Wirtschaft

Reaktion auf den Abgas-Skandal Europa testet künftig auf der Straße

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Wie streng kontrollieren die Behörden? Seit VW bei den Abgastests betrogen hat, steht die Politik unter Druck. Künftig sollen die Emissionen unter realistischeren Bedingungen getestet werden. Umweltschützer sprechen von einer "zynischen Entscheidung".

Der Rahmen für die neuen Auto-Abgastests in Europa steht: Anstatt wie bisher im Labortest auf dem Prüfstand sollen die zuständigen EU-Behörden die Abgaswerte insbesondere bei Diesel-Fahrzeugen unter realistischeren Bedingungen im normalen Straßenverkehr messen. Darauf haben sich Experten der EU-Staaten in Brüssel geeinigt.

Umweltschützer sind enttäuscht: Die Werte dürfen für Dieselfahrzeuge dabei künftig um die Hälfte höher sein als bisher im Labor. Damit fallen die Regeln zwar strenger aus als bisher, aber weniger scharf als von der EU-Kommission ursprünglich geplant. Wichtigste Neuerung: Nach Ansicht von Experten wäre Betrug bei den Abgaswerten wie im Fall Volkswagen in Straßentests schwieriger machbar als bei den bisher praktizierten Tests auf dem Prüfstand.

"Zynische Entscheidung"

Die Weichenstellung rief umgehend Kritik hervor: Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, sprach von einer "zynischen Entscheidung" der Brüsseler Experten. "Europäische Automobilhersteller werden für ihre Dreistigkeit belohnt, keine Anstrengungen zu unternehmen, die europäischen Regeln einzuhalten und ihre Fahrzeuge zu verbessern", erklärte sie.

Die Grünen-Fraktion wolle rechtliche Schritte prüfen, fügte ihr Kollege Martin Häusling hinzu. Mit dem Votum der Experten ist die Entscheidung im Prinzip gefallen, das Europaparlament und die EU-Staaten haben aber noch Prüfrechte und müssen den Beschlüssen noch zustimmen.

Autobranche fürchtet den Aufwand

Straßentests ohne neue Grenzwerte: "Europäische Automobilhersteller werden für ihre Dreistigkeit belohnt, keine Anstrengungen zu unternehmen, die europäischen Regeln einzuhalten und ihre Fahrzeuge zu verbessern."

Straßentests ohne neue Grenzwerte: "Europäische Automobilhersteller werden für ihre Dreistigkeit belohnt, keine Anstrengungen zu unternehmen, die europäischen Regeln einzuhalten und ihre Fahrzeuge zu verbessern."

(Foto: picture alliance / dpa)

Für die Automobilindustrie fällt die geplante Verschärfung glimpflich aus: Die Hersteller müssen sich in geringerem Umfang anstrengen als von der EU-Kommission ursprünglich geplant. Die Brüsseler Behörde wollte zunächst eigentlich nur geringe Abweichungen von weniger als 20 Prozent zwischen Straßen- und Labortests zulassen. Die Abweichungen sollten Ungenauigkeiten bei der Messung abdecken. Die nun vereinbarte Regelung sieht Spielraum von bis zu 50 Prozent vor.

Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) begrüßte die Einführung von Straßentests und den Zeitpunkt der Einführung 2017. "Allerdings ist die heutige Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten im Technical Committee on Motor Vehicles (TCMV) in Brüssel äußerst ambitioniert", schränkte VDA-Präsident Matthias Wissmann ein.

Die vereinbarten Werte stellten Automobilhersteller und Zulieferer vor große technische und wirtschaftliche Herausforderungen, sagte Wissmann. Er kritisierte, dass es bisher keine Folgenabschätzung der geplanten Maßnahmen für die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie gegeben habe.

Vier Mal mehr Stickoxid

Derzeit werden die Abgaswerte von Fahrzeugen nicht auf der Straße, sondern nur auf dem Prüfstand getestet. Dort sind die Obergrenzen für den Schadstoffausstoß aber deutlich leichter einzuhalten als auf der Straße, wo die Wagen nach Angaben der EU-Kommission bis zu vier Mal mehr Stickoxide (NOx) in die Luft blasen.

Straßentests für Schadstoffe (RDE-Tests) sollen ab September 2017 für die Zulassung neuer Fahrzeugtypen relevant werden. Für eine Übergangszeit bis Januar 2019 dürfen Autos dabei noch mehr als doppelt so viel Abgase ausstoßen wie bisher am Prüfstand maximal zulässig. Für Neuwagen werden Straßentests ab September 2019 obligatorisch - das ist ein Jahr später als eigentlich von der Brüsseler Behörde vorgesehen.

Eine Gegenstimme, eine Enthaltung

"Stickoxid-Verschmutzung, vor allem aus Dieselautos, verursacht frühzeitige Todesfälle, Asthma und Geburtsfehler", kommentierte Greg Archer von Transport and Environment. "Es ist schockierend, dass die Regierungen so darauf versessen sind, Autobauern zu gefallen und die gesundheitlichen Folgen diesen unsichtbaren Killers (...) ignorieren."

Die EU-Kommission sprach mit Blick auf das neue Verfahren hingegen von "robusten Testmethoden". Die zuständige EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska hatte vor dem Votum noch erklärt, eine Entscheidung müsse dringend fallen. Andernfalls drohe eine Verzögerung um Monate. Nach Angaben von EU-Diplomaten stimmten nur die Niederlande gegen den Vorschlag, Tschechien enthielt sich. Die Vertreter der übrigen 26 EU-Staaten hätten für die Einigung gestimmt.

Quelle: ntv.de, mmo/dpa

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