Gewinne runter, Boni rauf Goldene Nasen an der Wall Street
18.03.2015, 10:26 Uhr
Unvermeidliche Boni? Das hätten andere Berufsgruppen auch gerne
(Foto: REUTERS)
Die Gewinne brechen ein, der Markt ist hektisch, doch die Börsianer an der Wall Street haben keinen Grund zur Sorge: Sie gehen auch dieses Jahr wieder mit dicken Boni-Tüten nach Hause. Und fühlen sich zu Unrecht kritisiert.
Die Wall Street hat es nicht leicht zurzeit. Der Markt ist nervös, hat Angst vor einer Zinsanhebung, die mit einiger Wahrscheinlichkeit das Ende des Bullenmarktes bringen könnte. Dazu kommen neue Spielregeln, die den Handel seit der Finanzkrise komplizierter gemacht haben. Noch schlimmer: Viele Banken mussten Milliarden abdrücken, um für ihre Sünden während der Finanzkrise zu büßen, manche Prozesse stehen noch aus... ach ja, und dann gibt es auch noch den Stresstest der Fed, dem so manches Investmenthaus nicht gewachsen ist.
Ein Stresstest bei einzelnen Tradern dürfte hingegen kaum besorgniserregendes zu Tage fördern. Im Gegenteil. Trotz hoher Volatilität auf dem Parkett sind die Händler ganz gelassen. Total cool. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie sich auch in schwierigen Zeiten keine Sorgen machen müssen. Soeben wurde bekannt, dass die Boni an der Wall Street im abgelaufenen Jahr wieder angehoben wurden. Zwar nur um überschaubare 2 Prozent, doch das ist mehr, als man hätte erwarten können. Denn die Gewinne an der Wall Street brechen weiter ein, um fast 5 Prozent im vergangenen Jahr.
Das ist das zweite Jahr in Folge, dass trotz schwächerer Performance bei den Banken die Boni für die Banker angehoben werden. Im vergangenen Jahr war die Diskrepanz noch viel stärker: Die Gewinne brachen um 30 Prozent ein, die Boni stiegen um 15 Prozent.
Ein Recht auf Boni?
Man darf sich schon fragen, wie sich die Entwicklung der Sonderzahlungen rechtfertigen lässt. Ganz einfach: an der Wall Street orientieren sich die Boni nicht am Gewinn der Unternehmen sondern am Umsatz. Das macht eigentlich keinen Sinn, und vor allem Aktionäre haben allen Grund zu schimpfen: was nützt schon ein hoher Umsatz, wenn er nicht zumindest anteilig zu Gewinn wird? Warum sollen Shareholder für Boni zahlen, die beim Empfänger das unsinnige Verhalten fördern, den Umsatz statt des Gewinns zu steigern?
Das Top-Management hält dagegen: riesige Boni seien an der Wall Street unvermeidlich. Denn einerseits seien die Grundgehälter niedrig, und andererseits würden sonst die Hedgefonds die besten Spieler wegkaufen. Dem steht natürlich entgegen, dass sich die meisten der derzeit mehr als 8,000 aktiven Hedgefonds im Amerika vergleichbare Boni gar nicht leisten könnten. Und dass die Grundgehälter auch gar nicht so niedrig sind. Berufsanfänger bekommen an der Wall Street im Schnitt 85.000 Dollar - das ist im US-Mittel top. Und wird nur noch von Anwälten übertroffen.
Eine weitere kleine Statistik zeigt, dass sich die Trader wirklich nicht über zu geringe Entlohnung beschweren dürfen. Das Institut for Policy Studies hat berechnet, dass sich die Bonuszahlungen für die doch eher überschaubare Menge von Händlern auf 28 Milliarden Dollar summieren - das ist doppelt so viel wie der Lohn aller Amerikaner, die zur Zeit für Mindestlohn schuften.