Weil Konkurrenz Stabilität gefährdet Treibt Draghi Banken bewusst in die Pleite?
29.09.2016, 19:23 Uhr
Eine weniger: Diese Sparkassenfiliale in Berlin hat es schon vor Jahren erwischt.
Deutschlands Kreditinstitute stecken in einer tiefen Krise. Nicht nur die Deutsche Bank, sondern vor allem viele kleine Institute kämpfen ums Überleben. Äußerungen von EZB-Chef Draghi zeigen: Mitleid von den Notenbankern dürfen sie nicht erwarten.
Europas Bankenbranche ist zu groß. Diese Feststellung stammt nicht etwa von linken Kapitalismuskritikern, sondern von Europas oberstem Währungshüter und Bankaufseher, EZB-Chef Mario Draghi. "Ausdrücklich" schloss sich auch Bundesbankvorstand Andreas Dombret dieser Einschätzung an. Äußerungen, die vor allem in Deutschland Besorgnis hervorrufen, wo nicht nur die Branchenriesen Deutsche Bank und Commerzbank, sondern vor allem viele kleine regionale Sparkassen und Genossenschaftsbanken um die Existenz kämpfen. Treiben die Notenbanker mit ihrer Niedrigzinspolitik und harten Auflagen die Institute mit Absicht in die Krise?
In Europa, so führte Draghi bei einer Rede vor wenigen Tagen aus, sei der Bankensektor nicht nur stark gewachsen, sondern im Verhältnis zur hiesigen Wirtschaft inzwischen viermal so groß wie in den USA. Sorgen macht das Draghi und anderen Notenbankern, weil es ihrer Analyse zufolge die Stabilität des Finanzsystems gefährdet.
Denn demnach können die Institute durch die harte Konkurrenz unter zu vielen oder zu großen Banken – und nicht in erster Linie wegen der niedrigen Zinsen – kaum Geld verdienen. Banken, die nicht genug verdienen, könnten aber keine Polster für den Krisenfall anlegen. "Als Aufseher interessiert mich, dass die langfristige Überlebensfähigkeit des Instituts gesichert ist", führte Bundesbankvorstand Dombret bei einer Rede aus. "Das heißt, dass ein Institut Speck für magere Zeiten haben muss. Und dieser muss natürlich in guten Zeiten erwirtschaftet werden."
Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim, findet allerdings weder die Konkurrenzthese noch den Vergleich mit den USA überzeugend. "Die Struktur nicht nur des Bankensektors, sondern auch unserer Volkswirtschaft mit ihren vielen mittelständischen Betrieben, ist weder mit den USA noch mit Großbritannien vergleichbar", sagt er im Gespräch mit n-tv.de.
Gegenteil einer sinnvollen Marktbereinigung
Auch ein harter Wettbewerb sei zunächst einmal gut für die Kunden, vor allem jenseits der Metropolen, die von allen internationalen Großbanken bedient werden. "Wenn es weniger Banken und Bankdienstleistungen in der Fläche gibt, steigen dort die Zinsen", sagt Burghof. "Deshalb ist gerade für den deutschen Mittelstand ein Wettbewerb unter den Banken nicht nur in den Großstädten essentiell."
Dass Draghi das Stichwort "Overbanking" in den Fokus rückt, macht Burghof Sorgen. Derartige Analysen hätten mit der Aufgabe der EZB, der Geldpolitik, nichts mehr zu tun. "Die Notenbank hat sich gegenüber der Wirtschaftsstruktur neutral zu verhalten", sagt Burghof. Dabei nehme die EZB-Politik derzeit massiv Einfluss auf die Struktur des deutschen Bankensektors. Ob das mit dem Ziel der Zerstörung deutscher Regionalbanken geschieht, oder die EZB dies billigend aus anderen Gründen in Kauf nimmt, sei zweitrangig. "Im Ergebnis gefährden die Niedrigzinspolitik und die speziell für kleinere Banken hohen Regulierungskosten auf jeden Fall die Existenz vieler - vor allem regionaler - Banken."
Beim Bundesverband Deutscher Banken (BDB) kann man dagegen eine zielgerichtete Politik der Notenbanken zur Marktbereinigung nicht erkennen. "Wir kritisieren die EZB-Geldpolitik, die vor Jahren in Krisenzeiten einmal hilfreich war, weil sie nun die Ertragslage unserer Banken verschlechtert", sagt BDB-Chefvolkswirt Siegfried Utzig n-tv.de. Doch indem sie so massiv Liquidität in den Markt pumpe, trage die EZB gerade nicht zu einer konstruktiven Marktbereiniung bei – im Gegenteil. "Gesunde Institute etwa in Deutschland werden bestraft, weil die Niedrigzinsen die Margen verringern. Institute in manchen Ländern, die auf Bergen notleidender Kredite sitzen, können diese dank Nullzinsen unbegrenzt verlängern und werden so künstlich am Leben gehalten."
Unterschiedliche Systeme stabilisieren
Dass die Stabilität des Finanzsystems sich erhöhen würde, wenn etwa regionale Player in Deutschland ganz oder teilweise verschwinden, bezweifelt Burghof. Einerseits würden zwar durch den verringerten Wettbewerb die Gewinne der verbleibenden Großbanken steigen, diese könnten eventuell krisenfester werden. "Doch eine Angleichung der unterschiedlichen Finanzsysteme in verschiedenen Volkswirtschaften erhöht an sich die Instabilität in Krisenzeiten", sagt er. Gleich strukturierte Finanzsektoren tendierten dazu, sich in Krisen gleich zu verhalten und gegenseitig zu destabilisieren: "Unterschiedliche Strukturen, das hat auch die vergangene Finanzkrise gezeigt, sind ein stabilisierender Faktor."
BDB-Volkswirt Utzig berichtet, dass trotz der jüngsten Äußerungen Draghis, Notenbanker sowohl auf nationaler Ebene als auch bei der EZB selbst, zuletzt mehr Verständnis für die Nöte der Banken mit der aktuellen Geldpolitik zeigten. Allerdings: "Diese Erkenntnis muss noch in Politik umgesetzt werden."
Quelle: ntv.de