Coworking wird erwachsen Schöner arbeiten
06.03.2016, 11:05 Uhr
Club der Kreativen: In Tel Aviv bietet Mindspace bereits Arbeitsplätzen an.
(Foto: Mindspace)
Die "Wir-nennen-es-Arbeit"-Generation geht raus aus dem Café, rein ins Coworking. Mit Mindspace und Wework wollen zwei internationale Anbieter nun den Markt für hippe Arbeitsplätze erobern.
Kein festes Büro, keine feste Bezahlung, ohne Dienstwagen oder Anzug. Aber mit viel Freiheit und den Anspruch, Privatleben, Job und weitere Interessen nach eigenem Ermessen zu verbinden - so sieht die Arbeitswelt der mobilen, kreativen Jobnomaden aus. Sie klappen ihre Laptops dort auf, wo sie die passende Umgebung finden: Zu Hause, beim Kunden, im Café - und in den letzten Jahren verstärkt in den sich über die hippen Stadteile Berlins, Hamburgs und anderen Großstädten ausbreitenden Coworking-Spaces. Hier finden sie eine Arbeitsumgebung, die vom Gemeinschaftgedanken, Kreativität, Möglichkeiten der Zusammenarbeit und großer Flexibilität geprägt ist.
Auf den ersten Blick unterscheiden sich die Coworking-Spaces von klassischen Büroflächen vor allem durch ihre lockere Atmosphäre. Im Stil zwischen Café mit Arbeitsbereichen und Großraumbüros mit Wohnzimmercharme eingerichtet, verfügen sie in der Regel über eine Fläche von etwa 200 bis 1.000 Quadratmetern, haben eine starke Verankerung im jeweiligen Kiez und sind häufig aus einer bestehenden Bürogemeinschaft heraus entstanden.
Als Alternative zum eher traditionellen Business Center sprechen sie vor allem Freelancer, junge Start-Ups oder Kreativunternehmen mit wenigen Mitarbeitern an. Wo die klassischen Business Center eine mit der Hotelerie vergleichbare Dienstleistung anbieten, entsprechen Coworking-Spaces eher dem Backpacker-Hostel im Kreuzberger Hinterhof.
In den vergangenen Jahren wurde nach und nach aus den ersten umgebauten Ladengeschäften ein neues, professionelles Geschäftsmodell: Das Betahaus am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg bietet etwa auf 3.600 Quadratmetern eine breite Palette an unterschiedlichen Arbeitslösungen. Für eine sehr professionelle Umgebung steht die Factory im Prenzlauer Berg.
Mit der Eröffnung der Niederlassungen der internationalen Anbieter Mindspace und Wework wird sich dieser Trend verstärken. Coworking geht heraus aus dem Kiez und wird internationalisiert, die Flächen werden deutlich größer, die Dienstleistung zunehmend professionalisiert, es wird kommerzieller.
Premium-Arbeiten in bester Lage
Der israelische Anbieter Mindspace geht Anfang April in Berlin und Hamburg an den Start. In Berlin wird Mindspace mit einer Fläche von 5.000 Quadratmetern in absoluter Premiumlage in der Friedrichstraße auf der Höhe des Gendarmenmarktes einen oberen Standard für Coworking in Berlin setzen. Die parallele Eröffnung eines weiteren Coworking Space in Hamburg wird die Mitgliedschaft für mobile Freelancer noch einmal interessanter machen.
Sind die Pläne von Mindspace bereits ein erster Meilenstein in Berlin, so werden die Pläne von Wework, mit 50 Coworking Spaces weltweit Marktführer der Branche, den Markt noch nachhaltiger verändern. Nach einigen Finanzierungsrunden hat das amerikanische Unternehmen genügend Kapital eingesammelt, um einen aggressiven Auftritt auf dem Berliner Markt wagen und vermutlich auch durchhalten zu können. Wework plant die Eröffnung von drei Standorten mit insgesamt 25.000 Quadratmetern Bürofläche – das ist mehr als die zur Zeit in Berlin zur Verfügung stehenden Coworkingfläche und damit eine Verdoppelung des Angebots.
Kann Kreativität kommerzialisiert werden?
Spannend bleibt, ob der Markt die Menge an neu zur Verfügung stehenden Arbeitsplätzen absorbieren kann und welche Auswirkungen die Erweiterung des Angebots auf die bestehende Coworkingszene hat. Die Herausforderung besteht insbesondere darin, die Grundidee des Coworking zu erhalten: Eine offene, kreative, flexible und vernetzte Arbeitsumgebung für mobile, junge und kommunikative Kreativarbeiter.
Die bereits etablierten, aber auch die neue Standorte eröffnenden Coworking Anbieter werden sich in diesem Spannungsfeld zwischen kreativer Offenheit und disziplinierter Professionalität positionieren müssen. Gelingt das, steht vielleicht auch der nächsten Stufe nichts mehr im Weg: Dem Coliving – professionell gestaltete und gleichzeitig hippe WGs für Jobnomaden, die derzeit in Start-up-Citys wie Amsterdam, Kopenhagen, New York den Markt erobern.
(Hinweis für Mobilnutzer: Die Infografik zur Gründerquote nach Bundesländern finden Sie hier.)
Quelle: ntv.de