Wirtschaft

Kreml kündigt Sanktionen an Moskau und Ankara droht teurer Streit

Russlands Präsident Wladimir Putin.

Russlands Präsident Wladimir Putin.

(Foto: REUTERS)

Während Russland und die Türkei über den Abschuss eines Kampfflugzeuges streiten, setzt Moskau auf wirtschaftliche Vergeltungsmaßnahmen. Ein Handelskrieg würde allerdings beiden Ländern massiv schaden.

Dem Krieg der Worte folgen Vergeltungsmaßnahmen: Russland kündigt an, nach dem Abschuss eines Kampfflugzeuges Sanktionen gegen die Türkei zu verhängen. Der Kreml gibt sich zwar entschlossen, dem Land wirtschaftlich schaden zu wollen. Doch an einem ausgewachsenen Handelskrieg haben beide Seiten kein Interesse. Er wäre schlicht viel zu teuer.

Russland und die Türkei sind enge Handelspartner. Und beide Länder stecken in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, neuerliche Probleme kämen zur Unzeit.

So droht aus dem ehemaligen "Tiger vom Bosporus" ein Bettvorleger zu werden: Das Wachstum geht deutlich zurück, die Inflation steigt, die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Währung verliert an Wert.

Die russische Wirtschaft leidet derweil unter dem niedrigen Ölpreis und den vom Westen verhängten Sanktionen. Das Land hat mit einer Rezession zu kämpfen. Der Internationale Währungsfonds geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 3,8 Prozent sinken wird und im kommenden Jahr weiter schrumpft.

Auch Russland verzeichnet eine hohe Inflation, dazu trägt der Importstopp westlicher Lebensmittel bei – die Nahrungsmittelpreise steigen wegen des geringeren Angebots kräftig. Zum Ausgleich für die gestoppten Käufe westlicher Anbieter setzte der Kreml unter anderem auf Lieferungen aus der Türkei. Deshalb entbehrte es nicht einer gewissen Ironie, als der russische Landwirtschaftsminister Alexander Tkatschew nun verkündete, die Kontrollen bei der Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte aus der Türkei zu verschärfen. Er führte das auf "wiederholte Verstöße" gegen Hygienevorschriften zurück. Auf diese Weise begründet Russland seit Jahren Handelsbeschränkungen nicht für Georgien und die Ukraine, sondern für viele Länder, mit denen es im Streit liegt.

Ob diese "verschärften Kontrollen" tatsächlich zu nennenswerten dauerhaften Importbeschränkungen führen, gilt als unwahrscheinlich. Derzeit sorgen sie vor allem für lange Staus an der russischen Grenze im Kaukasus, weil die Abfertigung von Lastwagen aus der Türkei dort nun länger dauert.

Russen zieht es in die Türkei

Härter könnte die Türkei der Aufruf des Moskauer Außenministeriums treffen, russische Staatsbürger sollten wegen "Terrorgefahr" die Türkei verlassen. Russische Reisebüros haben bereits Reisen zunächst bis Jahresende storniert. Damit entstehe der Türkei ein Schaden von zehn Milliarden US-Dollar, sagte ein Sprecher des russischen Außenministeriums. Auch wenn diese Zahl viel zu hoch gegriffen sein sollte: Das Land ist ein beliebtes Reiseziel für Russen, im vergangenen Jahr besuchten 4,5 Millionen die Türkei. Damit waren sie mit einem Anteil von 12,5 Prozent aller Touristen die zweitgrößte Gruppe nach den Deutschen.

Moskau und Ankara hatten zudem vor gut einem Jahr eine strategische Energiepartnerschaft vereinbart. Die Türkei ist nach Deutschland der zweitgrößte Gas-Kunde des Staatskonzerns Gazprom. Zwar stellte der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew nun unter anderem den Bau des ersten türkischen Atomkraftwerks in Frage. Doch ein Ende des 22 Milliarden Dollar schweren Projekts würde nicht nur die Türken, sondern auch die russische Atom-Holding Rosatom treffen. Es handelt sich um ihren derzeit größten Auftrag.

Auch das geplanten Gaspipeline Turkish Stream durch das Schwarze Meer wollten Russland und die Türkei gemeinsam stemmen. Sie gilt als Nachfolgeprojekt der South-Stream-Pläne, die 2014 infolge eines Streits der EU mit dem Kreml gescheitert waren.

Während auf der höchsten politischen Ebene noch in scharfen Worten schwere Vorwürfe erhoben werden, deutet viel darauf hin, dass wirtschaftliche Gründe bald für rhetorische Abrüstung sorgen werden – und Strafmaßnahmen allenfalls von kurzer Dauer sein werden. Oder wie es der türkische EU-Minister Volkan Bozkir ausdrückte: Den Luxus eines unfreundlichen Verhältnisses können sich beide Seiten nicht leisten.

Quelle: ntv.de

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