Tausende Daten belegen Tricks "Steuervermeidung wird immer einfacher"
06.11.2014, 14:48 UhrUnternehmen können heute viel leichter ihre Gewinne verstecken als noch vor wenigen Jahren. Thomas Eigenthaler von der Deutschen Steuergewerkschaft sagt im Interview, was Deutschland dagegen tun könnte.
n-tv.de: Journalisten haben Dokumente veröffentlicht, die zeigen, in welchem Ausmaß Unternehmen mit komplizierten Konstruktionen in Luxemburg Steuern sparen. Sind Sie überrascht?
Thomas Eigenthaler: Nein. Steuerfachleute wissen schon seit Jahren, dass hier ein ganz munteres Treiben herrscht. Luxemburg zieht Steuersparkonstrukte und Schwarzgeld an wie der Honig die Biene. Wir diskutieren ja auch schon seit Monaten darüber, mit welchen Konstruktionen Google und Starbucks Steuern sparen. Und dass Luxemburg eine Dreh- und Angelscheibe dieser Konstruktionen ist, das ist schon lange bekannt. Das Land betreibt Steuerdumping auf billigste Art und Weise zulasten der Nachbarstaaten. Auch der Mittelstand wird geschädigt, weil er die Schlupflöcher nicht nutzen kann.
Ist das legal oder ein Verbrechen?
Früher hat Luxemburg auch viel bei Steuerhinterziehungen geholfen. Nun geht es darum, wie Steuerregeln ausgenutzt werden – meist auf legale Weise.
Was kann man dann tun?

Thomas Eigenthaler ist Bundesvorsitzender der deutschen Steuergewerkschaft.
(Foto: www.marco-urban.de)
In der vergangenen Woche haben sich in Berlin 51 Staaten mit der OECD auf einen automatischen Austausch von Steuerdaten geeinigt. Als Nächstes müssen die geschädigten Staaten bewirken, dass die Erosion der Steuerbasis und die Verschiebung von Gewinnen gestoppt wird. Der Fachbegriff dafür lautet "Beps – Base Erosion and Profit Shifting". Diesem Treiben muss Einhalt geboten werden, Luxemburg muss sein Steuerrecht ändern.
Was müsste Luxemburg ändern, den Steuersatz oder die Art der Besteuerung?
Ganz wichtig ist der Steuersatz. Denn der zieht ausländische Investoren an. Was auch nicht geht, sind "Rulings": Das sind eine Art Verträge zwischen einem Staat und einem Unternehmen, mit denen der Staat verbindlich zusagt, wie die Besteuerung gehandhabt wird. Das geht nicht. Wir brauchen ein konzertiertes europäisches Vorgehen gegen solche Dumping-Vereinbarungen. Derzeit prüft die EU-Kommission, ob die Rulings unzulässige Beihilfen sind.
Der neue EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war 18 Jahre lang Premierminister von Luxemburg. Hat er die gesetzliche Grundlage für die Steuersparmodelle geschaffen?
Juncker war in Personalunion ja auch Finanzminister, er hat die Rulings begründet und jahrelang mitverantwortet. Andere Konstrukte gibt es schon länger, nur wird es immer einfacher, sie zu nutzen: durch die internationale Verflechtung von Unternehmen, das Internet, die Öffnung der Märkte, den EU-Binnenmarkt. Davon hat Luxemburg in den letzten Jahren in ganz massiver Weise profitiert. Und ich vermute, dass die anderen Staaten deswegen nicht eingegriffen haben, weil man mit Banken-, Wirtschafts- und Eurokrise genug Probleme hatte.
Deutschland nimmt diese Methoden billigend in Kauf?
Man hat davon gewusst, ist aber nicht energisch eingeschritten. Auch in den Niederlanden und in Irland gibt es ähnliche Strukturen. Man wollte keinen großen Krach in der EU anfangen. Das sind natürlich souveräne Staaten, ganz klar. Aber die Entwicklung der Schweiz in Sachen Schwarzgeld zeigt, dass sich einiges ausrichten lässt, wenn man konzertiert vorgeht.
Wird es nicht immer Steueroasen geben, selbst wenn man sie in der EU trockenlegt?
Unternehmen werden es sich gut überlegen, nach Afrika oder Südamerika zu gehen. Luxemburg ist stabil, hat eine stabile Rechtsordnung und Banken, die es den Unternehmen leicht machen. Das ist ein qualitativer Unterschied zu Ländern mit instabilen Verhältnissen. Deshalb lohnt es sich und deshalb muss die Bundesregierung den OECD-Prozess "Beps" jetzt energisch angehen.
Mit Thomas Eigenthaler sprach Christoph Herwartz
Quelle: ntv.de