditen unter null Prozent bedeuten: Die Anleiheanleger werden auch nominal, also sogar ohne Berücksichtigung von Inflation oder Bankgebühren, am Ende der Laufzeit weniger Geld zurückerhalten, als sie beim Kauf gezahlt haben.
Je größer der Andrang auf den Anleihemarkt, desto höher steigen die Kurse. Umgekehrt sinken die Renditen der Investoren – am Dienstag eben das erste Mal auch bei zehnjährigen Bundesanleihen unter die Null-Prozent-Marke - genau genommen auf minus 0,004 Prozent. Der Appetit der Anleger ist inzwischen so groß, dass sie sogar mehr als den Nennwert für die Papiere ausgeben, nur um ihr Geld im sicheren Hafen anlegen zu dürfen. Sie bezahlen den Finanzminister also praktisch dafür, dass er ihr Geld aufbewahrt.
Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: Kauft ein Anleger eine zehnjährige Bundeanleihe für mehr als den Nennwert von 100 Euro und hält sie bis zum Stichtag, bekommt er vom Finanzminister am Ende nur 100 Euro plus Mini-Zinsen zurück. Also deutlich weniger, als er einst für diese Anleihe hinlegen musste. Wer einen hohen Ausgabekurs gezahlt hat, für den rentiert sich das Investment am Ende nicht mehr.
Wichtig ist zu wissen, dass die zehnjährigen Bunds ein Referenzwert sind. Insofern ist das, was momentan passiert, repräsentativ. Die Anleger gehen offenbar davon aus, dass es auch in den kommenden zehn Jahren turbulent bleibt. Sie nehmen diese Verluste bewusst in Kauf, weil sie Sicherheit suchen. Der drohende Brexit, die ausstehende Zins-Entscheidung der Fed und der Ölpreis-Crash geben mehr als genug Anlass zur Sorge.
Für die hohe Nachfrage am Anleihemarkt sorgen weniger Privatanleger als Versicherer und Pensionsfonds. Sie sind gesetzlich verpflichtet, einen Teil ihrer Gelder in Staatsanleihen anzulegen. Aber auch derjenige, der direkt keine Bundesanleihen hält, bekommt die Minus-Renditen zu spüren: Jeder, der eine Lebens- oder Rentenversicherung hat, sieht den Schwund bei seinen Garantiezinsen.
Während sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble also einmal mehr über die hohe Nachfrage nach deutschen Anleihen freuen kann, weil Deutschland sich dadurch immer weiter und immer günstiger wie nie zuvor Geld leihen kann, müssen die, die Anleihen halten, darauf spekulieren, dass die Kurse noch weiter steigen. Es sind ungewöhnliche Zeiten, auch ungewöhnlich gefährliche.
Quelle: ntv.de