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Staatssekretärin Brantner "Made in Germany" kann zum Gütesiegel für KI werden

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Wie bei Deutschlands Exportschlagern der Vergangenheit könnte mithilfe verlässlicher Normen und Standards "Made in Germany" auch für KI ein Gütesiegel werden.

Wie bei Deutschlands Exportschlagern der Vergangenheit könnte mithilfe verlässlicher Normen und Standards "Made in Germany" auch für KI ein Gütesiegel werden.

(Foto: picture alliance / JOKER)

Die EU gibt sich mit der neuen KI-Verordnung ein umfassendes Regelwerk für die Nutzung Künstlicher Intelligenz. Zu umfassend und bürokratisch, finden Kritiker aus der Wirtschaft. Franziska Brantner, die das Gesetz für Deutschland mit ausgehandelt hat, ist dagegen sicher, dass diese Regeln Europa helfen, seine Standortvorteile für diese neue Branche auszuspielen.

Nach jahrelangen Verhandlungen steht die KI-Verordnung der EU vor ihrer endgültigen Verabschiedung. Europa gibt sich damit ein umfassendes Regelwerk für die Nutzung Künstlicher Intelligenz. Zu umfassend und bürokratisch, finden Kritiker aus der Wirtschaft. Franziska Brantner, die als Parlamentarische Staatssekretärin beim Wirtschaftsminister das Gesetz für Deutschland mit ausgehandelt hat, ist dagegen sicher, dass diese Regeln Europa helfen, seine Standortvorteile für diese neue Branche auszuspielen.

ntv.de: 900 Seiten umfasst das neue Regelwerk. Dick genug, um damit die gerade entstehende KI-Branche in Europa zu erschlagen?

Franziska Brantner: Die KI-Verordnung schafft einerseits Rechtssicherheit, um die Innovationen zu ermöglichen, die in dieser großartigen Technologie drinstecken, und minimiert gleichzeitig die Risiken in der Anwendung, die es auch gibt. Dieser risikobasierte Ansatz ist natürlich komplex. Wenn man es sich einfach machen und KI generell verbieten oder alles erlauben würde, dann bräuchte man dafür eine halbe Seite. Ich finde es richtig, dass wir hier differenzierter vorgehen.

Wir haben jetzt dieses komplexe Regelwerk, das noch Bürokratie - zum Beispiel das Ausarbeiten von Normen und Standards - nach sich zieht. Andere Standorte, vor allem die USA, haben das nicht in diesem Ausmaß. Da wird es doch für Unternehmen attraktiver sein, diese Zukunftstechnologie dort zu entwickeln.

Das darf in der Tat nicht passieren. Deshalb ist es so wichtig, dass wir bei der Umsetzung pragmatisch und unkompliziert vorgehen, dafür sind wir in der Bundesregierung bereits im engen Austausch mit den Unternehmen. Tatsächlich ist der nationale Ansatz der USA unserem ähnlicher, als man denkt. Darüber hinaus gibt es in den Vereinigten Staaten aber noch einen Wust an unterschiedlichen regionalen Regelungen. Wir in Europa setzen auf einen gemeinsamen, einheitlichen Rahmen. Unsere Chance ist, dass wir dadurch einen großen Markt schaffen. Gemeinsame Normen und Standards, die die Unternehmen auf Grundlage des neuen Gesetzes nun selbst erarbeiten, können unser Wettbewerbsvorteil sein. Normen sind seit über 100 Jahren auch ein Exportschlager Deutschlands, weil bekannt ist, dass man sich auf die Qualität "Made in Germany" verlassen kann. Auch für KI kann, wenn wir diese Normen und Standards jetzt klug und schnell entwickeln, "Made in Germany" ein vertrauenswürdiges Gütesiegel werden, das weltweit geschätzt wird.

Das ist eine tolle Vision. Aber ist das realistisch? Kann Europa bei der Künstlichen Intelligenz überhaupt noch Anschluss finden an die großen amerikanischen Technologiekonzerne?

KI ist wesentlich mehr als die großen Sprachmodelle wie ChatGPT, bei denen wir zwar starke europäische Wettbewerber haben, die Marktmacht aber woanders liegt. Gerade bei den industriellen KI-Anwendungen haben wir mit unseren führenden Maschinenbauern in Deutschland und Europa ein sehr großes Potenzial. Wenn wir deren Know-how und Produktionsdaten gut kombinieren mit künstlicher Intelligenz, können daraus die wettbewerbsfähigsten, klügsten und effizientesten Maschinen entstehen. Das ist ein enormer Standortvorteil.

Es geht bei der Künstlichen Intelligenz nicht nur um eine zukunftsträchtige Branche. Es geht auch um technologische Souveränität bei einer Technologie, die immer mehr Lebensbereiche beeinflussen wird und Risiken mit sich bringt. Dabei geht es viel um generative KI, die also Texte, Bilder oder Videos generieren und damit auch Falschinformationen und Hetze produzieren kann. Bei den Sozialen Netzwerken haben wir Europäer diese technologische Souveränität ein Stück weit verloren und nur noch beschränkte Einflussmöglichkeiten. Können wir das bei der KI noch verhindern?

Ich will zunächst noch einmal das enorme Potenzial deutlich machen, das in dieser Technologie steckt. Nur ein Beispiel: Ich komme aus Heidelberg und dort haben wir das Deutsche Krebsforschungszentrum. Unglaublich, was dort entwickelt wird – hier kann der kluge Einsatz von Daten und KI Menschenleben retten. Gleichzeitig gibt es natürlich Risiken und wir müssen in Europa in der Lage sein, diese Risiken zu steuern oder begrenzen zu können. Das schaffen wir einerseits über mehr Technologien "Made in Europe". Gleichzeitig ist es eine regulatorische Aufgabe, wie das Verbot des in China verbreiteten sogenannten "Social Scoring", und eine Frage der konsequenten Rechtsdurchsetzung.

Ist der Zug dafür nicht abgefahren?

Die monopolartige Marktmacht der großen nichteuropäischen Plattformen, die durch KI-Anwendungen nochmal zementiert werden kann, ist natürlich eine Herausforderung. Gleichzeitig haben wir als EU jetzt Instrumente geschaffen gegen Hass und Falschinformationen. Der Digital Services Act ermöglicht der EU-Kommission, gegen große Plattformen wie Telegram, TikTok oder X, früher Twitter, vorzugehen, wenn sie sich nicht an Recht und Gesetz halten. Mit der KI-Verordnung kommt zusätzlich die Pflicht zur Transparenz darüber, was mit KI generiert wurde. Wenn KI-Inhalte ausgespielt werden, muss das erkennbar sein, gerade auf sozialen Plattformen. Das ist wichtig, um zwischen Wahrheit und Lüge im digitalen Raum überhaupt noch unterscheiden zu können und gibt Nutzerinnen und Nutzer mehr Selbstbestimmung über ihr Informationsverhalten. Die KI-Verordnung stärkt so letztlich auch unsere Demokratie.

Das im Gesetz zu verankern, ist eine Sache, es durchzusetzen, eine andere. Selbst vor KI war es schon schwer, gegen Desinformationskampagnen vorzugehen.

Wir hatten bis dato gar keine europäische Rechtsgrundlage, um dieses Problem anzugehen und ich bin sehr froh darüber, dass wir jetzt eine haben. Jetzt kommt es auf eine konsequente Umsetzung an, der Ball dafür liegt vor allem bei der EU-Kommission. Die hat gerade Verfahren begonnen, etwa gegen Tiktok und gegen Meta, und die Strafen können durchaus erheblich sein. Mit der KI-Verordnung haben wir übrigens nun auch ein Instrument, um geistiges Eigentum zu schützen, ohne das wir in Europa ziemlich arm wären. Das Urheberrecht etwa von Künstlern, Journalisten und Forschern muss auch im KI-Zeitalter gelten. Wenn deren Texte, Werke oder Daten für das Training von KI-Modellen genutzt werden, muss ihnen das auch zugutekommen. Das gehört für mich dazu, wenn wir über Sicherheit und Souveränität sprechen.

Auch dabei stellt sich Frage: Wird ein Künstler, ein Schriftsteller oder auch ein deutscher Mittelständler entsprechende Ansprüche durchsetzen können gegen die Technologieriesen, die die Branche beherrschen?

Deswegen definiert die KI-Verordnung nicht nur die Rechte der Eigentümer von geistigem Eigentum. Sie beinhaltet auch Transparenzpflichten, Beschwerde- und Klagemöglichkeiten. Zusätzlich wird es als zentralen Akteur mit einem systematischen Blick über und Vorgehen gegen die Probleme mit den Anbietern ein AI Office auf europäischer Ebene geben.

OpenAI und andere große Anbieter Text-, Bild- und Video-KI legen bislang nicht offen, mit welchen Daten sie ihre Modelle trainiert haben und machen es so sehr schwer, Urheberrechtsansprüche überhaupt zu erkennen. Das soll sich mit der KI-Verordnung ändern?

Ja, die Unternehmen werden verpflichtet, diese Datensätze gegenüber den Kunden offenzulegen. Das haben wir explizit im Gesetz geregelt.

Nehmen Sie in Kauf, wenn Unternehmen vorziehen, bestimmte, vielleicht besonders starke KI-Modelle in Europa nicht anzubieten, weil sie ihre Daten nicht offenlegen wollen?

Warten wir es doch erst einmal ab. Die KI-Verordnung schafft Wertschätzung für geistiges Eigentum. Das zu bewahren, dafür sollten wir uns einsetzen.

Mit Franziska Brantner sprach Max Borowski

Quelle: ntv.de

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