Wirtschaft

Solarpaket lässt auf sich warten "Subventionierung kann schnell aus dem Ruder laufen"

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Solarhersteller in Deutschland stehen mit dem Rücken zur Wand.

Solarhersteller in Deutschland stehen mit dem Rücken zur Wand.

(Foto: imago stock&people)

Billig-Importe aus China setzen vielen europäischen Solar-Herstellern zu. Fabrikschließungen stehen im Raum, Staatshilfen gelten als Antwort. Im Interview warnt Energie-Ökonom Andreas Löschel vor einem Subventionswettlauf. In der Diskussion dürfte es nicht nur ums Geld gehen.

ntv.de: Der im August 2023 vorgestellte und verabschiedete Gesetzentwurf zum "Solarpaket 1" sollte eigentlich bereits zum Jahreswechsel 2023/24 in Kraft treten. Die Geduld aller Beteiligten dürfte inzwischen ausgeschöpft sein, oder?

Andreas Löschel: In der Energiebranche herrscht eine gewisse allgemeine Unzufriedenheit. Die Unternehmen wollen eigentlich schneller vorankommen. Vom Gesetzentwurf, über die Anhörung mit Unternehmen und Wirtschaftsvertretern bis zu den parlamentarischen Verhandlungen vergeht doch viel Zeit. Das ist nicht nur beim Solarpaket zu beobachten.

Wie wichtig ist das Solarpaket für den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Einhaltung der Klimaziele?

Ein Blick darauf, wie die Klimaziele erreicht werden sollen, wird klar: Die Erneuerbaren Energien spielen hierbei eine ganz zentrale Rolle. Im vergangenen Jahr wurden mehr als 50 Millionen Tonnen CO2 eingespart – und zwar allein im Strombereich. Im vergangenen Jahr hat der fortgeschrittene Ausbau der Erneuerbaren bei geringerer Nachfrage massiv Kohle aus dem Markt gedrängt – und dieser Ausbau soll auch weiterhin zu einem großen Teil in der Solarenergie stattfinden. Deswegen ist es wichtig, zu überlegen: Wie kann das gelingen? Geringe Flächen, bürokratische Hindernisse und zögerlicher Netzausbau bremsen momentan.

Andreas Löschel ist Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik und an der Ruhruniversität in Bochum.

Andreas Löschel ist Professor für Umwelt- und Ressourcenökonomik und an der Ruhruniversität in Bochum.

(Foto: picture alliance/dpa/RUB)

Mehrere Solarunternehmen wollen ihre Produktion in Deutschland einstellen. Was ist so schlimm daran, wenn Unternehmen ihre Produktionsstätten ins Ausland verlegen? Wieso brauchen wir in Deutschland eine wettbewerbsfähige Solarindustrie?

Zunächst ist festzuhalten, dass die Solarenergie eine der Schlüsseltechnologien der nächsten Jahrzehnte sein wird. Es dürfte aber sehr schwer werden, eine wettbewerbsfähige Solarindustrie in Deutschland zu schaffen. Das bedeutet nicht, dass es eine gute Idee ist, das Knowhow in der PV abfließen zu lassen. Deutschland ist in der PV-Technologie, auch was den Maschinen- und Anlagenbau angeht, führend. Die Frage ist vielmehr: Kann man diesen Vorsprung sichern, ohne dass wir vor Ort in großem Maß auch selber PV-Module herstellen? Langfristig dürfte das schwierig sein. Deshalb macht es Sinn, eine gewisse Produktion in Europa weiter zu haben, um die solare Wertschöpfungskette zu halten. Aber wir brauchen dafür nicht zwingend eine Produktion in Deutschland oder die größere Abdeckung der Nachfrage aus heimischer Erzeugung. Deutschland ist in der Vergangenheit mit Modulen aus dem Ausland nicht schlecht gefahren. Schließlich hat das die Kosten des Ausbaus gemindert.

Meyer Burger hat seine Produktion in Freiberg stillgelegt. Sollten Subventionen ausbleiben, will der Hersteller das Werk komplett schließen. Glauben Sie, das Unternehmen macht im Fall der Fälle Ernst?

Diese Entscheidung sollte mit einem kühlen Kopf getroffen werden. Weder scheint mir aus staatlicher Sicht ein Subventionswettlauf Sinn zu machen, noch sollten sich die Unternehmen zu stark auf Subventionszusagen einlassen. Deshalb ist es ebenso wichtig, dass es in den Diskussionen nicht nur um mehr Geld geht, sondern allgemein um bessere Rahmenbedingungen für Investitionen.

Das Solarpaket umfasst auch die Einführung eines sogenannten Resilienzbonus. Dieser sieht vor, dass heimische Verbraucher nach dem Kauf deutscher oder europäischer Solarmodule eine höhere Einspeisevergütung bekommen. Ist das die richtige Antwort auf die billige Konkurrenz aus Asien?

Der Resilienzbonus ist aus einer kurzfristigen ökonomischen Betrachtung erst einmal keine gute Idee. Jedenfalls nicht, wenn er zu breit und national gedacht wird. Ist der Blick europäisch und der Umfang dieses Segments nicht zu groß, dann kann er im Sinne der gesteigerten Resilienz aber sinnvoll sein. Sollten Lieferketten reißen, dann könnten wir heute eine stärkere europäische Erzeugung rasch aufbauen. Ganz ohne europäische Erzeugung dürfte das mittelfristig schwierig sein.

Die FDP sträubt sich gegen den Resilienzbonus. Die Partei ist überzeugt: Der Markt werde das Problem regeln. Auch einige Ökonomen warnen vor Dauersubventionen. Heimische Hersteller könnten es ohnehin nicht mit der Konkurrenz aus China aufnehmen. Was entgegnen Sie?

Ich kann die Argumente gut nachvollziehen. Im Kern sollten wir in der Tat möglichst die internationalen Märkte nutzen und stärker aus verschiedenen Ländern diversifiziert beschaffen. Komplett auf eine heimische und europäische Produktion zu verzichten, ist aber eben mittelfristig auch gefährlich. Hier braucht es einen abgewogenen Mittelweg, der kurz- und langfristige Kosten und Nutzen abwägt.

Christian Lindner gibt sich optimistisch: Selbst bei einem Lieferstopp aus China würden auf den Weltmärkten rasch anderswo Produktionsstätte entstehen. Er ist überzeugt, auch die Lieferketten in Deutschland würden nicht reißen.

In turbulenten Zeiten zeigt sich, wie mächtig Märkte sind und in welchem Ausmaß sie etwaige Lieferschwierigkeiten auffangen können. Wir haben das gerade in der Gaskrise gesehen. Da haben wenige Akteure geglaubt, dass die großen Verwerfungen zu meistern sind. Durch weitgehende Nutzung der globalen Märkte ist es gelungen, gut durch die letzten beiden Winter zu kommen. Und durch die hohen Preise sind viele Projekte angestoßen worden, die in den nächsten Jahren in den Markt kommen. Diese Mechanismen dürften auch bei einem Lieferstopp relevant sein. Trotzdem sollten wir die bestehenden Abhängigkeiten ernst nehmen und uns auch in Europa wappnen.

Im Jahr 2030 will die EU mindestens 40 Prozent der Solarenergie aus eigener Produktion liefern. Wie realistisch ist das?

Mehr zum Thema

Zunächst einmal ist ja die Frage, ob das überhaupt notwendig ist. Augenblicklich ist klar: Je mehr wir aus eigener Produktion bereitstellen, umso teurer wird der Solarausbau. Das ist keine gute Nachricht für den Klimaschutz. Oder die Mitgliedsstaaten subventionieren den Ausbau noch stärker. Eine umfangreiche Subventionierung in der Breite, um ein 40-Prozent-Ziel zu erreichen, kann schnell aus dem Ruder laufen. Schließlich sind viele staatliche Budgets stark unter Druck. Deshalb sollte es nicht um Menge gehen, sondern um die Sicherung des Knowhows, um in turbulenten Zeiten souverän reagieren zu können und mit Innovationen die Option auf eine wettbewerbsfähige europäische Produktion aufrechterhalten zu können.

Mit Andreas Löschel sprach Juliane Kipper

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen