Wirtschaft

Unterhändler erzielen Kompromiss EU will Turbohandel bremsen

Der Handel mit Agrarrohstoffen soll eingedämmt werden.

Der Handel mit Agrarrohstoffen soll eingedämmt werden.

(Foto: REUTERS)

Computer handeln in Sekundenschnelle. Dadurch können sich Turbulenzen an den Finanzmärkten verschärfen. Händlern aber haben kaum Möglichkeit einzugreifen. Das will die EU nun ändern. Zudem soll die Beratungsqualität für Verbraucher verbessert werden.

Die EU-Mitglieder wollen mit strikteren Regeln die Finanzmärkte bezwingen. Dazu sollen Börsenturbulenzen und die Spekulation mit Nahrungsmitteln eingedämmt werden. Auf eine entsprechende Neufassung der EU-Finanzmarktrichtlinie (Mifid) einigten sich Unterhändler von EU-Kommission, Staaten und Europaparlament. Die Vorgaben könnten dann Ende 2016 in Kraft treten.

Die EU zieht mit der Richtlinie Konsequenzen aus der Finanzkrise 2008, als nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers die Kapitalmärkte rund um den Globus in Schieflage gerieten und viele Investoren plötzlich auf einem Haufen wertloser Anlagepapiere saßen. Die EU-Unterhändler standen bei den Verhandlungen unter Zeitdruck, denn die Richtlinie soll noch vom EU-Parlament abgesegnet werden, bevor dieses Ende Mai neu gewählt wird. Dem nun gefundenen Kompromiss müssen auch noch die  Mitgliedsstaaten im EU-Rat zustimmen.

Die Mifid-Regeln tragen auch dem technischen Fortschritt Rechnung, da immer mehr Geschäfte in Sekundenbruchteilen getätigt werden. So müssen Händler im Hochfrequenz-Bereich ihre Handelsalgorithmen vorab zur Prüfung vorlegen. Damit sollen Risiken für das Finanzsystem verhindert werden. Daneben werden automatische Handelsunterbrechungen eingeführt, wenn die Preisschwankungen am Markt zu stark sind. Im Handel mit Rohstoffen gelten künftig Positionslimits, die vor allem starke Schwankungen bei Lebensmittel- und Energiepreisen verhindern sollen.

Auch die USA wollen stärker gegen Verwerfungen an den Rohstoffmärkten vorgehen. So erwägt die US-Notenbank (Fed), bestimmte Rohstoffe zu verwalten, wenn diese "ein unangemessenes Risiko" darstellten.

Bessere Dokumentation bei Bank-Beratung

Zudem soll die Finanzberatung der Anleger besser werden. Die EU-Staaten wollen dafür sorgen, dass Bankberater zum Wohle der Kunden handeln - und sich nicht an der Höhe der anfallenden Provision orientieren. Ein von einigen EU-Abgeordneten verlangtes generelles Provisions-Verbot fand allerdings keine Mehrheit. Banken müssen aber künftig bei der persönlichen Beratung mit einem schriftlichen Protokoll oder der Aufzeichnung des Telefonats dokumentieren, warum sie ein Finanzprodukt empfohlen haben und wie risikobereit der Kunde ist.

Die Deutsche Kreditwirtschaft begrüßte, dass die Beratung auf Provisionsbasis - und nicht gegen ein Extra-Honorar - erhalten bleibt. Allerdings kritisierte der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) die umfangreichen Dokumentationspflichten.

Grüne: Einige Mitglieder bremsten

Im Europaparlament wird der Fortschritt beim Verbraucherschutz unterschiedlich gewertet. "Damit stellen wir sicher, dass den Kunden ausschließlich solche Anlageprodukte empfohlen werden, die zu ihnen passen", sagte der CSU-Finanzmarktexperte Markus Ferber, der die Reform federführend ausgehandelt hatte. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold hält die Vorschriften dagegen für zu schwach: "Da gab es durch den starken Widerstand im Rat der Mitgliedsländer und im Europaparlament nur wenige Fortschritte."

Der Bankenverband Großbritanniens äußerte die Sorge, dass die neuen EU-Regeln negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnten, wenn die Liquidität am Markt begrenzt und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Firmen beschränkt werde. Die britische Regierung hatte während der Verhandlungen mehrmals auf der Bremse gestanden, weil sie Nachteile für den Finanzplatz London fürchtet. Finanzminister George Osborne klagte, er sei permanent gezwungen, gegen EU-Regulierungsschritte zu kämpfen, die dem Finanzsektor schadeten. Er nannte zahlreiche Vorgaben, die er vor dem Europäischen Gerichtshof anfechten wolle.

Kritikern sind Regelungen zu lasch

Kritiker halten die Auflagen für Preisspekulationen mit Lebensmitteln für zu lasch. Der Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch, Thilo Bode, sprach von "einem faulen Kompromiss" und sagte: "Diese Regulierung kann Nahrungsmittelspekulation und ihre fatalen Folgen nicht verhindern." Nach Ansicht der Entwicklungsorganisation Oxfam ist es "der mächtigen Finanzlobby gelungen, Ausnahmen und Schlupflöcher in die Richtlinie einzubauen".

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier nannte die Einigung "einen wichtigen Schritt, um das Finanzsystem sicherer, transparenter und verantwortungsvoller" zu machen und wieder Vertrauen zu schaffen.

Schon im November wurde in den Verhandlungen vereinbart, dass Geschäfte auf undurchsichtigen Handelsplattformen - sogenannten Dark Pools - nur noch in geringem Umfang möglich sein sollen. Zudem werden neue Plattformen (Organised Trading Facility) eingeführt, die den rund 640 Billionen Dollar schweren außerbörslichen Handel transparenter machen sollen.

Quelle: ntv.de, jwu/dpa/rts

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