Wirtschaft

Nicht nur Zalando und Alibaba Neulinge stürmen Börsen

Heute Modeversand, morgen ein Firmen-Inkubator. Derzeit mangelt es den IPOs nicht an Vielfalt.

Heute Modeversand, morgen ein Firmen-Inkubator. Derzeit mangelt es den IPOs nicht an Vielfalt.

(Foto: REUTERS)

Alibaba, Zalando und Rocket Internet halten die Börsen mit ihren IPOs in Atem. Und sie sind nicht die einzigen. So ein Emissionsvolumen gab es zuletzt im Jahr 2000 – zu Zeiten des Neuen Marktes. Die Bewertungen sind schwindelerregend.

Enttäuschte Gesichter auf dem Frankfurter Parkett: Nachdem die Zalando-Aktie mit einem Kurs von 24,10 Euro in den Handel startete, musste sie anschließend einen Großteil der Zeichnungsgewinne abgeben und notiert mit 22 Euro nur noch leicht über dem Ausgabepreis von 21,50 Euro. Nichts desto trotz bringt der Online-Händler mit einem Börsenwert von 5,4 Milliarden Euro eine Menge Gewicht auf Waage.

Bereits morgen wird Rocket Internet sein Debüt geben. Wegen der starken Nachfrage nach den Aktien war das Börsendebüt vorgezogen worden. Bei einer Zuteilung am oberen Rande der Spanne hätte Rocket Internet einen Börsenwert von stattlichen 6,7 Milliarden Euro.

Markt für US-Börsengänge boomt

Die Begeisterung für die IPOs in Deutschland hat vor allem der erfolgreiche Börsengang von Alibaba geschürt. Auch das Papier zuletzt korrigiert hat, notiert es immer noch um 30,5 Prozent über dem Ausgabepreis. Mit der Performance gehört die Aktie allerdings längst nicht zu den Highflyern am US-Markt. Die Liste der 2014er-Debütanten führt der Actionkamera-Anbieter GoPro mit einem Plus von 278,9 Prozent gegenüber dem Ausgabepreis von 24 Dollar an. Nach der Kursexplosion wird das Unternehmen allerdings mit einem 2015er-KGV von 125 bewertet. Trotz der erwarteten kräftigen Gewinnsteigerung ist das eine sehr hohe Bewertung.

Laut dem IPO-Spezialisten Renaissance Capital haben die 204 Debütanten dieses Jahres in den ersten drei Quartalen insgesamt 68,2 Milliarden Dollar eingesammelt. Die Renaissance-Profis rechnen mit einem "robusten Herbst" für den Bereich. Für das Gesamtjahr gehen sie von einem Emissionsvolumen von insgesamt 80 Milliarden Dollar aus. Ein derartiges Niveau würde nur vom Jahr 2000 mit 97 Milliarden Dollar übertroffen werden. Der bedeutendste Sektor ist derzeit der Gesundheitsbereich, haben doch seit Jahresanfang 78 Unternehmen den Sprung an die Börse geschafft. Auf den folgenden Plätzen liegen Technologiefirmen (44 Debütanten) und Finanzwerte (24).

US-Aktienmarkt ist hoch bewertet

Verantwortlich für den Boom am IPO-Markt in den USA ist die Hausse beim S&P 500. Seit dem Tief vom März 2009 hat er sich verdreifacht. Inzwischen ist der Index aber sehr teuer. Die Unternehmen werden im Schnitt mit dem Zweifachen des Umsatzes bewertet. Das ist ein Rekordwert und liegt weit über dem langfristigen Schnitt, der bei dem 0,88fachen liegt. Wegen der Hausse schauen Investoren allerdings immer weniger auf die Bewertung der Neulinge.

Weil die Banken, die an einer Emission beteiligt sind, innerhalb von 40 Tagen nach dem IPO keine Studien veröffentlichen dürfen, ist es derzeit noch schwierig, sich etwa einen Eindruck über die Bewertung von Alibaba zu verschaffen. Laut den Gewinnschätzungen von Henry Guo, Analyst bei GJ Capital, ist Alibaba mit dem 33fachen des bereinigten 2015er-Gewinns je Aktie bewertet. Selbst unter Berücksichtigung der hohen Profitabilität der Internetfirma erscheint die Bewertung nicht gerade günstig. Dieser Überzeugung sind offensichtlich etliche Investoren, haben sie doch zuletzt 12,1 Millionen Aktien leer verkauft. Das sind immerhin 3,3 Prozent der frei umlaufenden Aktien (Free Float). Bei einem Leerverkauf veräußern Investoren Papiere, die sie zuvor geliehen haben, in der Hoffnung sie später günstiger zurückkaufen zu können.

Zalando und Rocket Internet sind teuer

Zalando und Rocket Internet nutzen die Euphorie am IPO-Markt, um eine hohe Bewertung durchzusetzen. Zum Vergleich: Mit einem Börsenwert von 5,4 Milliarden Euro liegt Zalando fast auf Augenhöhe mit der Lufthansa, die 5,7 Milliarden auf die Waage bringt und weit vor K+S (4,3 Mrd.) und der Spezialchemiefirma Lanxess (4,0 Mrd. Euro).

Anlehnend an das erste Halbjahr könnte Zalando 2014 einen Gesamterlös von 2,25 Milliarden Euro erreichen. Dann ist der Konzern mit dem 2,4fachen des Umsatzes bewertet. Die Bewertung für den britischen Online-Modehändler Asos liegt hingegen bei lediglich dem 1,7fachen. Der italienische Wettbewerber Yoox, der sich auf den Internethandel von Luxusgütern fokussiert, kommt auf ein "Multiple" von zwei.

Die Marktkapitalisierung von Rocket Internet liegt bei 6,7 Milliarden Euro. Dabei kopiert das Unternehmen der Internet-Investoren Oliver, Marc und Alexander Samwer die Geschäftsmodelle hauptsächlich von amerikanischen Startups. Rockets junge Unternehmen "machen derzeit bedeutende Verluste und verfügen über einen negativen operativen Kapitalfluss, erfordern hohen Kapitaleinsatz und werden möglicherweise nie gewinnbringend oder zahlungsmittelgenerierend", so der Emissionsprospekt. Selbst die Hoffnungsträger des Unternehmens, die sogenannten "proven winners" haben im vergangenen Jahr bei Erlösen von 757 Millionen Euro Verluste von insgesamt 442 Millionen Euro geschrieben. Es steckt also schon eine Menge Fantasie in den Bewertungen und damit auch entsprechende Risiken – Erinnerungen an den Neuen Markt werden wach.

Quelle: ntv.de

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