Kulturkampf um US-Konzerne ETF ohne "woken Scheiß" verspricht höhere Rendite
09.12.2024, 16:27 Uhr Artikel anhören
Laut dem Leistungsprinzip-Verfechter James Fishback leidet Starbucks darunter, dass das Unternehmen die falschen Menschen einstellt.
(Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS)
Der Kulturkampf gegen alles, was rechte Aktivisten als "woke" empfinden, hat längst die großen US-Unternehmen erreicht. Mit einem neuen Aktienfonds können Anleger in diesen Kampf investieren. Das soll sich angeblich auch finanziell lohnen - ein zweifelhaftes Versprechen.
James Fishback braucht nicht viele Worte, um das Prinzip hinter seinem neuen börsengehandelten Aktienfonds (ETF) zu beschreiben: Es handle sich im Wesentlichen um eine Nachbildung des US-Leitindex mit den 500 größten Unternehmen, aber "ohne den woken Scheiß" - ohne solche Unternehmen also, die sich Ziele für die Förderung von Frauen oder Minderheiten in der Belegschaft gesetzt haben. Fishback hat gerade die Investmentfirma Azoria gegründet mit der Mission, den Kampf gegen alles, was konservativen Amerikanern wie ihm als "woke", also als Teil einer progressiven gesellschaftlichen Agenda erscheint, in die großen US-Konzerne hineinzutragen.
Seinen ersten Fonds, den Azoria 500 Meritocracy ETF, stellte Fishback nicht zufällig in Florida in der Ressortanlage Mar-a-Lago des ehemaligen und nächsten US-Präsidenten Donald Trump vor. Dessen Wahlsieg interpretiert Fishback als eine Rückweisung sogenannter DEI-Richtlinien "durch das ganze Land". DEI steht für Diversity (Vielfalt), Equity (Fairness) und Inclusion (Integration) und beschreibt die Bemühungen vieler Unternehmen, etwa die Chancengleichheit von Frauen zu fördern oder sexuelle Minderheiten nicht auszugrenzen. Fishback, Trump und den Anhängern von dessen MAGA-Bewegung sind derartige Ziele ein Dorn im Auge. Viele bekannte Unternehmen von Disney bis Harley Davidson sind in den vergangenen Monaten und Jahren Ziel von Anti-DEI-Kampagnen geworden.
Mit dem Meritocracy-Fonds widmet sich Azoria vor allem dem Kampf gegen die Förderung von Diversität in Unternehmen - vor allem gegen angebliche Quoten für Minderheiten bei Einstellungen oder Beförderungen. Dahinter stecke eine einfache wirtschaftliche Logik, so der Fondsmanager Fishback: "Unternehmen, die auf der Grundlage von Fähigkeiten einstellen und befördern, werden sich besser entwickeln als solche, die dies auf der Grundlage von Herkunft und Geschlecht tun", erklärte Fishback bei der Vorstellung seines Fonds.
"Verrat am Leistungsprinzip"
Diese Vorstellung, dass es den Erfolg von Unternehmen behindere, wenn diese sich als geschäftsfremd empfundene Ziele wie Klimaschutz oder Diversität setzen oder gar öffentlich etwa gegen Rassismus oder Homophobie positionieren, ist unter rechten Aktivisten in den USA weit verbreitet. Nach eigenen Angaben hat Fishback drei Dutzend im Leitindex S&P500 ausgemacht, die etwa mit Minderheiten-Quoten "Verrat" am Leistungsprinzip und damit an den Werten begingen, die "Amerika groß gemacht haben". Der Aktienkurs dieser Unternehmen, die künftig nicht im neuen ETF enthalten sein werden, sei in diesem Jahr nur 12 Prozent gestiegen, der Gesamtindex dagegen fast 30 Prozent.
Überprüfbar ist diese Rechnung nicht. Fishback nannte nur einen Namen: Die Cafékette Starbucks, deren wirtschaftliche Probleme darauf zurückzuführen seien, dass sie aufgrund starrer Quoten "nicht die besten und klügsten Kandidaten" einstelle. Starbucks wies diese Darstellung inzwischen zurück. Es gebe überhaupt keine festen Quoten, die verhinderten, dass jemand eingestellt oder befördert werden könnte, sondern die Bestrebung, dass Frauen sowie bestimmte Minderheiten besser in der Belegschaft repräsentiert sein sollten. Starbucks leidet seit Längerem unter zurückgehenden Umsätzen und steigenden Kosten.
Befürworter der Förderung von Diversität führen an, dass dies den Unternehmen ermögliche, bessere Bewerber zu finden, denn ohne entsprechende Bemühungen würden viele Talente aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Hautfarbe diskriminiert und ausgeschlossen. Auch ökologische Nachhaltigkeitsziele sollen laut ihren Befürwortern zumindest langfristig dem wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen nutzen, während rechte Aktivisten sie für ideologisch und geschäftsschädigend halten.
Ein Blick auf die Kursentwicklung an der Börse ergibt ein für beide Seiten ernüchterndes Bild. Der S&P 500 ESG-Index ist eine Art Gegenstück zu Azorias Meritocracy ETF und enthält nur diejenigen der 500 größten US-Konzerne, die sich ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien verpflichtet haben. Dieser Nachhaltigkeitsindex hat in diesem Jahr 27,6 Prozent zugelegt. Das ist minimal weniger als der S&P500, der ein Plus von 28,4 Prozent aufweist. Mit Azorias ETF vergleichbare Anti-ESG-Fonds wie der Conservative American Values ETF (plus 26,5 Prozent) und der Point Bridge America First ETF (plus 22,5 Prozent) haben sich jedoch noch etwas schlechter entwickelt.
Auch auf zwei Jahre betrachtet - viel länger gibt es die anti-woken Fonds noch nicht - ergibt sich ein ähnliches Bild: Weder nachhaltige noch anti-woke Kriterien beeinflussen die Kursentwicklung deutlich. Allerdings zahlen Anleger für aktiv ideologisch gemanagte Fonds in der Regel ein Vielfaches an Gebühren verglichen mit solchen, die einfach einen Index nachbilden.
Quelle: ntv.de