
Satte Renditen mit Containern hatte P&R den Anlegern versprochen. Nun gehen sie auf eine lange und ungewisse Reise.
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Mehr als 50.000 Kleinanleger haben Milliarden in die Münchner Containerfirma P&R gesteckt. Nun ist klar: Sie investierten in ein betrügerisches Schneeballsystem. Wann sie ihr Geld wiedersehen - und wie viel - ist offen.
Tausende Menschen strömen seit gestern in die Münchner Olympiahalle. Von dem, was sie am nötigsten bräuchten, haben die meisten von ihnen nicht mehr viel: Zeit. Viele sind hochbetagt, 70 Jahre und älter. Sie alle verbindet eins: Sie haben ihr Geld bei der Firmengruppe P&R investiert. Sie alle haben einige tausend Euro, manche auch zweistellige Millionenbeträge, in den Traum gesteckt, mit Containerfonds im weltweiten Frachtgeschäft satte Renditen zu machen. Vor etwa einem halben Jahr ist er geplatzt. P&R meldete Insolvenz an.
Bis die Anleger Gewissheit über ihre Verluste bekommen, werden wohl Jahre vergehen. Die Gläubigerversammlungen, die der Münchner Insolvenzverwalter Michael Jaffé seit gestern abhält, sollen eine Orientierung geben. Der erste Kassensturz fällt ernüchternd aus. Von 1,6 Millionen Containern, die P&R verkauft hat, existierte eine Million nur auf dem Papier. Schon 2010 wäre der Insolvenzantrag fällig gewesen, sagte Jaffé am Mittwoch.
Seitdem habe die Firma ihre Anleger nur noch mit dem Geld neuer Investoren ausgezahlt, so wie es der Fachjournalist Stephan Loipfinger schon vor Jahren vermutet hatte. Dank des großangelegten Schneeballsystems schauen die 54.000 P&R-Anleger nun in die Röhre. Doch so klar die Befunde sind, so schwierig dürfte es werden, das Geld zurückzuholen. Im womöglich bald größten Anlegerskandal der Nachkriegsgeschichte bleibt den Investoren nichts anderes übrig, als die Sache auszusitzen.
Alle Hoffnung ruht auf der Schweiz
Das liegt vor allem an der Struktur der Firmengruppe. Verkauft wurden die Container-Investments von vier P&R-Firmen in Deutschland. Sie sind pleite. Vermietet und verwertet wurden deren Metallboxen aber von einer P&R-Gesellschaft in der Schweiz. Sie existiert noch und ist die letzte Hoffnung der Anleger. Denn sämtliche Einnahmen, mit denen sie noch rechnen können, werden hier entstehen, aus der Vermietung und dem Restverkauf ihrer Container. Andere Finanzquellen dürften im Insolvenzverfahren kaum ins Gewicht fallen.
Wieviel Geld sie wiedersehen, hängt davon ab, wie lange ihre Stahlkisten noch vermietet werden können. Solange sie ausgelastet sind, fließt Geld. Sobald sie leer stehen oder kaputt gehen, fallen Standgebühren und Verschrottungskosten an, die sie vom Einnahmenbringer zu toter Fracht machen.
Momentan sind laut Insolvenzverwalter über 98 Prozent der Container vermietet. Doch im Schnitt sind die Boxen bereits neun Jahre alt. Ihre Lebensdauer liegt bei etwa 10 bis 15 Jahren, womöglich auch darüber, je nachdem, wie gut die Kisten noch in Schuss sind. "Die Beziehungen zu Reedereien und Frachtfirmen sind weitestgehend intakt. Solange das so ist, kann das Vermietungsgeschäft auch weitergeführt werden", sagt ein Sprecher von Insolvenzverwalter Jaffé zu n-tv.de.
Die Kanzlei rechnet bis Ende 2021 mit Erlösen aus der Vermietung und dem Verkauf von Containern von rund 560 Millionen Euro - vorausgesetzt das Geschäft läuft reibungslos weiter. Vielleicht wird es mehr, vielleicht aber auch weniger, je nachdem, zu welchem Restpreis sich die Boxen an ihrem Lebensende verkaufen lassen. Wenn alles gut läuft, soll es 2020 die erste Zahlung an die Anleger geben.
Demgegenüber stehen ihre Forderungen. Bislang haben sie bereits Ansprüche von über einer Milliarde Euro geltend gemacht. Insgesamt hat die P&R-Gruppe Container für rund 3,5 Milliarden Euro verkauft. Schon jetzt decken die Einnahmen der nächsten drei Jahre also gerade mal die Hälfte der angemeldeten Forderungen.
Eine seriöse Schätzung der endgültigen Insolvenzquote ist kaum möglich: Dafür ist die P&R-Pleite eine Rechnung mit zu vielen Unbekannten. Wie gut das Containergeschäft in den nächsten Jahren läuft, hängt unter anderem von der Entwicklung des Welthandels, Währungsschwankungen und politischen Krisen ab.
Gefangen auf hoher See
Die schlechte Nachricht für die Anleger ist: Sie stecken in dem Schlamassel fest. Theoretisch könnten sie zwar versuchen, ihre Container auf eigene Faust sofort zu verkaufen. Doch dafür müssten sie sie erstmal finden - und beweisen, dass sie ihnen wirklich gehören. Mehr als 90 Prozent der Anleger haben laut Insolvenzverwalter keine Eigentumszertifikate bekommen. Schließlich existierten fast zwei Drittel der Container ja auch gar nicht.
Und selbst wenn sie die rechtlichen Hürden nehmen und sie aufspüren könnten, würde es ihnen vermutlich nicht viel nützen. Denn ihre Container schippern irgendwo über die Weltmeere oder stehen in Häfen am anderen Ende der Welt herum. Sie abzuholen oder jemand vor Ort zu finden, der sie kauft, würde so hohe Kosten erzeugen, dass die Verwertung wirtschaftlich keinen Sinn mehr macht.
Oberstes Ziel von Insolvenzverwalter Jaffé ist es daher, den Schweizer Arm der P&R-Gruppe weiter am Laufen zu halten. "So haben die Anleger die Gewähr, dass ihre Schäden minimiert werden und sie eine bestmöglichste Verwertung erreichen", sagt sein Sprecher. Zudem wolle man Haftungsansprüche gegenüber den Verantwortlichen der Pleite durchsetzen. P&R-Gründer Heinz Roth sitzt seit September in Untersuchungshaft. Auch mit seinem Vermögen werden sich die Verluste der Anleger aber wohl nicht ersetzen lassen.
Quelle: ntv.de