Douglas-IPO setzt eine Duftmarke "Ein Börsengang braucht keine jahrelange Euphorie"
20.03.2024, 18:34 Uhr Artikel anhören
Europas größte Parfümeriekette darf auf einen soliden Start an der Börse hoffen. "Es ist viel Geld im Umlauf, das nach Anlagechancen sucht", sagt Chef-Marktanalyst von CMC Market, Jochen Stanzl.
(Foto: picture alliance / Presse- und Wirtschaftsdienst)
Nach anderthalb Jahren Flaute kommt wieder Bewegung in die IPO-Landschaft. Douglas wagt den Gang aufs Parkett. Dahinter stauen sich bereits die nächsten Börsenanwärter. ntv.de fragt den Analysten Jochen Stanzl, ob die Zeit trotz Krisen reif dafür ist, und wie sich Kleinanleger verhalten sollen.
Douglas will es diese Woche tun, die Social-Media-Plattform Reddit liebäugelt ebenfalls damit und Donald Trumps Digitalnetzwerk Truth Social kann es auch kaum erwarten. Die Börse boomt, da gibt es auch kein Halten mehr bei Neuemissionen. Das Motto der Parfümeriekette "Let it bloom" (übersetzt: "Lass es blühen") scheint nach anderthalb Jahren IPO-Flaute international zu gelten. Wird das die nächste große Party auf dem Parkett? Jochen Stanzl, Aktienstratege von CMC Markets findet, die Zeit für Neuemissionen ist reif: "Das Börsenumfeld ist sehr freundlich. Die Aktienbörsen rund um den Globus erleben einen phänomenalen Bullenmarkt, die Volatilität ist niedrig. Es ist viel Geld im Umlauf, das nach Anlagechancen sucht. Zudem wollen die großen Zentralbanken bald die Zinsen senken."
Douglas gilt als der erste große Börsengang in diesem Jahr. Dass sich die Parfümeriekette dabei mit dem niedrigsten möglichen Ausgabepreis bei 26 Euro zufriedengeben muss, bereitet Stanzl keine Sorgen. "Der Emissionspreis wurde am unteren Ende der Spanne festgesetzt, weil die Gesellschafter an einer positiven Entwicklung der Aktie interessiert sind. Lieber setzt man den Kurs am Anfang niedrig an, als im Nachhinein das Nachsehen mit einer negativen Tendenz des Kurses zu haben", erklärt er im Gespräch mit ntv.de. Dass die Douglas-IPO überzeichnet sei, belege eine hohe Nachfrage. Stanzl ist optimistisch: "Die ersten Tage könnten also durchaus positiv verlaufen."
Douglas ist nicht das einzige Unternehmen, das in den Startlöchern steht. Als heißer Kandidat in Deutschland gilt in den nächsten Monaten Flix. Das Mobilitätsunternehmen könnte sich mit einem Börsengang Kapital für die weitere Expansion seiner Angebote Flixbus und Flixtrain beschaffen. Die IPO-Pipeline ist so voll wie lange nicht. 2022 ging in Deutschland mit Porsche lediglich ein einziges Unternehmen an die Börse, 2023 debütierten hierzulande drei Unternehmen im Prime Standard der Deutschen Börse. Dieses Jahr hat es immerhin schon der Augsburger Getriebehersteller Renk gewagt. Mehr und mehr Unternehmenslenker ziehen ihre teils angestaubten Börsenpläne aus den Schubladen. Douglas setzt in dem boomenden Börsenumfeld also lediglich die nächste Duftmarke.
Europäische Unternehmen im Wert von 40 Milliarden Dollar sind am Start
Auch im restlichen Europa bewegt sich etwas. Laut Bloomberg stehen europaweit Unternehmen im Gesamtwert von 40 Milliarden Dollar in den Börsen-Startlöchern. Dem US-Finanzportal zufolge will die italienische Sneaker-Marke Golden Goose direkt nach Ostern den Sprung aufs Mailänder Parkett wagen. An der Madrider Börse stehen der Autohändler Astara und der Kosmetikkonzern Puig bereit. International könnten sich die Börsenambitionen auch beim schwedischen Zahlungsdienstleister Klarna und der Social-Media-Plattform Reddit im Laufe des Jahres konkretisieren.
Gedämpfte Konjunkturaussichten und geopolitische Krisen tun dem Frühlingserwachen der Börsenanwärter offenbar keinen Abbruch. Stanzl erklärt, warum: "Ein Börsengang braucht keine jahrelange Euphorie. Es genügt bei Börsengängen, wenn die Zeichnungsphase von einem freundlichen Börsenumfeld begleitet wird."
Die Gunst der Stunde birgt für Anleger allerdings auch Risiken. Stanzl warnt, in der allgemeinen Euphorie namhafte Börsengänge, wie beispielsweise Renk und Porsche, die in den Wochen nach ihrer Erstnotiz eine starke Wertentwicklung vorzuweisen hatten, auf Douglas zu übertragen. Anleger sollten sich keinesfalls "von der Angst, etwas zu verpassen, leiten lassen", so der Börsenprofi. "Ein Börsengang ist nicht zwingend immer günstig und oft sind Aktien an der Börse Wochen nach dem Börsengang günstiger zu haben."
Grundsätzlich sollten Anleger bei einer Neuemission die gleichen Überlegungen anstellen wie bei einem Kauf einer etablierten Aktie, rät Stanzl. Ratingagenturen verorten Douglas beispielsweise im "Ramschbereich". Die Parfümeriekette sitzt auf einem Schuldenberg von mehr als drei Milliarden Euro. Schulden sind für Börsenanwärter allgemein eine große Motivation, den Gang an die Börse zu wagen.
Reddit birgt noch einmal ganz andere Risiken: Acht Prozent der Aktien sollen an besonders aktive Nutzerinnen und Nutzer der Plattform gehen. Anders als große Profiinvestoren müssen sie ihre Aktien nicht ein halbes Jahr im Depot halten, sondern dürfen sie direkt nach dem Börsengang verkaufen, was zumindest theoretisch zu Kurskapriolen führen könnte. Das sollte auch skeptisch machen.
2022 war verheerend für Börsen-Newcomer
Zu Vorsicht mahnt auch Kapitalmarktexperte Sebastian Dörr von der Fondsgesellschaft HQ Trust, vor allem mit Blick auf die Kursentwicklung der Newcomer in der Vergangenheit. Von Traumrenditen kann da keine Rede sein. "Auf lange Sicht hat es sich nicht gelohnt, sich Börsenneulinge ins Depot zu legen", sagt Dörr. Der FTSE Renaissance Global IPO Index listet knapp 600 Unternehmen, darunter die Kryptobörse Coinbase, den Chipentwickler ARM oder die Autobauer Volvo und Porsche. Dörr hat die Performance für den Zeitraum von September 2011 bis Mitte März 2024 untersucht. Das Ergebnis fällt bescheiden aus: "Im Schnitt sind die Werte deutlich hinter denen etablierter Unternehmen zurückgeblieben", zitiert das Portal Fonds Online den Analysten. Während der MSCI ACWI ein Plus von zwölf Prozent pro Jahr verzeichnet habe, seien es beim IPO-Index jährlich nur 9,5 Prozent gewesen. "Allerdings lagen die Börsenneulinge lange in Führung. Zum Verhängnis wurde ihnen das Jahr 2022, in dem der IPO-Index um knapp 50 Prozent abstürzte", erklärt Dörr.
Die Scheu der Unternehmen, einen Börsengang zu wagen, ist derzeit gering. Dafür sitzt Anlegern und Anlegerinnen das Geld einfach zu locker. Diese Chance gilt es aus Unternehmenssicht zu nutzen. Und was gilt für Anleger? "Wer schon immer an einem Unternehmen beteiligt sein wollte, der kann bei einem Börsengang sagen: Ich war von Anfang an mit dabei", erklärt Stanzl die IPO-Euphorie. Positiv gesehen, könne das "die Bindung an die eigene Anlage deutlich erhöhen". Privatanleger und -anlegerinnen sind im Vorfeld eines Kaufs auf jeden Fall immer gut beraten, Börsenanwärter auf Herz und Nieren zu prüfen.
Quelle: ntv.de