100 Jahre geballte Chemie Leuna blickt zurück
06.03.2016, 07:39 Uhr
Leuna gilt heute als Vorzeigestandort für den Wandel.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der größte Chemiestandort Deutschlands hat eine lange bewegte Geschichte. Zu DDR-Zeiten stark herunter gewirtschaftet, steht das sächsisch-anhaltinische Leuna heute gut da. Bei einer Festrede erinnert Kanzlerin Merkel aber auch an dunkle Kapitel.
Lange Röhren, große Kessel und viele Chemikalien-Lager: Leuna im Süden Sachsen-Anhalts ist ein Inbegriff der Chemieindustrie. Vor 100 Jahren wurde der Grundstein gelegt. Zum großen Jubiläum besuchte Kanzlerin Angela Merkel den heutigen Industriepark und blickte dabei zurück auf eine bewegte Vergangenheit. "In 100 Jahren Chemiestandort Leuna spiegeln sich schlichtweg die Höhen und Tiefen deutscher Industriegeschichte wider", sagte die Kanzlerin in ihrer Festrede.

"In 100 Jahren Chemiestandort Leuna spiegeln sich schlichtweg die Höhen und Tiefen deutscher Industriegeschichte wider", sagte die Kanzlerin in ihrer Festrede.
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Ein wesentlicher Meilenstein kam mit der Wende. Der einst marode Kombinatsstandort sollte mit Milliarden-Investitionen zu einer blühenden Landschaft werden. Am 25. Mai 1994 griff Bundeskanzler Helmut Kohl auf einem Feld zur Schippe. Es war der symbolische Baustart für die damals fünf Milliarden D-Mark teure Raffinerie. Das deutsch-französische Mega-Projekt galt als das größte der Nachkriegszeit.
Heute sieht die Branche Leuna als einen Vorzeigestandort für den Wandel. Mehr als 100 Firmen - darunter international tätige Großunternehmen wie der französische Mineralölkonzern Total oder der belgische Chemiekonzern Domo - haben sich auf dem 1300 Hektar großen Areal angesiedelt. Seit 1990 wurden mehr als sechs Milliarden Euro am Standort Leuna investiert, berichtete Christof Günther, Chef der Infrastruktur- und Servicegesellschaft Infraleuna GmbH.
Vorreiter der Chemieparks
Zu DDR-Zeiten waren die "VEB Leuna-Werke Walter Ulbricht" und andere Chemie-Großkombinate wie im benachbarten Schkopau (Buna), Bitterfeld, Wolfen und Böhlen ziemlich heruntergewirtschaftet. Frühere Kombinate wurden von der Treuhand in Einzelteilen verkauft. An den sanierten Alt-Standorten oder auf der grünen Wiese nebenan siedelten sich später neue Firmen an.
"Heute steht Leuna sehr gut da", sagte Günther. "Wir haben hier aktuell so viel Baugeschehen wie seit langem nicht mehr, die Anlagen unserer Firmen hier sind gut ausgelastet." Pro Jahr werde ein Umsatz von rund zehn Milliarden Euro erwirtschaftet. Im Zuge des Strukturwandels der ostdeutschen Branche nach 1990 sei Leuna - "eigentlich aus der Not geboren" - zu einem Vorreiter der Chemieparks geworden, von denen es bundesweit von Ludwigshafen bis Bitterfeld knapp 40 gibt, sagte Torsten Kiesner, Sprecher des Landesverbandes Nordost im Verband der Chemischen Industrie.
Zwangsarbeit

Blick über die Bioreaktoren zur Abwasseraufbereitung in dem Chemiepark Leuna.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Geschichte von Leuna begann 1916 mit dem Bau einer Ammoniakfabrik im Auftrag der BASF. Aus Ammoniak wurden Düngemittel und die damals im Ersten Weltkrieg stark benötigten Sprengstoffe hergestellt. Dazu war das Werk extra weit entfernt von der französischen Grenze errichtet worden. Verbunden mit Leuna sind auch Erfindungen wie der Grundstoff von Perlon für die Strumpfindustrie oder synthetische Treibstoffe auf Basis von Braunkohle als Erdöl-Ersatz.
Aber auch großes Leid und Grauen gehören zur Geschichte des Werks südlich von Halle. So dienten Produkte wie das Leuna-Benzin in der NS-Zeit der Kriegsmaschinerie. Tausende Zwangsarbeiter mussten außerdem in Fabriken in Leuna unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Sie wurden in Lagern wie in Spergau gequält, wie Dokumente belegen.
"Wo auch immer Zwangsarbeitern ein großes Leid widerfuhr, bleibt es unsere Pflicht, daran zu erinnern", sagte Merkel. Der Wandel des Standorts und der Branche nach dem Ende der DDR verlief nicht ohne Probleme: Zahlreiche Arbeitsplätze fielen mit der Stilllegung und dem Abriss maroder Anlagen weg. Alternativ-Jobs gab es kaum. Trotz Milliarden-Investitionen, die zum Großteil vom Steuerzahler mitsubventioniert wurden, leidet die Region im Saalekreis immer noch unter hoher Arbeitslosigkeit.
Quelle: ntv.de, Petra Buch und Rochus Görgen, dpa