Forderung nach strengen Auflagen Keine Corona-Hilfen bei Dividendenzahlung?
23.04.2020, 19:46 Uhr
Aktienrückkäufe sind ein beliebtes Mittel, um den Aktienkurs des eigenen Unternehmens künstlich zu steigern.
(Foto: Daniel Reinhardt/dpa/Symbolbild)
Manche EU-Länder verweigern Staatshilfen an Unternehmen, die während der Corona-Krise weiter Dividenden zahlen oder Aktien zurückkaufen. Auch in Deutschland werden Forderungen nach strengeren Auflagen laut. Denn ein Großteil der börsennotierten Konzerne hierzulande hat ganz andere Pläne.
Der Ausschluss bestimmter Unternehmen von staatlichen Corona-Hilfen in anderen EU-Staaten hat auch in Deutschland eine Debatte um strengere Auflagen angestoßen. Umstritten ist insbesondere, dass zahlreiche Unternehmen ihren Aktionären auch in der Krise und trotz verbreiteter Kurzarbeit weiter Dividenden zahlen wollen. Nach Dänemark erklärte nun auch Frankreich, dass betroffene Unternehmen keine Gewinne an ihre Anteilseigner auszahlen oder Aktien zurückkaufen dürfen.
"Wenn Sie von den Finanzen des Staates profitieren, können Sie keine Dividenden ausschütten oder Aktien zurückkaufen", sagte Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire "mit aller Deutlichkeit" im Rundfunksender France Info. Demnach dürfen Unternehmen, die wegen der Corona-Pandemie Hilfe vom französischen Staat in Anspruch nehmen, ihre Gewinne auch nicht ins Ausland verschieben. Firmen mit Hauptsitz oder Töchtern in einem Steuerparadies seien "selbstverständlich" von Staatshilfen ausgeschlossen, sagte Le Maire. Frankreich folgt damit dem Beispiel anderer Länder. Dänemark etwa hat diese Regeln ebenfalls aufgestellt.
Der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Fabio De Masi, hatte schon in den vergangenen Tagen gefordert, auch Deutschland müsse Firmen von Staatshilfen ausschließen, die in Steueroasen registriert sind, Dividenden ausschütten oder ihre eigenen Aktien zurückkaufen.
Solche Aktienrückkäufe sind ein beliebtes unternehmerisches Mittel, um den Aktienkurs des eigenen Unternehmens und die Dividenden der verbliebenen Aktionäre künstlich zu steigern, jedoch fehlen die dafür aufgewendeten liquiden Mittel in der Krise.
Adidas beantragt Milliardenkredit bei KfW
Die milliardenschweren Staatshilfen an große Unternehmen wecken auch in Deutschland die Angst vor einem zu leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern. "Es ist gut, dass der Staat sehr schnell und unbürokratisch hilft. Trotzdem ist es immer noch das Geld von jetzigen und künftigen Steuerzahlern", sagte der Chef der Unions-Mittelstandsvereinigung (MIT), Carsten Linnemann. "Deshalb müssen wir stark darauf achten, dass es keinen Missbrauch gibt."
Zwar untersagt die Bundesregierung nach "Handelsblatt"-Informationen zumindest denjenigen Unternehmen, die über die staatliche Förderbank KfW Geld bekommen wollen, vorübergehend die Gewinnausschüttung. Für Erstaunen hatte vor allem der Sportartikelriese Adidas gesorgt, der sich mit dem Verweis auf weltweit geschlossene Sportgeschäfte einen Drei-Milliarden-Euro-Kredit mit KfW-Garantie besorgt hatte. Das Unternehmen verpflichtete sich, bis Mitte 2021 neben einem Stopp seiner Aktienrückkäufe auch Dividenden und Boni auszusetzen.
Große Adidas-Investoren können damit leben. "Der Dividendenverzicht kann Adidas dabei helfen, nach der akuten Corona-Krise wieder hohe Gewinne für die Aktionäre zu erwirtschaften", sagte Henrik Pontzen von der Fondsgesellschaft Union Investment. Auch einige Politiker und Experten verteidigten das Vorgehen des Unternehmens aus Herzogenaurach.
FDP-Fraktionsvize Michael Theurer sagte zu Reuters, es sei zwar "bezeichnend, dass etliche große börsennotierte Unternehmen bei den staatlichen Hilfen sehr schnell zugegriffen haben". Adidas habe aber durch die Eingriffe des Staates - Ladenschließungen zum Gesundheitsschutz - große wirtschaftliche Nachteile erlitten. "Deshalb ist es für die FDP akzeptabel, wenn es nun eine attraktive staatliche Hilfe als Ausgleich nutzt." Der Staat müsse aber rasch Auswege aus den großen Hilfsprogrammen aufzeigen.
"Die hässliche Fratze des Kapitalismus"
Andere Aktiengesellschaften halten aber an - teilweise reduzierten - Milliardendividenden fest, allen voran die Autobauer Volkswagen, Daimler und BMW sowie der Zulieferer Continental, obwohl die Branche in der Corona-Krise massiv von Kurzarbeit betroffen ist. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) schätzte auf AFP-Nachfrage, dass aktuell immer noch rund drei Viertel der 160 in Dax, MDax und SDax notierten Unternehmen Dividenden zahlen wollen.
Demnach senkten bislang sieben Dax-Konzerne die Dividende, neben Adidas strichen auch die Deutsche Bank und die Lufthansa sie ganz. Gleichzeitig wollten 13 Unternehmen nach derzeitigem Stand ihre Auszahlungen sogar erhöhen, darunter die Allianz und BASF, teilte ein DSW-Sprecher mit.
Aus Sicht von Kritikern sind Dividenden mit der Beantragung des staatlichen Kurzarbeitergelds unvereinbar: SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider sieht in entsprechenden Unternehmensplänen "die hässliche Fratze des Kapitalismus". Auch CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach warf Unternehmen vor, die Staatskredite als günstige Gelegenheit zur Umschuldung zu nutzen.
Die DSW dagegen verwies darauf, dass die Ausschüttungen nach den Vorjahresgewinnen ausgerichtet und auch für Privatanleger, Pensionskassen und Stiftungen wichtig seien. Unternehmen, "die besonders gebeutelt sind von der Krise", sollten darauf verzichten, wer aber weniger stark betroffen oder auf der Liquiditätsseite "gut aufgestellt sei", könne mitunter auch trotz Kurzarbeit daran festhalten, sagte ein DSW-Sprecher. Doch auch er betonte: "Was nicht richtig zusammenpasst, ist, wenn Unternehmen Dividenden ausschütten und gleichzeitig direkte Zahlungen vom Staat bekommen."
Quelle: ntv.de, lri/AFP/rts