"Mickey-Mouse-Softwarelösung" Umwelthilfe erwartet kaum Luftverbesserung
15.08.2017, 13:52 Uhr
Aktivisten protestieren während des Diesel-Gipfels Anfang August gegen Luftverschmutzung durch Diesel-Fahrzeuge.
(Foto: dpa)
Die Kritik nach dem Diesel-Gipfel ist groß - nun legt die Deutsche Umwelthilfe noch einmal nach. Berechnungen hätten gezeigt, dass die geplanten Lösungen die Belastung mit Stickoxiden kaum verändern würden, heißt es. Deshalb seien Fahrverbote nötig.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat eine vernichtende Bilanz des Diesel-Gipfels gezogen. Nach Auswertung aller verfügbaren Informationen würden sich die Stickoxid-Belastungen in den betroffenen Städten im Winterhalbjahr durch die beschlossenen Maßnahmen "überhaupt nicht verändern", sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Auch im Sommerhalbjahr betrage das Minderungspotenzial "realistisch zwei, drei Prozent". Das "absolute Maximum" seien fünf Prozent.
Resch kündigte an, die Klagen der DUH wegen Überschreitung der Luftqualitätsgrenzwerte in deutschen Städten fortzusetzen. "Für das Jahr 2018 spätestens wollen wir saubere Luft in Deutschland haben", sagte er. "Dafür brauchen wir Diesel-Fahrverbote - es sei denn, die Fahrzeuge werden entsprechend nachgerüstet und sind sauber."
Das Landesverwaltungsgericht Stuttgart hatte zuletzt geurteilt, dass Fahrverbote trotz Software-Nachbesserung praktisch unvermeidlich seien. Eine Revision des Urteils wurde aber zugelassen. Die EU hat seit Längerem ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Abgas-Werte in vielen Städten laufen. Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, dass es im Herbst einen zweiten Diesel-Gipfel geben wird. Kanzlerin Angela Merkel will ihn im Falle ihrer Wiederwahl zur Chefsache machen.
Die deutschen Autohersteller hatten beim Diesel-Gipfel Anfang August zugesagt, insgesamt fünf Millionen Dieselwagen der Euronormen 5 und 6 mit einem Softwareupdate nachzurüsten, um den Schadstoffausstoß dieser Fahrzeuge zu senken. Mit einem 500 Millionen Euro schweren Mobilitätsfonds, in den Bund und Autohersteller je zur Hälfte einzahlen, sollen Kommunen die Infrastruktur für Elektroautos verbessern oder öffentliche Nahverkehrsangebote attraktiver machen.
Zudem führten die Autobauer Umstiegsprämien für Besitzer älterer Dieselautos ein. Ein Problem dabei ist nach Angaben von Resch, dass die Hersteller bei den Prämien den Diesel weiterhin ins Zentrum rückten, statt ganz auf Gas- oder Elektroantriebe zu setzen.
"Konspiratives Zusammentreffen"
Das "konspirative Zusammentreffen von Automobillenkern und ihren wohlgesonnen Politikern" habe die Probleme nicht gelöst, sagte Resch. Es sei nicht um die Gesundheit der Bürger, die Umwelt oder den Klimaschutz gegangen, sondern nur darum, "den Konzernen weiter den Rücken freizuhalten". Obwohl technische Umrüstungen machbar gewesen wären, hätten sich die Gipfelteilnehmer für eine "Mickey-Mouse-Softwarelösung" entschieden, kritisierte der DUH-Geschäftsführer. Messungen beim VW-Modell Amarok hätten sogar einen Anstieg der Emissionen nach der Softwareaktualisierung gezeigt.
Die Umstiegsprämie sei eine "höhnische Verkaufsförderungspolitik" für schmutzige Diesel, auch der Mobilitätsfonds sei eine "Nullnummer", fügte Resch hinzu. Maßnahmen wie der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs oder von Radwegen könnten zumindest kurzfristig keine Verbesserung der Luftqualität bringen.
Als Folge der Stickoxid-Belastung würden jedes Jahr 10.600 Menschen vorzeitig sterben, sagte Resch. Hunderttausende Menschen würden erkranken, vor allem Kinder, Senioren, Asthmatiker und Menschen mit Atemwegsproblemen. Die DUH fordert noch vor der Bundestagswahl von den demokratischen Parteien und ihren Kandidaten eine klare Entscheidung, ob sie für die Einhaltung der Luftqualitätswerte in allen deutschen Städten ab 2018 eintreten und die dafür notwendigen Maßnahmen mittragen.
Quelle: ntv.de, mli/AFP/rts