Überschüsse, Wachstum, Sparen Griechenland zeigt Frankreich, wie es geht


Nach den Jahren der Finanzkrise wächst Griechenlands Wirtschaft stetig. Mit 2,3 Prozent prognostiziert die OECD ein im EU-Vergleich überdurchschnittliches Wachstum.
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Ausgerechnet am Tag nach dem Zusammenbruch der Barnier-Regierung überhäuft die OECD Griechenland mit Lob. Denn aus dem einstigen Schuldensünder ist ein Musterschüler der Ausgabendisziplin geworden. Während Paris immer tiefer im Haushaltschaos versinkt, geht es in Athen steil bergauf.
Der Kontrast könnte größer nicht sein: Zum ersten Mal seit mehr als 50 Jahren jagt die Opposition in Paris die Regierung von Premierminister Michel Barnier per Misstrauensvotum aus dem Amt. In der zweitgrößten Euro-Nation Frankreich herrscht nun auf absehbare Zeit Stillstand. Bis zum Sommer kann keine neue Nationalversammlung gewählt werden. Die drei großen parlamentarischen Blöcke - das Linksbündnis Nouveau Front Populaire, Emmanuel Macrons Mitte-Parteien und das rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen - blockieren sich gegenseitig.
Ein neuer Haushalt, geschweige denn eine Mehrheit für eine Spar- und Wachstumsstrategie, die das Land aus seinem Schlamassel führen könnte, ist nicht in Sicht. Es ist eine Polit-Krise, wie man sie bislang eigentlich nur aus südeuropäischen Schuldenstaaten auf dem Höhepunkt der Euro-Krise kennt.
Doch am einstigen Knackpunkt der Währungsunion zeigt sich inzwischen genau das umgedrehte Bild. Griechenland ist nach Jahren der mühsamen Haushaltskonsolidierung wieder auf dem aufsteigenden Ast. Die finanzielle Dynamik beider Länder ist diametral entgegengesetzt: Während Frankreich immer tiefer in Defiziten versinkt, fährt Griechenland Überschüsse ein und baut Schulden ab. Alle Indikatoren zeigen auf dem Peloponnes steil nach oben. In vielerlei Hinsicht macht Athen der Regierung in Paris gerade vor, was ihr noch bevorsteht.
Aufschwung in Athen, Flaute an der Seine
Ausgerechnet am Tag nach dem historischen Regierungssturz in Paris bescheinigt die OECD - mit Hauptsitz in Paris - Griechenland Bestnoten in Sachen Haushalts- und Wirtschaftspolitik. Die griechische Wirtschaft habe sich "während der aktuellen Krisen gut gehalten und das Wachstum in der Eurozone seit der globalen Energiekrise übertroffen". Mit einem Plus von 2,3 Prozent in diesem Jahr sowie 2,2 Prozent im Jahr 2025 und 2,5 Prozent im Jahr 2026 liegen die Hellenen inzwischen deutlich über dem Durchschnitt aller 38 OECD-Länder (1,7 Prozent).
In Frankreich ist es genau umgekehrt: Mit einem Wachstum von gerade mal 1,1 Prozent erfüllt die Grande Nation - ebenso wie Deutschland, das sogar nur eine schwarze Null schafft - nicht einmal das Klassenziel. Und bis 2026 soll der zarte Aufschwung in Frankreich sogar noch leicht auf 1,0 Prozent abflauen. Faktisch wird sich die zweitgrößte Wirtschaft der Eurozone also in den nächsten drei Jahren seitwärts bewegen und nicht vorankommen. Auch die EU kam bei ihrer halbjährlichen Wachstumsprognose Mitte November auf ähnliche Zahlen.
"Griechenland hat die Früchte der vielen wichtigen Reformen geerntet, die es über die Jahre umgesetzt hat", sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann bei der Vorstellung des Wirtschaftsausblicks. Schon seit 2021 übertrifft das Land den Wachstumsschnitt in der Eurozone. Und statt horrender Haushaltslöcher wie während der Euro-Krise erwirtschaftet der Staat längst Primärüberschüsse: Athen geht von 2,5 Prozent im kommenden Jahr und 2,4 Prozent im Jahr 2026 aus.
In Paris wächst der Schuldenberg, in Athen schrumpft er
Dadurch passiert früher Undenkbares: Allmählich kommt Griechenland raus aus den Schulden. Schon seit 2020 schrumpft der Schuldenberg des Landes spürbar. Zwar liegt er laut OECD nach den Maastricht-Kriterien immer noch bei 163,9 Prozent der Wirtschaftsleistung. Aber angesichts der astronomischen Ausgangshöhe von 209,4 Prozent der Wirtschaftsleistung noch vor vier Jahren ist das eine deutliche Verbesserung.
In Frankreich dagegen wird das Defizit immer größer: "Der Haushaltssaldo verschlechterte sich und die öffentlichen Schulden stiegen während der Covid-Pandemie signifikant", schreibt die OECD. Schon 2022 klaffte eine Lücke von fast fünf Prozent im französischen Haushalt. Bis Ende des Jahres werden es fast sechs Prozent sein - mehr als doppelt so viel, wie die EU eigentlich erlaubt. Inzwischen steht Paris mit gut 112 Prozent seiner Wirtschaftsleistung in der Kreide.
"Erhebliche Herausforderungen bleiben", schreibt die OECD mit Blick auf den Reformkurs in Griechenland. "Weitere politische Maßnahmen sind jetzt nötig, um weiterhin starkes Wachstum und Haushaltstragfähigkeit sicherzustellen, vor allem, um die öffentlichen Schulden auf einem stetig abnehmenden Pfad zu halten." Angesichts des politischen Patts in Frankreich nimmt sich das wie eine Kleinigkeit aus: "Zusätzliche Haushaltskonsolidierungsbemühungen sind wichtig, um die öffentlichen Schulden deutlicher zu reduzieren", mahnt die OECD die Pariser Regierung. Denn bisher gibt es dafür im französischen Parlament keine Mehrheit.
Quelle: ntv.de