Wirtschaft

Gewerkschaft NGG: "Nebelkerze" Fleisch-Riesen für weniger Werkverträge

In Betrieben wie Tönnies sind viele Arbeiter bei Subunternehmern angestellt, verdienen wenig und müssen viel Geld für eine Unterkunft bezahlen.

In Betrieben wie Tönnies sind viele Arbeiter bei Subunternehmern angestellt, verdienen wenig und müssen viel Geld für eine Unterkunft bezahlen.

(Foto: imago images/biky)

Das Coronavirus könnte zum Ende der umstrittenen Werkverträge in der Fleisch-Branche führen. Zumindest machen die Großen der Branche wie Tönnies und Wiesenhof entsprechende Ankündigungen. Die Gewerkschaft NGG hat dazu eine klare Meinung.

Die Corona-Ausbrüche in der Fleischindustrie sollen zu spürbaren Verbesserungen für viele der dort beschäftigten Arbeiter führen. Drei große deutsche Konzerne - Tönnies, Westfleisch und PHW mit der Marke Wiesenhof - kündigen an, künftig auf Werkverträge in maßgeblichen Bereichen zu verzichten. Tönnies und Westfleisch stellten auch Verbesserungen bei der Unterbringung der Arbeiter in Aussicht. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) bezeichnete die Pläne als "Nebelkerze". Freiwillige Maßnahmen der Fleischindustrie funktionierten nicht, Werkverträge müssten gesetzlich verboten werden, hieß es.

Gewerkschaften und auch Parteien wie die SPD üben seit Jahren Kritik an den Werkverträgen. In die Debatte um ein Verbot kam durch die Ausbrüche in Schlachtfabriken neue Bewegung. Auf einem Schlachthof von PHW im niedersächsischen Wildeshausen wurden 23 Beschäftigte positiv auf das Coronavirus getestet. Bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück gibt es einen massiven Corona-Ausbruch mit mehr als 1550 positiv auf das Coronavirus getesteten Beschäftigten. Davor hatte es bei Westfleisch eine Häufung an Fällen gegeben.

Tönnies teilte nun mit, dass Werkverträge in allen Kernbereichen der Fleischproduktion abgeschafft und die Mitarbeiter stattdessen direkt in der Unternehmensgruppe angestellt würden - das Unternehmen beschäftigt derzeit weltweit 16.500 Menschen. Konkurrent Westfleisch in Münster mit rund 5800 Mitarbeitern kündigte an, in den kommenden sechs Monaten alle Beschäftigten selbst einzustellen. Auch PHW, das 7000 Mitarbeiter hat, will die Werksarbeiter in der Geflügelfleischerzeugung fest übernehmen. Es handle sich um rund 20 Prozent der Mitarbeiter.

Auch größere Unterkünfte soll es geben

Tönnies stellte die Schaffung von "ausreichend und angemessenem" Wohnraum für die Beschäftigten an seinen Standorten in Aussicht. Auch Westfleisch kündigte an, eine angemessene Wohnsituation sicherzustellen. Die Unterbringung der häufig als Billiglohnkräfte aus Osteuropa eingesetzten Beschäftigten gilt als einer der Gründe für die Ausbreitung des Coronavirus.

Der Fleischfabrikant kündigte zudem Integrationsprogramme zur "Stärkung der gesellschaftlichen Akzeptanz" an den Standorten an sowie Aus- und Fortbildungsprogramme mit einem Schwerpunkt für übernommene Mitarbeiter. Die geplanten Regelungen sollen ab Januar gelten. "Wir wollen auch in Zukunft in Deutschland Fleisch produzieren - dafür brauchen wir die gesellschaftliche Akzeptanz", erklärte Konzernchef Clemens Tönnies. "Dies gilt über alle Ketten der Fleischproduktion und schließt ausdrücklich die Landwirtschaft mit ein."

Westfleisch-Finanzvorstand Carsten Schruck erklärte, der Fokus des von dem Unternehmen beschlossenen Zehn-Punkte-Zukunftsprogramms liege "auf der Übernahme von deutlich mehr Verantwortung für Mensch, Tier und Gesellschaft". Das Unternehmen habe sich in der Vergangenheit zu oft bei Verbesserungen abbremsen lassen. "Für die Zukunft unserer bäuerlichen Genossenschaft ist es ganz entscheidend, dass wir konsequenter als bisher die notwendigen Schritte einleiten und tatsächlich auch gehen."

Auch die Schwarz-Gruppe mit den Supermarktketten Lidl und Kaufland erklärte, sie hätte mit ihren Fleisch- und Geflügel-Lieferanten vereinbart, dass diese "spätestens ab Januar 2021" auf Werkverträge verzichten. Es handle sich unter anderem um Tönnies, Westfleisch und Wiesenhof. "Die jüngsten Ereignisse" hätten zu diesem "konsequenten Schritt" geführt. Kaufland selbst stelle seine eigene Fleischproduktion ebenfalls bis Januar um. Den betroffenen Mitarbeitern biete Kaufland unbefristete Arbeitsverträge an

Gewerkschaft hält Verbot für unerlässlich

Die Gewerkschaft NGG sprach von "Nebelkerzen". Es handle sich um den "untauglichen Versuch", die von der Bundesregierung angekündigten gesetzlichen Vorschriften zur Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischwirtschaft zu verhindern, erklärte Vize-Gewerkschaftschef Freddy Adjan.

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"Gut klingende Absichtserklärungen haben wir von dieser Branche schon viele gehört - geändert hat sich nichts." Freiwillige Lösungen hätten in der Fleischindustrie noch nie funktioniert und würden auch nicht funktionieren: "Die Arbeits- und Lebensbedingungen in der deutschen Schlacht- und Zerlegeindustrie werden sich nur mit scharfen und engmaschig kontrollieren Gesetzen bessern", forderte Adjan.

Die SPD-Fraktionsvize Katja Mast erklärte, die geplante Gesetzesnovelle sei mit den Ankündigungen der Unternehmen nicht vom Tisch. "Denn es geht ja darum, Werkverträge und Leiharbeit im Kernbereich der Produktion zu verbieten. Das Gesetz kommt."

Quelle: ntv.de, vpe/dpa

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