Kein Kompromiss in Sicht So viel Geld kostet VW der Streik
09.12.2024, 11:28 Uhr Artikel anhören
In Wolfsburg protestieren Mitarbeiter von Volkswagen gegen die Pläne des Vorstands.
(Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool)
Bei Volkswagen hat der zweite Warnstreik in der laufenden Tarifrunde begonnen. Die IG Metall will Lohnkürzungen, Entlassungen und Werksschließungen verhindern. Doch die Konzernführung sieht sich zu gezwungen, Einsparungen durchzusetzen.
Die Fronten bei Volkswagen sind verhärtet. Pünktlich zur vierten Tarifrunde hat die Gewerkschaft IG Metall zum flächendeckenden Warnstreik aufgerufen. In neun der zehn deutschen VW-Werke sollen heute die Bänder für jeweils vier Stunden stillstehen. Eine Einigung ist nicht in Sicht - es geht um Lohnkürzungen, Werksschließungen und Entlassungen.
Der Warnstreik wird den Konzern viel Geld kosten. Wie das "Handelsblatt" unter Berufung auf Konzernkreise berichtet, fehlten allein durch den Produktionsausfall in Wolfsburg, Emden, Hannover und Zwickau zum Streikauftakt vergangene Woche Ergebnisbeiträge von rund 40.000 Euro pro gestreikter Minute.
Sollte sich die Tarifstreit - und so sieht es derzeit aus - weiter hinziehen, dürfte es für Volkswagen sehr viel teurer werden. Die Gewerkschaft dürfte dann im nächsten Jahr zunächst für einen kompletten Tag eine flächendeckende Arbeitsniederlegung organisieren und danach einen unbefristeten Streik folgen lassen.
Dabei drängt die Zeit. Dem "Handelsblatt" zufolge drohen nämlich ohne schnelle Einigung Extra-Kosten in Milliardenhöhe. Wie die Zeitung - ebenfalls unter Berufung auf Konzernkreise - berichtet, tritt ein sogenannter Schattentarif in Kraft, sofern in den nächsten Wochen kein Kompromiss zwischen IG Metall und VW-Management gefunden und kein neuer Tarifvertrag vereinbart wird.
Schwierige Verhandlungen
Demnach würden ab dem kommenden Jahr wieder Tarif-Regelungen gelten, die vor dem 1. Januar 1994 gegolten hatten. Das Gehaltsniveau der 120.000 Angestellten der VW AG würde dann über alle Tarifgruppen hinweg um rund 4,5 Prozent steigen. Hinzukommen würden 1,3 Monatsgehälter und eine alte Bonusregelung.
Wie das "Handelsblatt" weiter berichtet, hatte die IG Metall die Kosten für die Wiedereinführung dieses Schattentarifs in der Vergangenheit auf knapp eine Milliarde Euro geschätzt. Der Zeitung zufolge rechnen Insider jedoch damit, dass die Kosten bis zu zwei Milliarden Euro betragen könnten. Die dafür erforderlichen Rückstellungen könnten eine erneute Gewinnwarnung erforderlich machen. Möglicherweise müsse VW dann das Sparprogramm verschärfen.
In der Tarifrunde geht es um die Bezahlung der rund 120.000 Beschäftigten in den Werken der Volkswagen AG, wo ein eigener Haustarif gilt. Hinzu kommen mehr als 10.000 Mitarbeiter bei VW Sachsen, für die 2021 eine Angleichung an den Haustarif vereinbart wurde. VW lehnt jede Erhöhung ab und fordert wegen der schwierigen Lage des Konzerns zehn Prozent Lohnkürzung.
Was die Verhandlungen zudem schwierig macht: Parallel wird auch über die Beschäftigungssicherung gestritten, die VW nach mehr als 30 Jahren aufgekündigt hat. Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen stehen im Raum. Zudem will VW weniger Auszubildende übernehmen und die Bezahlung von Leiharbeitern, die bei VW bisher einen Zuschlag erhalten, auf das normale Niveau der Zeitarbeit absenken.
"Ein Sanierungsfall"
Laut Betriebsrat sind mindestens drei Werke und Zehntausende Arbeitsplätze bedroht. VW begründet die Einschnitte mit hohen Kosten und einer geringen Auslastung. "Der VW-Konzern ist ein Sanierungsfall", sagte Vorstandschef Oliver Blume Teilnehmern zufolge auf einer Betriebsversammlung vergangene Woche.
Ein Gegenkonzept von IG Metall und Betriebsrat für Einsparungen ohne Massenentlassung und Werksschließung wies VW als unzureichend zurück. Die IG Metall hatte angeboten, eine mögliche Lohnerhöhung vorerst nicht auszuzahlen, sondern in einen Zukunftsfonds einzubringen. Dem Konzern stellten sie dabei eine Kostenentlastung von 1,5 Milliarden Euro in Aussicht.
Im Gegenzug sollte VW auf Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichten. Voraussetzung wäre aber, dass man den jüngsten Pilotabschluss für die Metall- und Elektroindustrie übernimmt, der eine Erhöhung um 5,1 Prozent in zwei Stufen vorsieht. Und auch Management und Aktionäre müssten ihren Beitrag leisten und auf Boni und Dividenden verzichten, fordert Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Blume bezeichnete die Vorschläge auf der Betriebsversammlung als einen "Startpunkt", der aber bei Weitem nicht ausreiche.
Quelle: ntv.de, jga/dpa