Wirtschaft

Nachwuchs-Fachkräfte wandern ab Fast jeder siebte Studierende will im Ausland arbeiten

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Ausbildung in Deutschland ja, arbeiten nein: "Wir müssen gleichzeitig unsere eigenen Fachkräfte im Land halten und bessere Perspektiven schaffen", sagt Jobvalley-CEO Clemens Weitz.

Ausbildung in Deutschland ja, arbeiten nein: "Wir müssen gleichzeitig unsere eigenen Fachkräfte im Land halten und bessere Perspektiven schaffen", sagt Jobvalley-CEO Clemens Weitz.

(Foto: picture alliance / photothek)

Jeder zweite Betrieb in Deutschland klagt laut DIHK über Fachkräftemangel. Die Hoffnung ruht zum Teil auf Nachwuchskräften, die studieren und in deren Ausbildung Deutschland viel Geld investiert. Eine besorgniserregend hohe Zahl an jungen Menschen will aber gar nicht in Deutschland bleiben.

In Deutschland herrscht akuter Fachkräftemangel. Aufgrund der Zuwanderungspolitik gestaltet sich nicht nur der Zuzug dringend benötigter Arbeitskräfte schwierig. Auch die Ausbildung des Nachwuchses, insbesondere in den wichtigen MINT-Fächern - Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik -, scheint die Lage in Zukunft kaum zu bessern. Denn laut einer repräsentativen Studie, die ntv.de vorliegt, wollen immer mehr angehende Fachkräfte, die in Deutschland ausgebildet werden, nicht hier bleiben, sondern ins Ausland gehen.

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(Foto: Jobvalley/ Universität Maastricht )

Fast jeder fünfte Studierende ist demnach überzeugt, dort nach dem Studium bessere Jobchancen zu haben. Das geht aus Umfragen des Personaldienstleisters Jobvalley und des Departments of Labour Economics der Universität Maastricht hervor. Befragt wurden im Oktober und November 2023 hierfür insgesamt 12.343 Studierende aus ganz Deutschland.

Bei den dringend benötigten Nachwuchskräften aus den MINT-Fächern liegt der Wert sogar bei über 22 Prozent. Eine besorgniserregende Entwicklung, denn schon jetzt sind laut Branchenverband Bitkom 49.000 IT-Stellen in Deutschland unbesetzt, 12.000 mehr als vor einem Jahr. Im Gesundheitswesen - dazu zählen auch angehende Ärztinnen und Ärzte - liegt die Quote sogar bei 26,9 Prozent. Der Trend verschärfe sich zunehmend, schreiben die Studienautoren.

Ausbildung in Deutschland ja, arbeiten nein

Die Einschätzung der Jobchancen hat Folgen, denn 13,3 Prozent aller befragten Studierenden haben bereits konkrete Abwanderungspläne. Das ist jeder siebte bis achte Studierende. Wie die Studie zeigt, erwägen Studierende mit Migrationshintergrund dabei deutlich häufiger eine Auswanderung - und das unabhängig davon, ob sie ihre Studienberechtigung in Deutschland erworben haben oder nicht. In der ersten Gruppe planen 17,5 Prozent auszuwandern, in der zweiten (Schulabschluss im Ausland erworben) 20,2 Prozent. "Besonders alarmierend ist, dass wir Gefahr laufen, jeden fünften bis sechsten Studierenden mit Migrationshintergrund zu verlieren - obwohl die Betroffenen sowohl Schule als auch Studium in der Bundesrepublik absolviert haben", warnt Jobvalley-Chef Clemens Weitz.

Die Zahlen sind auch deshalb besorgniserregend, weil sie einen Braindrain, also die Abwanderung überdurchschnittlich gut ausgebildeter junger Menschen, quer durch alle Berufsgruppen zeigen. Weitz spricht hier von einer "Bedrohung für den Wirtschaftsstandort Deutschland". Bereits jedes zweite Unternehmen klagt nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) über Fachkräftemangel. Die Entwicklung, dass sich junge Fachkräfte neu orientieren, verschärfe die aktuelle Misere auf dem Arbeitsmarkt, sagt Weitz. "Wir müssen gleichzeitig unsere eigenen Fachkräfte im Land halten und bessere Perspektiven schaffen."

Um den Fachkräftenachwuchs in Deutschland zu halten und den Abwanderungsprozess zu verlangsamen, brauche es neue Ansätze, so der Jobvalley-Chef. Die Nachfrage der Studierenden nach Perspektiv-Gesprächen beispielsweise zeige, dass sie sich mehr Unterstützung von den Unternehmen wünschten. Sie müssten früh ansetzen, um den Studierenden möglichst klare berufliche Perspektiven aufzuzeigen.

Bei der Abwanderungsentscheidung der angehenden Fachkräfte scheint auch die mangelnde Attraktivität des Standorts Deutschland eine Rolle zu spielen. Denn nicht nur die Karrierechancen in Deutschland werden überwiegend pessimistisch eingeschätzt. Auch die aktuelle und zukünftige wirtschaftliche Lage Deutschlands wird überwiegend negativ beurteilt. Die aktuelle Lage schätzen 33,6 Prozent als "eher schlecht" ein, die Zukunft der Wirtschaft sogar 35,6 Prozent. Umgekehrt beurteilen 27,5 Prozent die aktuelle Lage als "eher gut" und 33,7 Prozent die Zukunft der Wirtschaft als "eher gut".

Quelle: ntv.de, ddi

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